kommen etwa -- darüber sagen können, ist alles wahr. Den Zusammenhang könnte nur ein großer Mann finden, der der Welt ihr Schicksal vorzurechnen vermag. Was ich weiß, sollt ihr mündlich hören; es kann nichts Großes, nichts Gan- zes sein: aber es wird nichts Altes und Gewöhnliches sein. Das Theater tröstet mich noch weniger, als ich glaubte. Adieu. Hanne ist mein ganzes Leben, und komm' ich wieder, bestimmt sie mich.
An Rose, in Berlin.
Paris, Sonntag den 29. November 1800.
Erst vorgestern, Rose, bekam ich deinen Brief vom 16. Ok- tober aus Leipzig. O! schreibt doch durch keine Freunde; die Post, bei allen ihren Fehlern, ist für Briefe der beste. Keinen Muff hab' ich nicht gehört noch gesehn, auch schreibst du mir nicht, wo er wohl zu langen wäre.
Du hast gute Opinion von meiner Laune: sie ist jetzt nicht zu Hause, wenn sie wiederkömmt, wird sie dir einmal danken. Du weißt gar nicht wie glücklich du bist, daß du glücklich bist. Könnt' ich's dich mit meiner Unglücks-Seele kosten lassen! Aber genießt irgend ein Wesen die Unschuld? wird man der Jugend gewahr? gedeihet viel Liebe auf Er- den? Und -- besteht nicht das Glück aus den drei Dingen? Doch hast du noch Bewußtsein genug. Genieße: freue dich. Reiße an dich, was du kannst; empfinde den Besitz. Dies kann dich sogar gegen Verlust jeder Art stählen. Und sag' mir oft, sobald es dir nur gemüthlich und thunlich ist, daß
kommen etwa — darüber ſagen können, iſt alles wahr. Den Zuſammenhang könnte nur ein großer Mann finden, der der Welt ihr Schickſal vorzurechnen vermag. Was ich weiß, ſollt ihr mündlich hören; es kann nichts Großes, nichts Gan- zes ſein: aber es wird nichts Altes und Gewöhnliches ſein. Das Theater tröſtet mich noch weniger, als ich glaubte. Adieu. Hanne iſt mein ganzes Leben, und komm’ ich wieder, beſtimmt ſie mich.
An Roſe, in Berlin.
Paris, Sonntag den 29. November 1800.
Erſt vorgeſtern, Roſe, bekam ich deinen Brief vom 16. Ok- tober aus Leipzig. O! ſchreibt doch durch keine Freunde; die Poſt, bei allen ihren Fehlern, iſt für Briefe der beſte. Keinen Muff hab’ ich nicht gehört noch geſehn, auch ſchreibſt du mir nicht, wo er wohl zu langen wäre.
Du haſt gute Opinion von meiner Laune: ſie iſt jetzt nicht zu Hauſe, wenn ſie wiederkömmt, wird ſie dir einmal danken. Du weißt gar nicht wie glücklich du biſt, daß du glücklich biſt. Könnt’ ich’s dich mit meiner Unglücks-Seele koſten laſſen! Aber genießt irgend ein Weſen die Unſchuld? wird man der Jugend gewahr? gedeihet viel Liebe auf Er- den? Und — beſteht nicht das Glück aus den drei Dingen? Doch haſt du noch Bewußtſein genug. Genieße: freue dich. Reiße an dich, was du kannſt; empfinde den Beſitz. Dies kann dich ſogar gegen Verluſt jeder Art ſtählen. Und ſag’ mir oft, ſobald es dir nur gemüthlich und thunlich iſt, daß
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0228"n="214"/>
kommen etwa — darüber ſagen können, iſt alles wahr. Den<lb/>
Zuſammenhang könnte nur ein großer Mann finden, der der<lb/>
Welt ihr Schickſal vorzu<hirendition="#g">rechnen</hi> vermag. Was ich weiß,<lb/>ſollt ihr mündlich hören; es kann nichts Großes, nichts Gan-<lb/>
zes ſein: aber es wird nichts Altes und Gewöhnliches ſein.<lb/>
Das Theater tröſtet <hirendition="#g">mich noch</hi> weniger, als ich glaubte.<lb/>
Adieu. Hanne iſt mein ganzes Leben, und komm’ ich wieder,<lb/>
beſtimmt <hirendition="#g">ſie</hi> mich.</p></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><divn="2"><head>An Roſe, in Berlin.</head><lb/><dateline><hirendition="#et">Paris, Sonntag den 29. November 1800.</hi></dateline><lb/><p>Erſt vorgeſtern, Roſe, bekam ich deinen Brief vom 16. Ok-<lb/>
tober aus Leipzig. O! ſchreibt doch durch keine Freunde; die<lb/>
Poſt, bei allen ihren Fehlern, iſt für Briefe der beſte. Keinen<lb/>
Muff hab’ ich nicht gehört noch geſehn, auch ſchreibſt du mir<lb/>
nicht, wo er wohl zu langen wäre.</p><lb/><p>Du haſt gute Opinion von meiner Laune: ſie iſt jetzt<lb/>
nicht zu Hauſe, wenn ſie wiederkömmt, wird ſie dir einmal<lb/>
danken. Du weißt gar nicht wie glücklich du biſt, daß du<lb/>
glücklich biſt. Könnt’ ich’s dich mit meiner Unglücks-Seele<lb/>
koſten laſſen! Aber genießt irgend ein Weſen die Unſchuld?<lb/>
wird man der Jugend gewahr? gedeihet viel Liebe auf Er-<lb/>
den? Und — beſteht nicht das Glück aus den drei Dingen?<lb/>
Doch haſt du noch Bewußtſein genug. Genieße: freue dich.<lb/>
Reiße an dich, was du kannſt; empfinde den Beſitz. Dies<lb/>
kann dich ſogar gegen Verluſt jeder Art ſtählen. Und ſag’<lb/>
mir oft, ſobald es dir nur gemüthlich und thunlich iſt, daß<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[214/0228]
kommen etwa — darüber ſagen können, iſt alles wahr. Den
Zuſammenhang könnte nur ein großer Mann finden, der der
Welt ihr Schickſal vorzurechnen vermag. Was ich weiß,
ſollt ihr mündlich hören; es kann nichts Großes, nichts Gan-
zes ſein: aber es wird nichts Altes und Gewöhnliches ſein.
Das Theater tröſtet mich noch weniger, als ich glaubte.
Adieu. Hanne iſt mein ganzes Leben, und komm’ ich wieder,
beſtimmt ſie mich.
An Roſe, in Berlin.
Paris, Sonntag den 29. November 1800.
Erſt vorgeſtern, Roſe, bekam ich deinen Brief vom 16. Ok-
tober aus Leipzig. O! ſchreibt doch durch keine Freunde; die
Poſt, bei allen ihren Fehlern, iſt für Briefe der beſte. Keinen
Muff hab’ ich nicht gehört noch geſehn, auch ſchreibſt du mir
nicht, wo er wohl zu langen wäre.
Du haſt gute Opinion von meiner Laune: ſie iſt jetzt
nicht zu Hauſe, wenn ſie wiederkömmt, wird ſie dir einmal
danken. Du weißt gar nicht wie glücklich du biſt, daß du
glücklich biſt. Könnt’ ich’s dich mit meiner Unglücks-Seele
koſten laſſen! Aber genießt irgend ein Weſen die Unſchuld?
wird man der Jugend gewahr? gedeihet viel Liebe auf Er-
den? Und — beſteht nicht das Glück aus den drei Dingen?
Doch haſt du noch Bewußtſein genug. Genieße: freue dich.
Reiße an dich, was du kannſt; empfinde den Beſitz. Dies
kann dich ſogar gegen Verluſt jeder Art ſtählen. Und ſag’
mir oft, ſobald es dir nur gemüthlich und thunlich iſt, daß
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 214. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/228>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.