Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 3. Mannheim, 1838.

Bild:
<< vorherige Seite

Eifer, mit entschiedener Hoffnung künftigen Erfolgs,
sowohl für die allgemeine Sache, als für mich insbe¬
sondere. Hier ein näheres Verhältniß anzuknüpfen
schien in meinen Lebenszwecken ganz eigentlich begrün¬
det, früher oder später mußten wir doch in gleichen
Richtungen zusammentreffen, und ich konnte mir nicht
verhehlen, daß mir dabei nur Ehre und Vortheil er¬
wachsen würde. Aber ich hatte noch ein anderes An¬
liegen. Für meine künftige Laufbahn mußte ich Stu¬
dien unternehmen, die ich früher hatte vernachläßigen
dürfen, und für welche mir jetzt in Prag sowohl An¬
leitung als Bücher fehlten. Mit völligem Vertrauen
hatte ich dem kenntnißreichen Staatsmanne meine Un¬
wissenheit aufgedeckt, und seinen Rath und Beistand
erbeten, um auf kürzestem Wege in die Zweige prakti¬
scher Staatskunde einzudringen, deren ich am meisten
zu bedürfen schien. Sehr bereitwillig sagte er mir
Hülfe zu, sowohl durch mündliche Belehrung, als durch
den reichen Vorrath seiner Bücher, die er nach Prag
hatte nachkommen lassen.

So oft ich nun zu Stein kam, hörte ich gleichsam
ein Privatissimum über Gegenstände der Staatswirth¬
schaft, erläutert durch Beispiele aus dem Geschäftsleben
selbst, wobei zwar keine geordnete Folge herrschte, aber
doch die wichtigsten Ansichten und Thatsachen mir auf
die lebendigste Weise dargeboten wurden. Seine eigne
Lebhaftigkeit riß ihn fort; jede Unkunde, die er wahrzu¬

Eifer, mit entſchiedener Hoffnung kuͤnftigen Erfolgs,
ſowohl fuͤr die allgemeine Sache, als fuͤr mich insbe¬
ſondere. Hier ein naͤheres Verhaͤltniß anzuknuͤpfen
ſchien in meinen Lebenszwecken ganz eigentlich begruͤn¬
det, fruͤher oder ſpaͤter mußten wir doch in gleichen
Richtungen zuſammentreffen, und ich konnte mir nicht
verhehlen, daß mir dabei nur Ehre und Vortheil er¬
wachſen wuͤrde. Aber ich hatte noch ein anderes An¬
liegen. Fuͤr meine kuͤnftige Laufbahn mußte ich Stu¬
dien unternehmen, die ich fruͤher hatte vernachlaͤßigen
duͤrfen, und fuͤr welche mir jetzt in Prag ſowohl An¬
leitung als Buͤcher fehlten. Mit voͤlligem Vertrauen
hatte ich dem kenntnißreichen Staatsmanne meine Un¬
wiſſenheit aufgedeckt, und ſeinen Rath und Beiſtand
erbeten, um auf kuͤrzeſtem Wege in die Zweige prakti¬
ſcher Staatskunde einzudringen, deren ich am meiſten
zu beduͤrfen ſchien. Sehr bereitwillig ſagte er mir
Huͤlfe zu, ſowohl durch muͤndliche Belehrung, als durch
den reichen Vorrath ſeiner Buͤcher, die er nach Prag
hatte nachkommen laſſen.

So oft ich nun zu Stein kam, hoͤrte ich gleichſam
ein Privatissimum uͤber Gegenſtaͤnde der Staatswirth¬
ſchaft, erlaͤutert durch Beiſpiele aus dem Geſchaͤftsleben
ſelbſt, wobei zwar keine geordnete Folge herrſchte, aber
doch die wichtigſten Anſichten und Thatſachen mir auf
die lebendigſte Weiſe dargeboten wurden. Seine eigne
Lebhaftigkeit riß ihn fort; jede Unkunde, die er wahrzu¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0187" n="175"/>
Eifer, mit ent&#x017F;chiedener Hoffnung ku&#x0364;nftigen Erfolgs,<lb/>
&#x017F;owohl fu&#x0364;r die allgemeine Sache, als fu&#x0364;r mich insbe¬<lb/>
&#x017F;ondere. Hier ein na&#x0364;heres Verha&#x0364;ltniß anzuknu&#x0364;pfen<lb/>
&#x017F;chien in meinen Lebenszwecken ganz eigentlich begru&#x0364;<lb/>
det, fru&#x0364;her oder &#x017F;pa&#x0364;ter mußten wir doch in gleichen<lb/>
Richtungen zu&#x017F;ammentreffen, und ich konnte mir nicht<lb/>
verhehlen, daß mir dabei nur Ehre und Vortheil er¬<lb/>
wach&#x017F;en wu&#x0364;rde. Aber ich hatte noch ein anderes An¬<lb/>
liegen. Fu&#x0364;r meine ku&#x0364;nftige Laufbahn mußte ich Stu¬<lb/>
dien unternehmen, die ich fru&#x0364;her hatte vernachla&#x0364;ßigen<lb/>
du&#x0364;rfen, und fu&#x0364;r welche mir jetzt in Prag &#x017F;owohl An¬<lb/>
leitung als Bu&#x0364;cher fehlten. Mit vo&#x0364;lligem Vertrauen<lb/>
hatte ich dem kenntnißreichen Staatsmanne meine Un¬<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;enheit aufgedeckt, und &#x017F;einen Rath und Bei&#x017F;tand<lb/>
erbeten, um auf ku&#x0364;rze&#x017F;tem Wege in die Zweige prakti¬<lb/>
&#x017F;cher Staatskunde einzudringen, deren ich am mei&#x017F;ten<lb/>
zu bedu&#x0364;rfen &#x017F;chien. Sehr bereitwillig &#x017F;agte er mir<lb/>
Hu&#x0364;lfe zu, &#x017F;owohl durch mu&#x0364;ndliche Belehrung, als durch<lb/>
den reichen Vorrath &#x017F;einer Bu&#x0364;cher, die er nach Prag<lb/>
hatte nachkommen la&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
        <p>So oft ich nun zu Stein kam, ho&#x0364;rte ich gleich&#x017F;am<lb/>
ein <hi rendition="#aq">Privatissimum</hi> u&#x0364;ber Gegen&#x017F;ta&#x0364;nde der Staatswirth¬<lb/>
&#x017F;chaft, erla&#x0364;utert durch Bei&#x017F;piele aus dem Ge&#x017F;cha&#x0364;ftsleben<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t, wobei zwar keine geordnete Folge herr&#x017F;chte, aber<lb/>
doch die wichtig&#x017F;ten An&#x017F;ichten und That&#x017F;achen mir auf<lb/>
die lebendig&#x017F;te Wei&#x017F;e dargeboten wurden. Seine eigne<lb/>
Lebhaftigkeit riß ihn fort; jede Unkunde, die er wahrzu¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[175/0187] Eifer, mit entſchiedener Hoffnung kuͤnftigen Erfolgs, ſowohl fuͤr die allgemeine Sache, als fuͤr mich insbe¬ ſondere. Hier ein naͤheres Verhaͤltniß anzuknuͤpfen ſchien in meinen Lebenszwecken ganz eigentlich begruͤn¬ det, fruͤher oder ſpaͤter mußten wir doch in gleichen Richtungen zuſammentreffen, und ich konnte mir nicht verhehlen, daß mir dabei nur Ehre und Vortheil er¬ wachſen wuͤrde. Aber ich hatte noch ein anderes An¬ liegen. Fuͤr meine kuͤnftige Laufbahn mußte ich Stu¬ dien unternehmen, die ich fruͤher hatte vernachlaͤßigen duͤrfen, und fuͤr welche mir jetzt in Prag ſowohl An¬ leitung als Buͤcher fehlten. Mit voͤlligem Vertrauen hatte ich dem kenntnißreichen Staatsmanne meine Un¬ wiſſenheit aufgedeckt, und ſeinen Rath und Beiſtand erbeten, um auf kuͤrzeſtem Wege in die Zweige prakti¬ ſcher Staatskunde einzudringen, deren ich am meiſten zu beduͤrfen ſchien. Sehr bereitwillig ſagte er mir Huͤlfe zu, ſowohl durch muͤndliche Belehrung, als durch den reichen Vorrath ſeiner Buͤcher, die er nach Prag hatte nachkommen laſſen. So oft ich nun zu Stein kam, hoͤrte ich gleichſam ein Privatissimum uͤber Gegenſtaͤnde der Staatswirth¬ ſchaft, erlaͤutert durch Beiſpiele aus dem Geſchaͤftsleben ſelbſt, wobei zwar keine geordnete Folge herrſchte, aber doch die wichtigſten Anſichten und Thatſachen mir auf die lebendigſte Weiſe dargeboten wurden. Seine eigne Lebhaftigkeit riß ihn fort; jede Unkunde, die er wahrzu¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten03_1838
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten03_1838/187
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 3. Mannheim, 1838, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten03_1838/187>, abgerufen am 22.11.2024.