Behörden mißtrauisch angesehen und beobachtet wurden, mit den französischen Offizieren aber schon mehrmals in widrige Berührung gekommen waren, konnte auf beiden Seiten die Spannung nur vermehren. Zur Aushülfe, und um weniger Gespräche führen zu müssen, wurde das Spiel herbeigezogen. Nachmittags gingen einige Stunden im Billardsaale hin, Abends nahmen Karten oder Schach die Aufmerksamkeit in Anspruch.
Indeß traten auch hier bei näherem Umgange aus der anfänglichen Gleichmäßigkeit die persönlichen Eigen¬ arten sichtbarer hervor. Der französische Oberst war nichts als ein Kriegsmann, in seinem Handwerk eifrig und ganz beruhigt, dem Kaiser ergeben soviel als nöthig war, um nicht zurückzubleiben, übrigens von wenig Bildung, aber sehr bemüht, diesen Mangel zu verdecken. Ein paar jüngere Offiziere wollten bei jeder Gelegenheit ihren Ehrgeiz in der Begeisterung für den Kaiser be¬ friedigen, einer derselben von altadeliger Geburt, that nicht anders, als sei Napoleon in grader Erbfolge der Fortsetzer der Bourbons. Ein alter Rittmeister gehörte der frühern Revolutionszeit an, hatte zuerst unter Ber¬ nadotte und Moreau gedient, und verhehlte nicht, daß ihn der neuste Zustand der Sachen wenig befriedige. Auf einem Spazirgange schloß er mir sein Herz völlig auf, nannte Napoleon den Unterdrücker der Freiheit, und verabscheute dessen ganzes Regierungswesen, das überall nur auf rohe Gewalt gegründet sei und auf
Behoͤrden mißtrauiſch angeſehen und beobachtet wurden, mit den franzoͤſiſchen Offizieren aber ſchon mehrmals in widrige Beruͤhrung gekommen waren, konnte auf beiden Seiten die Spannung nur vermehren. Zur Aushuͤlfe, und um weniger Geſpraͤche fuͤhren zu muͤſſen, wurde das Spiel herbeigezogen. Nachmittags gingen einige Stunden im Billardſaale hin, Abends nahmen Karten oder Schach die Aufmerkſamkeit in Anſpruch.
Indeß traten auch hier bei naͤherem Umgange aus der anfaͤnglichen Gleichmaͤßigkeit die perſoͤnlichen Eigen¬ arten ſichtbarer hervor. Der franzoͤſiſche Oberſt war nichts als ein Kriegsmann, in ſeinem Handwerk eifrig und ganz beruhigt, dem Kaiſer ergeben ſoviel als noͤthig war, um nicht zuruͤckzubleiben, uͤbrigens von wenig Bildung, aber ſehr bemuͤht, dieſen Mangel zu verdecken. Ein paar juͤngere Offiziere wollten bei jeder Gelegenheit ihren Ehrgeiz in der Begeiſterung fuͤr den Kaiſer be¬ friedigen, einer derſelben von altadeliger Geburt, that nicht anders, als ſei Napoleon in grader Erbfolge der Fortſetzer der Bourbons. Ein alter Rittmeiſter gehoͤrte der fruͤhern Revolutionszeit an, hatte zuerſt unter Ber¬ nadotte und Moreau gedient, und verhehlte nicht, daß ihn der neuſte Zuſtand der Sachen wenig befriedige. Auf einem Spazirgange ſchloß er mir ſein Herz voͤllig auf, nannte Napoleon den Unterdruͤcker der Freiheit, und verabſcheute deſſen ganzes Regierungsweſen, das uͤberall nur auf rohe Gewalt gegruͤndet ſei und auf
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Behoͤrden mißtrauiſch angeſehen und beobachtet wurden,
mit den franzoͤſiſchen Offizieren aber ſchon mehrmals in
widrige Beruͤhrung gekommen waren, konnte auf beiden
Seiten die Spannung nur vermehren. Zur Aushuͤlfe,
und um weniger Geſpraͤche fuͤhren zu muͤſſen, wurde
das Spiel herbeigezogen. Nachmittags gingen einige
Stunden im Billardſaale hin, Abends nahmen Karten
oder Schach die Aufmerkſamkeit in Anſpruch.
Indeß traten auch hier bei naͤherem Umgange aus
der anfaͤnglichen Gleichmaͤßigkeit die perſoͤnlichen Eigen¬
arten ſichtbarer hervor. Der franzoͤſiſche Oberſt war
nichts als ein Kriegsmann, in ſeinem Handwerk eifrig
und ganz beruhigt, dem Kaiſer ergeben ſoviel als noͤthig
war, um nicht zuruͤckzubleiben, uͤbrigens von wenig
Bildung, aber ſehr bemuͤht, dieſen Mangel zu verdecken.
Ein paar juͤngere Offiziere wollten bei jeder Gelegenheit
ihren Ehrgeiz in der Begeiſterung fuͤr den Kaiſer be¬
friedigen, einer derſelben von altadeliger Geburt, that
nicht anders, als ſei Napoleon in grader Erbfolge der
Fortſetzer der Bourbons. Ein alter Rittmeiſter gehoͤrte
der fruͤhern Revolutionszeit an, hatte zuerſt unter Ber¬
nadotte und Moreau gedient, und verhehlte nicht, daß
ihn der neuſte Zuſtand der Sachen wenig befriedige.
Auf einem Spazirgange ſchloß er mir ſein Herz voͤllig
auf, nannte Napoleon den Unterdruͤcker der Freiheit,
und verabſcheute deſſen ganzes Regierungsweſen, das
uͤberall nur auf rohe Gewalt gegruͤndet ſei und auf
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 3. Mannheim, 1838, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten03_1838/170>, abgerufen am 23.11.2024.
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