glaubte seinen Beobachtern überlegen zu sein, und ih¬ nen, wie er sich ausdrückte, eine Nase gedreht zu ha¬ ben. Eine Unterredung mit dem Grafen von Metter¬ nich, mehrere vertrauliche Besprechungen mit dem Ge¬ neral Freiherrn von Koller, anstatt ihn zur Besonnen¬ heit zurückzurufen, regten nur seinen Uebermuth an. Die österreichische Regierung sah den Zeitpunkt kom¬ men, wo sie ihn nicht mehr würde schützen können; die französischen Behörden in Berlin, in Hamburg, hatten gegen ihn die schärfsten Angaben in Händen, jeden Au¬ genblick mußte man erwarten, seine Auslieferung be¬ gehrt zu sehen, und mit so triftigen Gründen und ge¬ bieterischem Drange, daß man nicht würde widerstehen können. Um ihn zu retten und größeres Unglück zu verhüten, kam man den Franzosen zuvor, Gruner wurde unerwartet von österreichischer Seite verhaftet und als Staatsgefangener nach Peterwardein abgeführt; seine Papiere und Gelder entgingen auf diese Weise den Franzosen ebenfalls. Er selber hat in der Folge dies Begegniß als eine Wohlthat anerkennen müssen, behielt aber doch eine bittre Erinnerung dabei, welche der erste Eindruck in ihm hinterlassen hatte.
Uns Andern, die wir gleich ihm des Schlüssels noch entbehrten, verursachte dies Verfahren große Betroffen¬ heit und Sorge. Wir hielten unsre Absichten mehr verschwiegen, und suchten jeder seinen Weg für sich allein. Der Graf von Metternich kannte meine Wün¬
glaubte ſeinen Beobachtern uͤberlegen zu ſein, und ih¬ nen, wie er ſich ausdruͤckte, eine Naſe gedreht zu ha¬ ben. Eine Unterredung mit dem Grafen von Metter¬ nich, mehrere vertrauliche Beſprechungen mit dem Ge¬ neral Freiherrn von Koller, anſtatt ihn zur Beſonnen¬ heit zuruͤckzurufen, regten nur ſeinen Uebermuth an. Die oͤſterreichiſche Regierung ſah den Zeitpunkt kom¬ men, wo ſie ihn nicht mehr wuͤrde ſchuͤtzen koͤnnen; die franzoͤſiſchen Behoͤrden in Berlin, in Hamburg, hatten gegen ihn die ſchaͤrfſten Angaben in Haͤnden, jeden Au¬ genblick mußte man erwarten, ſeine Auslieferung be¬ gehrt zu ſehen, und mit ſo triftigen Gruͤnden und ge¬ bieteriſchem Drange, daß man nicht wuͤrde widerſtehen koͤnnen. Um ihn zu retten und groͤßeres Ungluͤck zu verhuͤten, kam man den Franzoſen zuvor, Gruner wurde unerwartet von oͤſterreichiſcher Seite verhaftet und als Staatsgefangener nach Peterwardein abgefuͤhrt; ſeine Papiere und Gelder entgingen auf dieſe Weiſe den Franzoſen ebenfalls. Er ſelber hat in der Folge dies Begegniß als eine Wohlthat anerkennen muͤſſen, behielt aber doch eine bittre Erinnerung dabei, welche der erſte Eindruck in ihm hinterlaſſen hatte.
Uns Andern, die wir gleich ihm des Schluͤſſels noch entbehrten, verurſachte dies Verfahren große Betroffen¬ heit und Sorge. Wir hielten unſre Abſichten mehr verſchwiegen, und ſuchten jeder ſeinen Weg fuͤr ſich allein. Der Graf von Metternich kannte meine Wuͤn¬
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glaubte ſeinen Beobachtern uͤberlegen zu ſein, und ih¬
nen, wie er ſich ausdruͤckte, eine Naſe gedreht zu ha¬
ben. Eine Unterredung mit dem Grafen von Metter¬
nich, mehrere vertrauliche Beſprechungen mit dem Ge¬
neral Freiherrn von Koller, anſtatt ihn zur Beſonnen¬
heit zuruͤckzurufen, regten nur ſeinen Uebermuth an.
Die oͤſterreichiſche Regierung ſah den Zeitpunkt kom¬
men, wo ſie ihn nicht mehr wuͤrde ſchuͤtzen koͤnnen; die
franzoͤſiſchen Behoͤrden in Berlin, in Hamburg, hatten
gegen ihn die ſchaͤrfſten Angaben in Haͤnden, jeden Au¬
genblick mußte man erwarten, ſeine Auslieferung be¬
gehrt zu ſehen, und mit ſo triftigen Gruͤnden und ge¬
bieteriſchem Drange, daß man nicht wuͤrde widerſtehen
koͤnnen. Um ihn zu retten und groͤßeres Ungluͤck zu
verhuͤten, kam man den Franzoſen zuvor, Gruner wurde
unerwartet von oͤſterreichiſcher Seite verhaftet und als
Staatsgefangener nach Peterwardein abgefuͤhrt; ſeine
Papiere und Gelder entgingen auf dieſe Weiſe den
Franzoſen ebenfalls. Er ſelber hat in der Folge dies
Begegniß als eine Wohlthat anerkennen muͤſſen, behielt
aber doch eine bittre Erinnerung dabei, welche der erſte
Eindruck in ihm hinterlaſſen hatte.
Uns Andern, die wir gleich ihm des Schluͤſſels noch
entbehrten, verurſachte dies Verfahren große Betroffen¬
heit und Sorge. Wir hielten unſre Abſichten mehr
verſchwiegen, und ſuchten jeder ſeinen Weg fuͤr ſich
allein. Der Graf von Metternich kannte meine Wuͤn¬
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 3. Mannheim, 1838, S. 205. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten03_1838/217>, abgerufen am 22.11.2024.
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