Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 3. Mannheim, 1838.

Bild:
<< vorherige Seite

ein Abend bei'm Italiäner festgesetzt, Schleiermacher,
Reimer, Bernhardi, Adolph Müller, auch Marwitz und
Schütz, wenn ich nicht irre, und noch einige Andere
kamen bei Thiermann zusammen, ich gab einige Worte
zur Einleitung, und las dann im Simplicissimus von
Anfang ein tüchtiges Stück, und darauf aus der Mitte
sprungweise die würdigsten Kapitel, mit einer Wirkung
und einem Beifall, die ich mir nicht vorgestellt hatte,
oft mußt' ich inne halten, um den Jubel und das Ge¬
lächter verbrausen zu lassen, man that sich in Floren¬
tinischen Weinen gütlich, aber noch mehr in Erschütte¬
rung des Zwerchfells, und besonders an Schleiermacher
konnte man recht anschaulich wahrnehmen, was der
deutsche Ausdruck: "Eine Lache aufschlagen" eigentlich
bedeuten wolle. Mit gleicher Fröhlichkeit wurde auch
dem Doppelroman ein solcher Abend gewidmet, und
wenn manche Hörer, unter welchen nothwendig auch
Schleiermacher sein mußte, zu mehrern persönlichen An¬
spielungen eben nicht einstimmen wollten, so wurden
sie doch unwiderstehlich in den ironischen Humor fort¬
gerissen, welchen das Ganze gebot, und der vollste,
lauteste Jubel wurde selbst den Stücken, die man mi߬
billigte, zu Theil.

Ich hatte während des Sommers eine rasche Reise
nach Hamburg machen wollen; aber es waren dort
einige Umstände grade zu dieser Zeit nicht günstig, und
der Besuch wurde auf den Herbst hinaus verlegt, da¬

ein Abend bei'm Italiaͤner feſtgeſetzt, Schleiermacher,
Reimer, Bernhardi, Adolph Muͤller, auch Marwitz und
Schuͤtz, wenn ich nicht irre, und noch einige Andere
kamen bei Thiermann zuſammen, ich gab einige Worte
zur Einleitung, und las dann im Simpliciſſimus von
Anfang ein tuͤchtiges Stuͤck, und darauf aus der Mitte
ſprungweiſe die wuͤrdigſten Kapitel, mit einer Wirkung
und einem Beifall, die ich mir nicht vorgeſtellt hatte,
oft mußt' ich inne halten, um den Jubel und das Ge¬
laͤchter verbrauſen zu laſſen, man that ſich in Floren¬
tiniſchen Weinen guͤtlich, aber noch mehr in Erſchuͤtte¬
rung des Zwerchfells, und beſonders an Schleiermacher
konnte man recht anſchaulich wahrnehmen, was der
deutſche Ausdruck: „Eine Lache aufſchlagen“ eigentlich
bedeuten wolle. Mit gleicher Froͤhlichkeit wurde auch
dem Doppelroman ein ſolcher Abend gewidmet, und
wenn manche Hoͤrer, unter welchen nothwendig auch
Schleiermacher ſein mußte, zu mehrern perſoͤnlichen An¬
ſpielungen eben nicht einſtimmen wollten, ſo wurden
ſie doch unwiderſtehlich in den ironiſchen Humor fort¬
geriſſen, welchen das Ganze gebot, und der vollſte,
lauteſte Jubel wurde ſelbſt den Stuͤcken, die man mi߬
billigte, zu Theil.

Ich hatte waͤhrend des Sommers eine raſche Reiſe
nach Hamburg machen wollen; aber es waren dort
einige Umſtaͤnde grade zu dieſer Zeit nicht guͤnſtig, und
der Beſuch wurde auf den Herbſt hinaus verlegt, da¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0034" n="22"/>
ein Abend bei'm Italia&#x0364;ner fe&#x017F;tge&#x017F;etzt, Schleiermacher,<lb/>
Reimer, Bernhardi, Adolph Mu&#x0364;ller, auch Marwitz und<lb/>
Schu&#x0364;tz, wenn ich nicht irre, und noch einige Andere<lb/>
kamen bei Thiermann zu&#x017F;ammen, ich gab einige Worte<lb/>
zur Einleitung, und las dann im Simplici&#x017F;&#x017F;imus von<lb/>
Anfang ein tu&#x0364;chtiges Stu&#x0364;ck, und darauf aus der Mitte<lb/>
&#x017F;prungwei&#x017F;e die wu&#x0364;rdig&#x017F;ten Kapitel, mit einer Wirkung<lb/>
und einem Beifall, die ich mir nicht vorge&#x017F;tellt hatte,<lb/>
oft mußt' ich inne halten, um den Jubel und das Ge¬<lb/>
la&#x0364;chter verbrau&#x017F;en zu la&#x017F;&#x017F;en, man that &#x017F;ich in Floren¬<lb/>
tini&#x017F;chen Weinen gu&#x0364;tlich, aber noch mehr in Er&#x017F;chu&#x0364;tte¬<lb/>
rung des Zwerchfells, und be&#x017F;onders an Schleiermacher<lb/>
konnte man recht an&#x017F;chaulich wahrnehmen, was der<lb/>
deut&#x017F;che Ausdruck: &#x201E;Eine Lache auf&#x017F;chlagen&#x201C; eigentlich<lb/>
bedeuten wolle. Mit gleicher Fro&#x0364;hlichkeit wurde auch<lb/>
dem Doppelroman ein &#x017F;olcher Abend gewidmet, und<lb/>
wenn manche Ho&#x0364;rer, unter welchen nothwendig auch<lb/>
Schleiermacher &#x017F;ein mußte, zu mehrern per&#x017F;o&#x0364;nlichen An¬<lb/>
&#x017F;pielungen eben nicht ein&#x017F;timmen wollten, &#x017F;o wurden<lb/>
&#x017F;ie doch unwider&#x017F;tehlich in den ironi&#x017F;chen Humor fort¬<lb/>
geri&#x017F;&#x017F;en, welchen das Ganze gebot, und der voll&#x017F;te,<lb/>
laute&#x017F;te Jubel wurde &#x017F;elb&#x017F;t den Stu&#x0364;cken, die man mi߬<lb/>
billigte, zu Theil.</p><lb/>
          <p>Ich hatte wa&#x0364;hrend des Sommers eine ra&#x017F;che Rei&#x017F;e<lb/>
nach Hamburg machen wollen; aber es waren dort<lb/>
einige Um&#x017F;ta&#x0364;nde grade zu die&#x017F;er Zeit nicht gu&#x0364;n&#x017F;tig, und<lb/>
der Be&#x017F;uch wurde auf den Herb&#x017F;t hinaus verlegt, da¬<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[22/0034] ein Abend bei'm Italiaͤner feſtgeſetzt, Schleiermacher, Reimer, Bernhardi, Adolph Muͤller, auch Marwitz und Schuͤtz, wenn ich nicht irre, und noch einige Andere kamen bei Thiermann zuſammen, ich gab einige Worte zur Einleitung, und las dann im Simpliciſſimus von Anfang ein tuͤchtiges Stuͤck, und darauf aus der Mitte ſprungweiſe die wuͤrdigſten Kapitel, mit einer Wirkung und einem Beifall, die ich mir nicht vorgeſtellt hatte, oft mußt' ich inne halten, um den Jubel und das Ge¬ laͤchter verbrauſen zu laſſen, man that ſich in Floren¬ tiniſchen Weinen guͤtlich, aber noch mehr in Erſchuͤtte¬ rung des Zwerchfells, und beſonders an Schleiermacher konnte man recht anſchaulich wahrnehmen, was der deutſche Ausdruck: „Eine Lache aufſchlagen“ eigentlich bedeuten wolle. Mit gleicher Froͤhlichkeit wurde auch dem Doppelroman ein ſolcher Abend gewidmet, und wenn manche Hoͤrer, unter welchen nothwendig auch Schleiermacher ſein mußte, zu mehrern perſoͤnlichen An¬ ſpielungen eben nicht einſtimmen wollten, ſo wurden ſie doch unwiderſtehlich in den ironiſchen Humor fort¬ geriſſen, welchen das Ganze gebot, und der vollſte, lauteſte Jubel wurde ſelbſt den Stuͤcken, die man mi߬ billigte, zu Theil. Ich hatte waͤhrend des Sommers eine raſche Reiſe nach Hamburg machen wollen; aber es waren dort einige Umſtaͤnde grade zu dieſer Zeit nicht guͤnſtig, und der Beſuch wurde auf den Herbſt hinaus verlegt, da¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten03_1838
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten03_1838/34
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 3. Mannheim, 1838, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten03_1838/34>, abgerufen am 24.11.2024.