durch Briefe aus Berlin und Leipzig schon vorbereitet, und empfing mich sehr liebreich. Als er sich neben mir auf das Sopha niedersetzte, hätte ich ihm beinah in's Gesicht gelacht, denn indem er sich etwas bückte, sah er genau so aus, wie ihn unser Neumann in den "Ver¬ suchen und Hindernissen" scherzhaft beschrieben hat, und wie und was er sprach, verstärkte den Eindruck in der¬ selben Weise. Jean Paul ist wohlbeleibt, hat ein volles, gutgeordnetes Gesicht, kleine, feuervoll sprühende und dann wieder gutmüthig matte Augen, einen freundlichen, auch im Schweigen leise bewegten Mund. Seine Sprache ist schnell, fast eilig, und daher bisweilen etwas stol¬ pernd, nicht ohne einigen Dialekt, der mir schwer zu bezeichnen wäre, aber ein Gemisch von fränkischem und sächsischem sein mag, natürlich doch ganz in der Gewalt der Schriftsprache festgehalten.
Ich mußte ihm zuvörderst alles erzählen, was ich von seinen Berliner Bekannten irgend wußte oder gar zu bestellen hatte. Gern dachte er der Zeit, da er in Berlin als Nachbar von Markus Herz in dem Leder'¬ schen Hause gewohnt, wo ich vor sieben Jahren im Garten an der Spree ihn zuerst gesehen, mit Blättern in der Hand, die man mir als zum "Hesperus" ge¬ hörig insgeheim bezeichnete. Dies Persönliche, und manches Litterarische, das sich damit verflechten mußte, regte ihn außerordentlich an, und er hatte bald mehr zu sagen, als zu vernehmen. Seine Rede war durch¬
III.5
durch Briefe aus Berlin und Leipzig ſchon vorbereitet, und empfing mich ſehr liebreich. Als er ſich neben mir auf das Sopha niederſetzte, haͤtte ich ihm beinah in's Geſicht gelacht, denn indem er ſich etwas buͤckte, ſah er genau ſo aus, wie ihn unſer Neumann in den „Ver¬ ſuchen und Hinderniſſen“ ſcherzhaft beſchrieben hat, und wie und was er ſprach, verſtaͤrkte den Eindruck in der¬ ſelben Weiſe. Jean Paul iſt wohlbeleibt, hat ein volles, gutgeordnetes Geſicht, kleine, feuervoll ſpruͤhende und dann wieder gutmuͤthig matte Augen, einen freundlichen, auch im Schweigen leiſe bewegten Mund. Seine Sprache iſt ſchnell, faſt eilig, und daher bisweilen etwas ſtol¬ pernd, nicht ohne einigen Dialekt, der mir ſchwer zu bezeichnen waͤre, aber ein Gemiſch von fraͤnkiſchem und ſaͤchſiſchem ſein mag, natuͤrlich doch ganz in der Gewalt der Schriftſprache feſtgehalten.
Ich mußte ihm zuvoͤrderſt alles erzaͤhlen, was ich von ſeinen Berliner Bekannten irgend wußte oder gar zu beſtellen hatte. Gern dachte er der Zeit, da er in Berlin als Nachbar von Markus Herz in dem Leder'¬ ſchen Hauſe gewohnt, wo ich vor ſieben Jahren im Garten an der Spree ihn zuerſt geſehen, mit Blaͤttern in der Hand, die man mir als zum „Hesperus“ ge¬ hoͤrig insgeheim bezeichnete. Dies Perſoͤnliche, und manches Litterariſche, das ſich damit verflechten mußte, regte ihn außerordentlich an, und er hatte bald mehr zu ſagen, als zu vernehmen. Seine Rede war durch¬
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[65/0077]
durch Briefe aus Berlin und Leipzig ſchon vorbereitet,
und empfing mich ſehr liebreich. Als er ſich neben mir
auf das Sopha niederſetzte, haͤtte ich ihm beinah in's
Geſicht gelacht, denn indem er ſich etwas buͤckte, ſah
er genau ſo aus, wie ihn unſer Neumann in den „Ver¬
ſuchen und Hinderniſſen“ ſcherzhaft beſchrieben hat, und
wie und was er ſprach, verſtaͤrkte den Eindruck in der¬
ſelben Weiſe. Jean Paul iſt wohlbeleibt, hat ein volles,
gutgeordnetes Geſicht, kleine, feuervoll ſpruͤhende und
dann wieder gutmuͤthig matte Augen, einen freundlichen,
auch im Schweigen leiſe bewegten Mund. Seine Sprache
iſt ſchnell, faſt eilig, und daher bisweilen etwas ſtol¬
pernd, nicht ohne einigen Dialekt, der mir ſchwer zu
bezeichnen waͤre, aber ein Gemiſch von fraͤnkiſchem und
ſaͤchſiſchem ſein mag, natuͤrlich doch ganz in der Gewalt
der Schriftſprache feſtgehalten.
Ich mußte ihm zuvoͤrderſt alles erzaͤhlen, was ich
von ſeinen Berliner Bekannten irgend wußte oder gar
zu beſtellen hatte. Gern dachte er der Zeit, da er in
Berlin als Nachbar von Markus Herz in dem Leder'¬
ſchen Hauſe gewohnt, wo ich vor ſieben Jahren im
Garten an der Spree ihn zuerſt geſehen, mit Blaͤttern
in der Hand, die man mir als zum „Hesperus“ ge¬
hoͤrig insgeheim bezeichnete. Dies Perſoͤnliche, und
manches Litterariſche, das ſich damit verflechten mußte,
regte ihn außerordentlich an, und er hatte bald mehr
zu ſagen, als zu vernehmen. Seine Rede war durch¬
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 3. Mannheim, 1838, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten03_1838/77>, abgerufen am 27.11.2024.
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