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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 3. Mannheim, 1838.

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auch an Tettenborn, wie an so viele Andere, die ihm
nicht gefielen, unangenehme und verwirrende Fragen
zu richten, die ihm aber auch öfters unangenehm er¬
wiedert wurden, und dies im Augenblicke meist unge¬
straft, weil Napoleon wohl schreckende Worte, aber nicht
den Witz zurückspielende führte. Als er den Befehl
gegeben hatte, daß an seinem Hofe auch die Militär¬
personen, welche bisher in ihrer dienstmäßigen Uniform
erschienen waren, nur in französischer Hofkleidung er¬
scheinen durften, und dies auch die fremden Gesandt¬
schaften traf, wollte Tettenborn, der von dem Regi¬
mente Klenau zu den Husaren von Radetzky versetzt
worden war, mit der Uniform doch nicht zugleich den
unersetzbaren Schnurrbart aufopfern, und erschien mit
diesem in der neu vorgeschriebenen Hofkleidung; Na¬
poleon ärgerte sich drüber, und redete ihn höhnisch
mit den Worten an: "Ein Schnurrbart ist doch recht
lächerlich bei diesem Rock!" worauf Tettenborn rasch
und trotzig versetzte: "Vielmehr dieser Rock bei einem
Schnurrbart!" Eine Antwort, die doch nicht jedem und
nicht jedesmal so folgenlos hingegangen sein möchte! --

Tettenborn reiste einigemal bei wichtigen Anlässen
von Paris nach Wien. Niemals aber wurde diese Reise
schneller ausgeführt, als da er die Nachricht von der
Niederkunft der Kaiserin Marie Louise zu überbringen
hatte, und die hundert und zwanzig Stunden von Paris
nach Straßburg reitend zurücklegte, und dann zu Wa¬

auch an Tettenborn, wie an ſo viele Andere, die ihm
nicht gefielen, unangenehme und verwirrende Fragen
zu richten, die ihm aber auch oͤfters unangenehm er¬
wiedert wurden, und dies im Augenblicke meiſt unge¬
ſtraft, weil Napoleon wohl ſchreckende Worte, aber nicht
den Witz zuruͤckſpielende fuͤhrte. Als er den Befehl
gegeben hatte, daß an ſeinem Hofe auch die Militaͤr¬
perſonen, welche bisher in ihrer dienſtmaͤßigen Uniform
erſchienen waren, nur in franzoͤſiſcher Hofkleidung er¬
ſcheinen durften, und dies auch die fremden Geſandt¬
ſchaften traf, wollte Tettenborn, der von dem Regi¬
mente Klenau zu den Huſaren von Radetzky verſetzt
worden war, mit der Uniform doch nicht zugleich den
unerſetzbaren Schnurrbart aufopfern, und erſchien mit
dieſem in der neu vorgeſchriebenen Hofkleidung; Na¬
poleon aͤrgerte ſich druͤber, und redete ihn hoͤhniſch
mit den Worten an: „Ein Schnurrbart iſt doch recht
laͤcherlich bei dieſem Rock!“ worauf Tettenborn raſch
und trotzig verſetzte: „Vielmehr dieſer Rock bei einem
Schnurrbart!“ Eine Antwort, die doch nicht jedem und
nicht jedesmal ſo folgenlos hingegangen ſein moͤchte! —

Tettenborn reiſte einigemal bei wichtigen Anlaͤſſen
von Paris nach Wien. Niemals aber wurde dieſe Reiſe
ſchneller ausgefuͤhrt, als da er die Nachricht von der
Niederkunft der Kaiſerin Marie Louiſe zu uͤberbringen
hatte, und die hundert und zwanzig Stunden von Paris
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[233/0245] auch an Tettenborn, wie an ſo viele Andere, die ihm nicht gefielen, unangenehme und verwirrende Fragen zu richten, die ihm aber auch oͤfters unangenehm er¬ wiedert wurden, und dies im Augenblicke meiſt unge¬ ſtraft, weil Napoleon wohl ſchreckende Worte, aber nicht den Witz zuruͤckſpielende fuͤhrte. Als er den Befehl gegeben hatte, daß an ſeinem Hofe auch die Militaͤr¬ perſonen, welche bisher in ihrer dienſtmaͤßigen Uniform erſchienen waren, nur in franzoͤſiſcher Hofkleidung er¬ ſcheinen durften, und dies auch die fremden Geſandt¬ ſchaften traf, wollte Tettenborn, der von dem Regi¬ mente Klenau zu den Huſaren von Radetzky verſetzt worden war, mit der Uniform doch nicht zugleich den unerſetzbaren Schnurrbart aufopfern, und erſchien mit dieſem in der neu vorgeſchriebenen Hofkleidung; Na¬ poleon aͤrgerte ſich druͤber, und redete ihn hoͤhniſch mit den Worten an: „Ein Schnurrbart iſt doch recht laͤcherlich bei dieſem Rock!“ worauf Tettenborn raſch und trotzig verſetzte: „Vielmehr dieſer Rock bei einem Schnurrbart!“ Eine Antwort, die doch nicht jedem und nicht jedesmal ſo folgenlos hingegangen ſein moͤchte! — Tettenborn reiſte einigemal bei wichtigen Anlaͤſſen von Paris nach Wien. Niemals aber wurde dieſe Reiſe ſchneller ausgefuͤhrt, als da er die Nachricht von der Niederkunft der Kaiſerin Marie Louiſe zu uͤberbringen hatte, und die hundert und zwanzig Stunden von Paris nach Straßburg reitend zuruͤcklegte, und dann zu Wa¬

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Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 3. Mannheim, 1838, S. 233. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten03_1838/245>, abgerufen am 24.11.2024.