Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 3. Mannheim, 1838.

Bild:
<< vorherige Seite

gleiche entgegenzusetzen vermocht hat. Allein die zer¬
streuten Zurüstungen der Verbündeten ließen sich, be¬
sonders im Anfange, nicht gleich so tröstlich übersehen
und ermessen, und man durchlebte in großer Besorg¬
niß diese Waffenruhe, die man von dem Feinde besser,
als von uns selbst benutzt zu sehen fürchtete, und die,
neben der Aussicht eines zweifelhaften Kriegs, auch
die Möglichkeit eines schlechten Friedens durch fort¬
dauernde Unterhandlungen festgebannt hielt. Ja die
besten Hoffnungen derjenigen, welche der Beharrlichkeit
der Fürsten und dem Eifer der Völker alles zutrauten,
wurden durch das Bängliche und Schwankende, dem
jeder Bündnißkrieg ausgesetzt ist, oft gelähmt und
zweifelhaft.

Die preußischen Rüstungen gaben das Beispiel ein¬
müthiger Stärke und heldenmüthiger Anstrengung, wie
sie seit dem Anfange des französischen Freiheitskrieges
nicht waren gesehen worden; die Zahl der Bewaffne¬
ten wurde zu einer Höhe gebracht, auf der sie nur
durch die weisesten Maßregeln der Regierung und die
allseitige Hingebung des Volks erhalten werden konnte;
die Zweckmäßigkeit der Anordnungen und die Fülle der
Leistungen gaben den preußischen Rüstungen in tiefer
Stille einen so sichern und reichen Erfolg, daß man
bald mit Staunen Größeres geschaffen fand, als man
hatte bereiten sehen. Der Anmarsch russischer Verstär¬
kungen dauerte unaufhörlich fort: darunter fand sich

gleiche entgegenzuſetzen vermocht hat. Allein die zer¬
ſtreuten Zuruͤſtungen der Verbuͤndeten ließen ſich, be¬
ſonders im Anfange, nicht gleich ſo troͤſtlich uͤberſehen
und ermeſſen, und man durchlebte in großer Beſorg¬
niß dieſe Waffenruhe, die man von dem Feinde beſſer,
als von uns ſelbſt benutzt zu ſehen fuͤrchtete, und die,
neben der Ausſicht eines zweifelhaften Kriegs, auch
die Moͤglichkeit eines ſchlechten Friedens durch fort¬
dauernde Unterhandlungen feſtgebannt hielt. Ja die
beſten Hoffnungen derjenigen, welche der Beharrlichkeit
der Fuͤrſten und dem Eifer der Voͤlker alles zutrauten,
wurden durch das Baͤngliche und Schwankende, dem
jeder Buͤndnißkrieg ausgeſetzt iſt, oft gelaͤhmt und
zweifelhaft.

Die preußiſchen Ruͤſtungen gaben das Beiſpiel ein¬
muͤthiger Staͤrke und heldenmuͤthiger Anſtrengung, wie
ſie ſeit dem Anfange des franzoͤſiſchen Freiheitskrieges
nicht waren geſehen worden; die Zahl der Bewaffne¬
ten wurde zu einer Hoͤhe gebracht, auf der ſie nur
durch die weiſeſten Maßregeln der Regierung und die
allſeitige Hingebung des Volks erhalten werden konnte;
die Zweckmaͤßigkeit der Anordnungen und die Fuͤlle der
Leiſtungen gaben den preußiſchen Ruͤſtungen in tiefer
Stille einen ſo ſichern und reichen Erfolg, daß man
bald mit Staunen Groͤßeres geſchaffen fand, als man
hatte bereiten ſehen. Der Anmarſch ruſſiſcher Verſtaͤr¬
kungen dauerte unaufhoͤrlich fort: darunter fand ſich

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0405" n="393"/>
gleiche entgegenzu&#x017F;etzen vermocht hat. Allein die zer¬<lb/>
&#x017F;treuten Zuru&#x0364;&#x017F;tungen der Verbu&#x0364;ndeten ließen &#x017F;ich, be¬<lb/>
&#x017F;onders im Anfange, nicht gleich &#x017F;o tro&#x0364;&#x017F;tlich u&#x0364;ber&#x017F;ehen<lb/>
und erme&#x017F;&#x017F;en, und man durchlebte in großer Be&#x017F;org¬<lb/>
niß die&#x017F;e Waffenruhe, die man von dem Feinde be&#x017F;&#x017F;er,<lb/>
als von uns &#x017F;elb&#x017F;t benutzt zu &#x017F;ehen fu&#x0364;rchtete, und die,<lb/>
neben der Aus&#x017F;icht eines zweifelhaften Kriegs, auch<lb/>
die Mo&#x0364;glichkeit eines &#x017F;chlechten Friedens durch fort¬<lb/>
dauernde Unterhandlungen fe&#x017F;tgebannt hielt. Ja die<lb/>
be&#x017F;ten Hoffnungen derjenigen, welche der Beharrlichkeit<lb/>
der Fu&#x0364;r&#x017F;ten und dem Eifer der Vo&#x0364;lker alles zutrauten,<lb/>
wurden durch das Ba&#x0364;ngliche und Schwankende, dem<lb/>
jeder Bu&#x0364;ndnißkrieg ausge&#x017F;etzt i&#x017F;t, oft gela&#x0364;hmt und<lb/>
zweifelhaft.</p><lb/>
        <p>Die preußi&#x017F;chen Ru&#x0364;&#x017F;tungen gaben das Bei&#x017F;piel ein¬<lb/>
mu&#x0364;thiger Sta&#x0364;rke und heldenmu&#x0364;thiger An&#x017F;trengung, wie<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;eit dem Anfange des franzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;chen Freiheitskrieges<lb/>
nicht waren ge&#x017F;ehen worden; die Zahl der Bewaffne¬<lb/>
ten wurde zu einer Ho&#x0364;he gebracht, auf der &#x017F;ie nur<lb/>
durch die wei&#x017F;e&#x017F;ten Maßregeln der Regierung und die<lb/>
all&#x017F;eitige Hingebung des Volks erhalten werden konnte;<lb/>
die Zweckma&#x0364;ßigkeit der Anordnungen und die Fu&#x0364;lle der<lb/>
Lei&#x017F;tungen gaben den preußi&#x017F;chen Ru&#x0364;&#x017F;tungen in tiefer<lb/>
Stille einen &#x017F;o &#x017F;ichern und reichen Erfolg, daß man<lb/>
bald mit Staunen Gro&#x0364;ßeres ge&#x017F;chaffen fand, als man<lb/>
hatte bereiten &#x017F;ehen. Der Anmar&#x017F;ch ru&#x017F;&#x017F;i&#x017F;cher Ver&#x017F;ta&#x0364;<lb/>
kungen dauerte unaufho&#x0364;rlich fort: darunter fand &#x017F;ich<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[393/0405] gleiche entgegenzuſetzen vermocht hat. Allein die zer¬ ſtreuten Zuruͤſtungen der Verbuͤndeten ließen ſich, be¬ ſonders im Anfange, nicht gleich ſo troͤſtlich uͤberſehen und ermeſſen, und man durchlebte in großer Beſorg¬ niß dieſe Waffenruhe, die man von dem Feinde beſſer, als von uns ſelbſt benutzt zu ſehen fuͤrchtete, und die, neben der Ausſicht eines zweifelhaften Kriegs, auch die Moͤglichkeit eines ſchlechten Friedens durch fort¬ dauernde Unterhandlungen feſtgebannt hielt. Ja die beſten Hoffnungen derjenigen, welche der Beharrlichkeit der Fuͤrſten und dem Eifer der Voͤlker alles zutrauten, wurden durch das Baͤngliche und Schwankende, dem jeder Buͤndnißkrieg ausgeſetzt iſt, oft gelaͤhmt und zweifelhaft. Die preußiſchen Ruͤſtungen gaben das Beiſpiel ein¬ muͤthiger Staͤrke und heldenmuͤthiger Anſtrengung, wie ſie ſeit dem Anfange des franzoͤſiſchen Freiheitskrieges nicht waren geſehen worden; die Zahl der Bewaffne¬ ten wurde zu einer Hoͤhe gebracht, auf der ſie nur durch die weiſeſten Maßregeln der Regierung und die allſeitige Hingebung des Volks erhalten werden konnte; die Zweckmaͤßigkeit der Anordnungen und die Fuͤlle der Leiſtungen gaben den preußiſchen Ruͤſtungen in tiefer Stille einen ſo ſichern und reichen Erfolg, daß man bald mit Staunen Groͤßeres geſchaffen fand, als man hatte bereiten ſehen. Der Anmarſch ruſſiſcher Verſtaͤr¬ kungen dauerte unaufhoͤrlich fort: darunter fand ſich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten03_1838
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten03_1838/405
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 3. Mannheim, 1838, S. 393. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten03_1838/405>, abgerufen am 06.06.2024.