Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 3. Mannheim, 1838.

Bild:
<< vorherige Seite

der einzelnen Stadt verschwinden, und diese im Wider¬
streit fremder Politik erliegen. Die schwedischen Trup¬
pen marschirten am 25. Mai Abends wirklich von
Hamburg ab. Welche Bestürzung unter den Ein¬
wohnern, welche Niedergeschlagenheit unter den Trup¬
pen dadurch entstand, ist kaum zu beschreiben. Es
gehörte der ausdauernde Muth und die beharrliche Ge¬
sinnung Tettenborn's dazu, um nach diesem zweiten
Fehlschlagen, das er in seinen unternehmenden Anstren¬
gungen erfuhr, nicht ganz zu verzweifeln; aber der
Schmerz selbst, von dem sein Inneres bei diesen Vor¬
gängen zerrissen war, wurde ihm zum neuen Anreiz,
seine Thätigkeit zu verdoppeln, seine Kraft zu spannen,
und gegen alle zum Untergang verschworne Gewalten
eines hartnäckigen Geschicks wenigstens eben so hart¬
näckig zu ringen.

Die dringensten Vorstellungen gingen an den Kron¬
prinzen von Schweden, dem die Wichtigkeit dieser Stadt,
ihre jetzige Lage und ihr bevorstehendes Unglück an's
Herz gelegt wurde, um ihn zur Rettung derselben zu
bewegen; für ganz Deutschland konnte Hamburg ge¬
rettet das beste, verloren das abschreckendste Beispiel
werden. Auch die besondre Theilnahme, die der Kron¬
prinz für diese Stadt aus früherer Zeit, da er als
Marschall Bernadotte in den angenehmsten Verhältnis¬
sen mit den Einwohnern gestanden, noch haben mußte,
wurde in Anspruch genommen. Der Senat hatte an

der einzelnen Stadt verſchwinden, und dieſe im Wider¬
ſtreit fremder Politik erliegen. Die ſchwediſchen Trup¬
pen marſchirten am 25. Mai Abends wirklich von
Hamburg ab. Welche Beſtuͤrzung unter den Ein¬
wohnern, welche Niedergeſchlagenheit unter den Trup¬
pen dadurch entſtand, iſt kaum zu beſchreiben. Es
gehoͤrte der ausdauernde Muth und die beharrliche Ge¬
ſinnung Tettenborn's dazu, um nach dieſem zweiten
Fehlſchlagen, das er in ſeinen unternehmenden Anſtren¬
gungen erfuhr, nicht ganz zu verzweifeln; aber der
Schmerz ſelbſt, von dem ſein Inneres bei dieſen Vor¬
gaͤngen zerriſſen war, wurde ihm zum neuen Anreiz,
ſeine Thaͤtigkeit zu verdoppeln, ſeine Kraft zu ſpannen,
und gegen alle zum Untergang verſchworne Gewalten
eines hartnaͤckigen Geſchicks wenigſtens eben ſo hart¬
naͤckig zu ringen.

Die dringenſten Vorſtellungen gingen an den Kron¬
prinzen von Schweden, dem die Wichtigkeit dieſer Stadt,
ihre jetzige Lage und ihr bevorſtehendes Ungluͤck an's
Herz gelegt wurde, um ihn zur Rettung derſelben zu
bewegen; fuͤr ganz Deutſchland konnte Hamburg ge¬
rettet das beſte, verloren das abſchreckendſte Beiſpiel
werden. Auch die beſondre Theilnahme, die der Kron¬
prinz fuͤr dieſe Stadt aus fruͤherer Zeit, da er als
Marſchall Bernadotte in den angenehmſten Verhaͤltniſ¬
ſen mit den Einwohnern geſtanden, noch haben mußte,
wurde in Anſpruch genommen. Der Senat hatte an

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0382" n="370"/>
der einzelnen Stadt ver&#x017F;chwinden, und die&#x017F;e im Wider¬<lb/>
&#x017F;treit fremder Politik erliegen. Die &#x017F;chwedi&#x017F;chen Trup¬<lb/>
pen mar&#x017F;chirten am <hi rendition="#b">25.</hi> Mai Abends wirklich von<lb/>
Hamburg ab. Welche Be&#x017F;tu&#x0364;rzung unter den Ein¬<lb/>
wohnern, welche Niederge&#x017F;chlagenheit unter den Trup¬<lb/>
pen dadurch ent&#x017F;tand, i&#x017F;t kaum zu be&#x017F;chreiben. Es<lb/>
geho&#x0364;rte der ausdauernde Muth und die beharrliche Ge¬<lb/>
&#x017F;innung Tettenborn's dazu, um nach die&#x017F;em zweiten<lb/>
Fehl&#x017F;chlagen, das er in &#x017F;einen unternehmenden An&#x017F;tren¬<lb/>
gungen erfuhr, nicht ganz zu verzweifeln; aber der<lb/>
Schmerz &#x017F;elb&#x017F;t, von dem &#x017F;ein Inneres bei die&#x017F;en Vor¬<lb/>
ga&#x0364;ngen zerri&#x017F;&#x017F;en war, wurde ihm zum neuen Anreiz,<lb/>
&#x017F;eine Tha&#x0364;tigkeit zu verdoppeln, &#x017F;eine Kraft zu &#x017F;pannen,<lb/>
und gegen alle zum Untergang ver&#x017F;chworne Gewalten<lb/>
eines hartna&#x0364;ckigen Ge&#x017F;chicks wenig&#x017F;tens eben &#x017F;o hart¬<lb/>
na&#x0364;ckig zu ringen.</p><lb/>
        <p>Die dringen&#x017F;ten Vor&#x017F;tellungen gingen an den Kron¬<lb/>
prinzen von Schweden, dem die Wichtigkeit die&#x017F;er Stadt,<lb/>
ihre jetzige Lage und ihr bevor&#x017F;tehendes Unglu&#x0364;ck an's<lb/>
Herz gelegt wurde, um ihn zur Rettung der&#x017F;elben zu<lb/>
bewegen; fu&#x0364;r ganz Deut&#x017F;chland konnte Hamburg ge¬<lb/>
rettet das be&#x017F;te, verloren das ab&#x017F;chreckend&#x017F;te Bei&#x017F;piel<lb/>
werden. Auch die be&#x017F;ondre Theilnahme, die der Kron¬<lb/>
prinz fu&#x0364;r die&#x017F;e Stadt aus fru&#x0364;herer Zeit, da er als<lb/>
Mar&#x017F;chall Bernadotte in den angenehm&#x017F;ten Verha&#x0364;ltni&#x017F;¬<lb/>
&#x017F;en mit den Einwohnern ge&#x017F;tanden, noch haben mußte,<lb/>
wurde in An&#x017F;pruch genommen. Der Senat hatte an<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[370/0382] der einzelnen Stadt verſchwinden, und dieſe im Wider¬ ſtreit fremder Politik erliegen. Die ſchwediſchen Trup¬ pen marſchirten am 25. Mai Abends wirklich von Hamburg ab. Welche Beſtuͤrzung unter den Ein¬ wohnern, welche Niedergeſchlagenheit unter den Trup¬ pen dadurch entſtand, iſt kaum zu beſchreiben. Es gehoͤrte der ausdauernde Muth und die beharrliche Ge¬ ſinnung Tettenborn's dazu, um nach dieſem zweiten Fehlſchlagen, das er in ſeinen unternehmenden Anſtren¬ gungen erfuhr, nicht ganz zu verzweifeln; aber der Schmerz ſelbſt, von dem ſein Inneres bei dieſen Vor¬ gaͤngen zerriſſen war, wurde ihm zum neuen Anreiz, ſeine Thaͤtigkeit zu verdoppeln, ſeine Kraft zu ſpannen, und gegen alle zum Untergang verſchworne Gewalten eines hartnaͤckigen Geſchicks wenigſtens eben ſo hart¬ naͤckig zu ringen. Die dringenſten Vorſtellungen gingen an den Kron¬ prinzen von Schweden, dem die Wichtigkeit dieſer Stadt, ihre jetzige Lage und ihr bevorſtehendes Ungluͤck an's Herz gelegt wurde, um ihn zur Rettung derſelben zu bewegen; fuͤr ganz Deutſchland konnte Hamburg ge¬ rettet das beſte, verloren das abſchreckendſte Beiſpiel werden. Auch die beſondre Theilnahme, die der Kron¬ prinz fuͤr dieſe Stadt aus fruͤherer Zeit, da er als Marſchall Bernadotte in den angenehmſten Verhaͤltniſ¬ ſen mit den Einwohnern geſtanden, noch haben mußte, wurde in Anſpruch genommen. Der Senat hatte an

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten03_1838
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten03_1838/382
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 3. Mannheim, 1838, S. 370. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten03_1838/382>, abgerufen am 22.11.2024.