auch im Besondern zu förmlichen Unterrichtsstunden im Persischen aus, das er uns als leicht und gewinnreich anrühmte, und Chamisso drängte ihn sogar zu den An¬ fangsgründen des Chinesischen. So wenig diese Studien eigentlichen Grund bei uns hatten und so bald sie auch abbrachen, lieferten sie den Gewinn, für alle Folgezeit immer auf's neue schätzbar, diese eigenthümliche Welt einmal aus einem ihr selbst angehörigen, mit ihren eignen Mitteln errichteten Standpunkt auch nur von der Gränze näher angesehen zu haben. Klaproth war auf diesem Gebiete, wenn auch nicht ganz gründlich und zuverlässig, doch noch am meisten fest und sicher, in jeder andern Richtung durfte man ihm keinen Augen¬ blick trauen, er trieb mit Kenntnissen wie mit Ver¬ sprechungen Scherz, und seine lebhaften Thorheiten gingen ohne viel Bedenken auch in schlimme Wirklich¬ keit über. Wenn er einen mahnenden Gläubiger in unsrer Gegenwart wegkomplimentirte, und dem Ver¬ trösteten, den kaum die Thüre entlassen hatte, feierlich den Homerischen Vers anwandte: "Jener hofft's! doch mit nichten gewährt ihm dieses Kronion!" oder wenn er die Akademie der Wissenschaften, in deren Versammlungssaal er bei Gelegenheit, daß Hand¬ werker darin zu thun hatten, als müßiger Herum¬ störer einen Augenblick mit hereingedrungen war, da¬ durch verhöhnte, daß er einen alten Degen an Bind¬
auch im Beſondern zu foͤrmlichen Unterrichtsſtunden im Perſiſchen aus, das er uns als leicht und gewinnreich anruͤhmte, und Chamiſſo draͤngte ihn ſogar zu den An¬ fangsgruͤnden des Chineſiſchen. So wenig dieſe Studien eigentlichen Grund bei uns hatten und ſo bald ſie auch abbrachen, lieferten ſie den Gewinn, fuͤr alle Folgezeit immer auf's neue ſchaͤtzbar, dieſe eigenthuͤmliche Welt einmal aus einem ihr ſelbſt angehoͤrigen, mit ihren eignen Mitteln errichteten Standpunkt auch nur von der Graͤnze naͤher angeſehen zu haben. Klaproth war auf dieſem Gebiete, wenn auch nicht ganz gruͤndlich und zuverlaͤſſig, doch noch am meiſten feſt und ſicher, in jeder andern Richtung durfte man ihm keinen Augen¬ blick trauen, er trieb mit Kenntniſſen wie mit Ver¬ ſprechungen Scherz, und ſeine lebhaften Thorheiten gingen ohne viel Bedenken auch in ſchlimme Wirklich¬ keit uͤber. Wenn er einen mahnenden Glaͤubiger in unſrer Gegenwart wegkomplimentirte, und dem Ver¬ troͤſteten, den kaum die Thuͤre entlaſſen hatte, feierlich den Homeriſchen Vers anwandte: „Jener hofft's! doch mit nichten gewaͤhrt ihm dieſes Kronion!“ oder wenn er die Akademie der Wiſſenſchaften, in deren Verſammlungsſaal er bei Gelegenheit, daß Hand¬ werker darin zu thun hatten, als muͤßiger Herum¬ ſtoͤrer einen Augenblick mit hereingedrungen war, da¬ durch verhoͤhnte, daß er einen alten Degen an Bind¬
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auch im Beſondern zu foͤrmlichen Unterrichtsſtunden im
Perſiſchen aus, das er uns als leicht und gewinnreich
anruͤhmte, und Chamiſſo draͤngte ihn ſogar zu den An¬
fangsgruͤnden des Chineſiſchen. So wenig dieſe Studien
eigentlichen Grund bei uns hatten und ſo bald ſie auch
abbrachen, lieferten ſie den Gewinn, fuͤr alle Folgezeit
immer auf's neue ſchaͤtzbar, dieſe eigenthuͤmliche Welt
einmal aus einem ihr ſelbſt angehoͤrigen, mit ihren
eignen Mitteln errichteten Standpunkt auch nur von
der Graͤnze naͤher angeſehen zu haben. Klaproth war
auf dieſem Gebiete, wenn auch nicht ganz gruͤndlich
und zuverlaͤſſig, doch noch am meiſten feſt und ſicher,
in jeder andern Richtung durfte man ihm keinen Augen¬
blick trauen, er trieb mit Kenntniſſen wie mit Ver¬
ſprechungen Scherz, und ſeine lebhaften Thorheiten
gingen ohne viel Bedenken auch in ſchlimme Wirklich¬
keit uͤber. Wenn er einen mahnenden Glaͤubiger in
unſrer Gegenwart wegkomplimentirte, und dem Ver¬
troͤſteten, den kaum die Thuͤre entlaſſen hatte, feierlich
den Homeriſchen Vers anwandte:
„Jener hofft's! doch mit nichten gewaͤhrt ihm dieſes Kronion!“
oder wenn er die Akademie der Wiſſenſchaften, in
deren Verſammlungsſaal er bei Gelegenheit, daß Hand¬
werker darin zu thun hatten, als muͤßiger Herum¬
ſtoͤrer einen Augenblick mit hereingedrungen war, da¬
durch verhoͤhnte, daß er einen alten Degen an Bind¬
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/82>, abgerufen am 23.11.2024.
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