Baireuth, Sonntag den 23. Oktober 1808. Heute Vormittag ging ich zu Jean Paul. Harscher war ver¬ stimmt, und wollte durchaus nicht mitgehen, ich glaube, es verdroß ihn zu sehr, seine äußeren Ansprüche gegen seine inneren so weit zurückstehen zu finden, und einen Mann, mit dem er sich geistig auf gleicher Linie fühlte, nur als unscheinbarer Student zu begrüßen, dessen innrer Werth zufällig noch zu keiner Namhaftigkeit ausgeprägt worden. Denn von Jean Paul eingenommen und be¬ zaubert ist er mehr noch als ich, und seinen Wunsch, den Mann wie er leibt und lebt zu sehen, hatte er bisher oft und lebhaft ausgesprochen. Ich bin auch nur ein unscheinbarer Student, aber das ist mir eben recht, und so ging ich getrost hin! Eine angenehme, freund¬ lich neugierige Frau, die mir die Thür öffnete, erkannt' ich sogleich als Jean Pauls Gattin an der Aehnlichkeit mit ihrer Schwester. Ein Kind wurde geschickt, den Vater zu rufen. Er kam bald; war auf meinen Besuch
Beſuch beiJeanPaulFriedrichRichter.
Baireuth, Sonntag den 23. Oktober 1808. Heute Vormittag ging ich zu Jean Paul. Harſcher war ver¬ ſtimmt, und wollte durchaus nicht mitgehen, ich glaube, es verdroß ihn zu ſehr, ſeine aͤußeren Anſpruͤche gegen ſeine inneren ſo weit zuruͤckſtehen zu finden, und einen Mann, mit dem er ſich geiſtig auf gleicher Linie fuͤhlte, nur als unſcheinbarer Student zu begruͤßen, deſſen innrer Werth zufaͤllig noch zu keiner Namhaftigkeit ausgepraͤgt worden. Denn von Jean Paul eingenommen und be¬ zaubert iſt er mehr noch als ich, und ſeinen Wunſch, den Mann wie er leibt und lebt zu ſehen, hatte er bisher oft und lebhaft ausgeſprochen. Ich bin auch nur ein unſcheinbarer Student, aber das iſt mir eben recht, und ſo ging ich getroſt hin! Eine angenehme, freund¬ lich neugierige Frau, die mir die Thuͤr oͤffnete, erkannt' ich ſogleich als Jean Pauls Gattin an der Aehnlichkeit mit ihrer Schweſter. Ein Kind wurde geſchickt, den Vater zu rufen. Er kam bald; war auf meinen Beſuch
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[[64]/0076]
Beſuch bei Jean Paul Friedrich Richter.
Baireuth, Sonntag den 23. Oktober 1808. Heute
Vormittag ging ich zu Jean Paul. Harſcher war ver¬
ſtimmt, und wollte durchaus nicht mitgehen, ich glaube,
es verdroß ihn zu ſehr, ſeine aͤußeren Anſpruͤche gegen
ſeine inneren ſo weit zuruͤckſtehen zu finden, und einen
Mann, mit dem er ſich geiſtig auf gleicher Linie fuͤhlte,
nur als unſcheinbarer Student zu begruͤßen, deſſen innrer
Werth zufaͤllig noch zu keiner Namhaftigkeit ausgepraͤgt
worden. Denn von Jean Paul eingenommen und be¬
zaubert iſt er mehr noch als ich, und ſeinen Wunſch,
den Mann wie er leibt und lebt zu ſehen, hatte er
bisher oft und lebhaft ausgeſprochen. Ich bin auch nur
ein unſcheinbarer Student, aber das iſt mir eben recht,
und ſo ging ich getroſt hin! Eine angenehme, freund¬
lich neugierige Frau, die mir die Thuͤr oͤffnete, erkannt'
ich ſogleich als Jean Pauls Gattin an der Aehnlichkeit
mit ihrer Schweſter. Ein Kind wurde geſchickt, den
Vater zu rufen. Er kam bald; war auf meinen Beſuch
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 3. Mannheim, 1838, S. [64]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten03_1838/76>, abgerufen am 26.11.2024.
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