und rückten gegen das Steinthor. Die Trommeln gingen in allen Straßen, die Sturmglocken wurden geläutet, Reiter sprengten hin und her, alles eilte zu den Waffen, Schaaren von Flüchtlingen, mit Weibern, Kindern und Gepäck zogen zu den Thoren hinaus, und schlugen größtentheils den Weg nach Altona ein, wo man sich einstweilen am sichersten glaubte. Die Bürgergarden eilten auf auf ihre Waffenplätze, und fanden sich jetzt zum Ernste zahlreicher ein, als jemals zuvor zu den Uebungen. Es war ein herzerhebender Anblick, diese wackern Bürger mit Muth im Blick, das Gewehr oder die Pike in der Hand, aus ihren Häusern hervorstürzen, durch die Straßen eilen, und bei ihren Bataillons eintreten zu sehn. Das friedliche, gewerbfleißige, üppige Hamburg schien statt des Goldes jetzt nur Eisen zu haben! Wie alles bereit stand, und gegen den Feind zu marschiren dachte, ergab sich, daß der Lärm bloß durch einen unbedeutenden Scharmützel, bei dem einige Schüsse gefallen, veranlaßt worden, und kein Franzose mehr diesseits der Elbe sei. Tetten¬ born war unterdessen nach dem sogenannten Letzten Heller hinausgeritten, wo der bedrohte Punkt zu sein schien, und hatte persönlich alle Maßregeln angeordnet, um der etwanigen Gefahr zu begegnen. Ein Bataillon Bürgergarden wurde nach dem Grasbrook, ein anderes bis zur blauen Brücke beordert, wo sie gleich alten Truppen unter freiem Himmel biwakirten. Jedoch
und ruͤckten gegen das Steinthor. Die Trommeln gingen in allen Straßen, die Sturmglocken wurden gelaͤutet, Reiter ſprengten hin und her, alles eilte zu den Waffen, Schaaren von Fluͤchtlingen, mit Weibern, Kindern und Gepaͤck zogen zu den Thoren hinaus, und ſchlugen groͤßtentheils den Weg nach Altona ein, wo man ſich einſtweilen am ſicherſten glaubte. Die Buͤrgergarden eilten auf auf ihre Waffenplaͤtze, und fanden ſich jetzt zum Ernſte zahlreicher ein, als jemals zuvor zu den Uebungen. Es war ein herzerhebender Anblick, dieſe wackern Buͤrger mit Muth im Blick, das Gewehr oder die Pike in der Hand, aus ihren Haͤuſern hervorſtuͤrzen, durch die Straßen eilen, und bei ihren Bataillons eintreten zu ſehn. Das friedliche, gewerbfleißige, uͤppige Hamburg ſchien ſtatt des Goldes jetzt nur Eiſen zu haben! Wie alles bereit ſtand, und gegen den Feind zu marſchiren dachte, ergab ſich, daß der Laͤrm bloß durch einen unbedeutenden Scharmuͤtzel, bei dem einige Schuͤſſe gefallen, veranlaßt worden, und kein Franzoſe mehr dieſſeits der Elbe ſei. Tetten¬ born war unterdeſſen nach dem ſogenannten Letzten Heller hinausgeritten, wo der bedrohte Punkt zu ſein ſchien, und hatte perſoͤnlich alle Maßregeln angeordnet, um der etwanigen Gefahr zu begegnen. Ein Bataillon Buͤrgergarden wurde nach dem Grasbrook, ein anderes bis zur blauen Bruͤcke beordert, wo ſie gleich alten Truppen unter freiem Himmel biwakirten. Jedoch
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und ruͤckten gegen das Steinthor. Die Trommeln
gingen in allen Straßen, die Sturmglocken wurden
gelaͤutet, Reiter ſprengten hin und her, alles eilte zu
den Waffen, Schaaren von Fluͤchtlingen, mit Weibern,
Kindern und Gepaͤck zogen zu den Thoren hinaus,
und ſchlugen groͤßtentheils den Weg nach Altona ein,
wo man ſich einſtweilen am ſicherſten glaubte. Die
Buͤrgergarden eilten auf auf ihre Waffenplaͤtze, und
fanden ſich jetzt zum Ernſte zahlreicher ein, als jemals
zuvor zu den Uebungen. Es war ein herzerhebender
Anblick, dieſe wackern Buͤrger mit Muth im Blick,
das Gewehr oder die Pike in der Hand, aus ihren
Haͤuſern hervorſtuͤrzen, durch die Straßen eilen, und
bei ihren Bataillons eintreten zu ſehn. Das friedliche,
gewerbfleißige, uͤppige Hamburg ſchien ſtatt des Goldes
jetzt nur Eiſen zu haben! Wie alles bereit ſtand, und
gegen den Feind zu marſchiren dachte, ergab ſich, daß
der Laͤrm bloß durch einen unbedeutenden Scharmuͤtzel,
bei dem einige Schuͤſſe gefallen, veranlaßt worden,
und kein Franzoſe mehr dieſſeits der Elbe ſei. Tetten¬
born war unterdeſſen nach dem ſogenannten Letzten
Heller hinausgeritten, wo der bedrohte Punkt zu ſein
ſchien, und hatte perſoͤnlich alle Maßregeln angeordnet,
um der etwanigen Gefahr zu begegnen. Ein Bataillon
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Truppen unter freiem Himmel biwakirten. Jedoch
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 3. Mannheim, 1838, S. 343. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten03_1838/355>, abgerufen am 22.11.2024.
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