im südlichen Tyrol. Günstig war dem Jugendleben auch das Amt und Streben des Vaters, dem das ba¬ dische Land die größten Anlagen und Pflanzungen dankt, wo denn die Gelegenheit und Aufforderung sich unun¬ terbrochen darbot, in freier Natur zu verweilen und umherzustreifen.
In seinem dreizehnten Jahre, als er groß und wohl¬ gebildet herangewachsen war, wurde der Knabe an den Kurfürstlichen Hof nach Mainz geschickt, und daselbst unter die Pagen des Kurfürsten aufgenommen. Noch lebt in mancher Erinnerung die Pracht, Festlichkeit und gesellschaftliche Bewegung, welche damals den Main¬ zer Hof auszeichneten und die Stadt erfüllten; in heitrer Sorglosigkeit lebte man den täglich wechselnden Ver¬ gnügungen, ungestört von dem Geiste der Prüfung und des Widerspruchs, der gegen die alten Zustände schon allgemein erweckt war, hier aber höchstens als ein neuer Reiz der Unterhaltung eingelassen wurde. Auch die drohende Nachbarschaft der weiter und weiter schreitenden französischen Revolution, und der schon aus¬ gebrochene Krieg machten auf die leichtsinnige Ueppig¬ keit wenig Eindruck, als plötzlich um so furchtbarer im Herbste 1792 die unerwartete Annäherung der Fran¬ zosen alles aus dem Taumel aufschreckte. Bei dem Erscheinen des Generals Custine flüchtete der Kurfürst mit seiner Geliebten und seinen Günstlingen eilig nach Aschaffenburg, der übrige Hof stob auseinander, und
im ſuͤdlichen Tyrol. Guͤnſtig war dem Jugendleben auch das Amt und Streben des Vaters, dem das ba¬ diſche Land die groͤßten Anlagen und Pflanzungen dankt, wo denn die Gelegenheit und Aufforderung ſich unun¬ terbrochen darbot, in freier Natur zu verweilen und umherzuſtreifen.
In ſeinem dreizehnten Jahre, als er groß und wohl¬ gebildet herangewachſen war, wurde der Knabe an den Kurfuͤrſtlichen Hof nach Mainz geſchickt, und daſelbſt unter die Pagen des Kurfuͤrſten aufgenommen. Noch lebt in mancher Erinnerung die Pracht, Feſtlichkeit und geſellſchaftliche Bewegung, welche damals den Main¬ zer Hof auszeichneten und die Stadt erfuͤllten; in heitrer Sorgloſigkeit lebte man den taͤglich wechſelnden Ver¬ gnuͤgungen, ungeſtoͤrt von dem Geiſte der Pruͤfung und des Widerſpruchs, der gegen die alten Zuſtaͤnde ſchon allgemein erweckt war, hier aber hoͤchſtens als ein neuer Reiz der Unterhaltung eingelaſſen wurde. Auch die drohende Nachbarſchaft der weiter und weiter ſchreitenden franzoͤſiſchen Revolution, und der ſchon aus¬ gebrochene Krieg machten auf die leichtſinnige Ueppig¬ keit wenig Eindruck, als ploͤtzlich um ſo furchtbarer im Herbſte 1792 die unerwartete Annaͤherung der Fran¬ zoſen alles aus dem Taumel aufſchreckte. Bei dem Erſcheinen des Generals Cuſtine fluͤchtete der Kurfuͤrſt mit ſeiner Geliebten und ſeinen Guͤnſtlingen eilig nach Aſchaffenburg, der uͤbrige Hof ſtob auseinander, und
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0227"n="215"/>
im ſuͤdlichen Tyrol. Guͤnſtig war dem Jugendleben<lb/>
auch das Amt und Streben des Vaters, dem das ba¬<lb/>
diſche Land die groͤßten Anlagen und Pflanzungen dankt,<lb/>
wo denn die Gelegenheit und Aufforderung ſich unun¬<lb/>
terbrochen darbot, in freier Natur zu verweilen und<lb/>
umherzuſtreifen.</p><lb/><p>In ſeinem dreizehnten Jahre, als er groß und wohl¬<lb/>
gebildet herangewachſen war, wurde der Knabe an den<lb/>
Kurfuͤrſtlichen Hof nach Mainz geſchickt, und daſelbſt<lb/>
unter die Pagen des Kurfuͤrſten aufgenommen. Noch<lb/>
lebt in mancher Erinnerung die Pracht, Feſtlichkeit und<lb/>
geſellſchaftliche Bewegung, welche damals den Main¬<lb/>
zer Hof auszeichneten und die Stadt erfuͤllten; in heitrer<lb/>
Sorgloſigkeit lebte man den taͤglich wechſelnden Ver¬<lb/>
gnuͤgungen, ungeſtoͤrt von dem Geiſte der Pruͤfung<lb/>
und des Widerſpruchs, der gegen die alten Zuſtaͤnde<lb/>ſchon allgemein erweckt war, hier aber hoͤchſtens als<lb/>
ein neuer Reiz der Unterhaltung eingelaſſen wurde.<lb/>
Auch die drohende Nachbarſchaft der weiter und weiter<lb/>ſchreitenden franzoͤſiſchen Revolution, und der ſchon aus¬<lb/>
gebrochene Krieg machten auf die leichtſinnige Ueppig¬<lb/>
keit wenig Eindruck, als ploͤtzlich um ſo furchtbarer im<lb/>
Herbſte <hirendition="#b">1792</hi> die unerwartete Annaͤherung der Fran¬<lb/>
zoſen alles aus dem Taumel aufſchreckte. Bei dem<lb/>
Erſcheinen des Generals Cuſtine fluͤchtete der Kurfuͤrſt<lb/>
mit ſeiner Geliebten und ſeinen Guͤnſtlingen eilig nach<lb/>
Aſchaffenburg, der uͤbrige Hof ſtob auseinander, und<lb/></p></div></body></text></TEI>
[215/0227]
im ſuͤdlichen Tyrol. Guͤnſtig war dem Jugendleben
auch das Amt und Streben des Vaters, dem das ba¬
diſche Land die groͤßten Anlagen und Pflanzungen dankt,
wo denn die Gelegenheit und Aufforderung ſich unun¬
terbrochen darbot, in freier Natur zu verweilen und
umherzuſtreifen.
In ſeinem dreizehnten Jahre, als er groß und wohl¬
gebildet herangewachſen war, wurde der Knabe an den
Kurfuͤrſtlichen Hof nach Mainz geſchickt, und daſelbſt
unter die Pagen des Kurfuͤrſten aufgenommen. Noch
lebt in mancher Erinnerung die Pracht, Feſtlichkeit und
geſellſchaftliche Bewegung, welche damals den Main¬
zer Hof auszeichneten und die Stadt erfuͤllten; in heitrer
Sorgloſigkeit lebte man den taͤglich wechſelnden Ver¬
gnuͤgungen, ungeſtoͤrt von dem Geiſte der Pruͤfung
und des Widerſpruchs, der gegen die alten Zuſtaͤnde
ſchon allgemein erweckt war, hier aber hoͤchſtens als
ein neuer Reiz der Unterhaltung eingelaſſen wurde.
Auch die drohende Nachbarſchaft der weiter und weiter
ſchreitenden franzoͤſiſchen Revolution, und der ſchon aus¬
gebrochene Krieg machten auf die leichtſinnige Ueppig¬
keit wenig Eindruck, als ploͤtzlich um ſo furchtbarer im
Herbſte 1792 die unerwartete Annaͤherung der Fran¬
zoſen alles aus dem Taumel aufſchreckte. Bei dem
Erſcheinen des Generals Cuſtine fluͤchtete der Kurfuͤrſt
mit ſeiner Geliebten und ſeinen Guͤnſtlingen eilig nach
Aſchaffenburg, der uͤbrige Hof ſtob auseinander, und
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 3. Mannheim, 1838, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten03_1838/227>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.