Neckars ging ich eine weite Strecke fort, und freute mich meines Alleinseins, das mir auf Wanderungen immer behagt. Aber angekommen wär' ich gern bei lieben Freunden, dieses Ziel fehlte mir! Und so mußt' ich endlich den Rückweg nehmen, und unter allmähligem Verstummen des vorher so lauten Herzens, mich in die Stadt und in mein Zimmer zurückfinden, umdüstert von dickem Abendnebel, der dicht vor meinen Fenstern die schwarzen Dächer überschwebt. Als ich hinausging, sah ich Kürasse schmieden, auf dem Rückwege begegneten mir würtembergische Reiter. So mahnt auch in dem friedlichen Thal schon manches an Krieg, der sich aus Osten und Westen allerdings in allerlei Zeichen drohend ankündigt! --
Ich habe die französischen Bülletins über den Krieg in Spanien der Reihe nach durchgelesen, und mehr daraus ersehen, als sie zeigen wollen. Näher aber, als diese Vorgänge, berühren mich die Nachrichten von den Rüstungen in Oesterreich. Dort scheint alles auf einen ächten Volkskrieg abgesehen, und Begeisterung und Kraft jeder Art aufzuwachen. Hier, -- und wo nicht in Deutschland? -- ist die Regierung mit den Franzosen verbündet, das Volk aber ist für Oesterreich, mit dessen Sache die deutsche ihm diesmal eng verbunden dünkt. Die kriegerischen Aussichten machen auch all meine Plane wieder ungewiß. Wo soll, wo kann man hin? wo bleiben? Wie wird es binnen einem halben Jahr in
Neckars ging ich eine weite Strecke fort, und freute mich meines Alleinſeins, das mir auf Wanderungen immer behagt. Aber angekommen waͤr' ich gern bei lieben Freunden, dieſes Ziel fehlte mir! Und ſo mußt' ich endlich den Ruͤckweg nehmen, und unter allmaͤhligem Verſtummen des vorher ſo lauten Herzens, mich in die Stadt und in mein Zimmer zuruͤckfinden, umduͤſtert von dickem Abendnebel, der dicht vor meinen Fenſtern die ſchwarzen Daͤcher uͤberſchwebt. Als ich hinausging, ſah ich Kuͤraſſe ſchmieden, auf dem Ruͤckwege begegneten mir wuͤrtembergiſche Reiter. So mahnt auch in dem friedlichen Thal ſchon manches an Krieg, der ſich aus Oſten und Weſten allerdings in allerlei Zeichen drohend ankuͤndigt! —
Ich habe die franzoͤſiſchen Buͤlletins uͤber den Krieg in Spanien der Reihe nach durchgeleſen, und mehr daraus erſehen, als ſie zeigen wollen. Naͤher aber, als dieſe Vorgaͤnge, beruͤhren mich die Nachrichten von den Ruͤſtungen in Oeſterreich. Dort ſcheint alles auf einen aͤchten Volkskrieg abgeſehen, und Begeiſterung und Kraft jeder Art aufzuwachen. Hier, — und wo nicht in Deutſchland? — iſt die Regierung mit den Franzoſen verbuͤndet, das Volk aber iſt fuͤr Oeſterreich, mit deſſen Sache die deutſche ihm diesmal eng verbunden duͤnkt. Die kriegeriſchen Ausſichten machen auch all meine Plane wieder ungewiß. Wo ſoll, wo kann man hin? wo bleiben? Wie wird es binnen einem halben Jahr in
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Neckars ging ich eine weite Strecke fort, und freute
mich meines Alleinſeins, das mir auf Wanderungen
immer behagt. Aber angekommen waͤr' ich gern bei
lieben Freunden, dieſes Ziel fehlte mir! Und ſo mußt'
ich endlich den Ruͤckweg nehmen, und unter allmaͤhligem
Verſtummen des vorher ſo lauten Herzens, mich in die
Stadt und in mein Zimmer zuruͤckfinden, umduͤſtert
von dickem Abendnebel, der dicht vor meinen Fenſtern
die ſchwarzen Daͤcher uͤberſchwebt. Als ich hinausging,
ſah ich Kuͤraſſe ſchmieden, auf dem Ruͤckwege begegneten
mir wuͤrtembergiſche Reiter. So mahnt auch in dem
friedlichen Thal ſchon manches an Krieg, der ſich aus
Oſten und Weſten allerdings in allerlei Zeichen drohend
ankuͤndigt! —
Ich habe die franzoͤſiſchen Buͤlletins uͤber den Krieg
in Spanien der Reihe nach durchgeleſen, und mehr
daraus erſehen, als ſie zeigen wollen. Naͤher aber, als
dieſe Vorgaͤnge, beruͤhren mich die Nachrichten von den
Ruͤſtungen in Oeſterreich. Dort ſcheint alles auf einen
aͤchten Volkskrieg abgeſehen, und Begeiſterung und Kraft
jeder Art aufzuwachen. Hier, — und wo nicht in
Deutſchland? — iſt die Regierung mit den Franzoſen
verbuͤndet, das Volk aber iſt fuͤr Oeſterreich, mit deſſen
Sache die deutſche ihm diesmal eng verbunden duͤnkt.
Die kriegeriſchen Ausſichten machen auch all meine Plane
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 3. Mannheim, 1838, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten03_1838/137>, abgerufen am 05.12.2024.
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