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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837.

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mit Worten seines Lieblingsdichters Dinis, die er mir
in mein Stammbuch geschrieben hatte. --

Hier ist nun auch eines persönlichen Erscheinens zu
gedenken, dessen erster Eindruck mir in jener Zeit wurde.
Eines Abends, da ich den zum Thee Versammelten
aus Wieland einiges vorlas, wurde Besuch gemeldet,
und bei dem Namen entstand sogleich die Art von Be¬
wegung, welche sich der Erwartung von Ungewöhn¬
lichem und Günstigem verknüpft. Es war Rahel Levin
-- oder Robert, denn auch den letztern Namen führte
sie schon damals. Oft schon hatte ich sie nennen hören,
von den verschiedensten Seiten her, und immer mit
einem so besondern Reize der Bezeichnung, daß ich mir
dabei nur das außerordentlichste, mit keinem andern zu
vergleichenden Wesen denken mußte. Was von ihr in¬
sonderheit Lippe und Frau von Boye mir gesagt, deutete
auf ein energisches Zusammensein von Geist und Natur
in ursprünglichster, reinster Kraft und Form. Auch
wenn man einigen Tadel gegen sie versuchte, mußte
ich im Gegentheil oft das gröbste Lob daraus nehmen.
Man hatte von einer gerade jetzt waltenden Leidenschaft
viel gesprochen, die, nach den Erzählungen, an Größe
und Erhebung und Unglück alles von Dichtern Besun¬
gene übertraf. Ich sah in gespannter Aufregung, den
Andern zum Lächeln, dem nahen Eintritte der Ange¬
kündigten entgegen. Es erschien eine leichte, graziöse
Gestalt, klein aber kräftig von Wuchs, von zarten und

mit Worten ſeines Lieblingsdichters Dinis, die er mir
in mein Stammbuch geſchrieben hatte. —

Hier iſt nun auch eines perſoͤnlichen Erſcheinens zu
gedenken, deſſen erſter Eindruck mir in jener Zeit wurde.
Eines Abends, da ich den zum Thee Verſammelten
aus Wieland einiges vorlas, wurde Beſuch gemeldet,
und bei dem Namen entſtand ſogleich die Art von Be¬
wegung, welche ſich der Erwartung von Ungewoͤhn¬
lichem und Guͤnſtigem verknuͤpft. Es war Rahel Levin
— oder Robert, denn auch den letztern Namen fuͤhrte
ſie ſchon damals. Oft ſchon hatte ich ſie nennen hoͤren,
von den verſchiedenſten Seiten her, und immer mit
einem ſo beſondern Reize der Bezeichnung, daß ich mir
dabei nur das außerordentlichſte, mit keinem andern zu
vergleichenden Weſen denken mußte. Was von ihr in¬
ſonderheit Lippe und Frau von Boye mir geſagt, deutete
auf ein energiſches Zuſammenſein von Geiſt und Natur
in urſpruͤnglichſter, reinſter Kraft und Form. Auch
wenn man einigen Tadel gegen ſie verſuchte, mußte
ich im Gegentheil oft das groͤbſte Lob daraus nehmen.
Man hatte von einer gerade jetzt waltenden Leidenſchaft
viel geſprochen, die, nach den Erzaͤhlungen, an Groͤße
und Erhebung und Ungluͤck alles von Dichtern Beſun¬
gene uͤbertraf. Ich ſah in geſpannter Aufregung, den
Andern zum Laͤcheln, dem nahen Eintritte der Ange¬
kuͤndigten entgegen. Es erſchien eine leichte, grazioͤſe
Geſtalt, klein aber kraͤftig von Wuchs, von zarten und

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[47/0061] mit Worten ſeines Lieblingsdichters Dinis, die er mir in mein Stammbuch geſchrieben hatte. — Hier iſt nun auch eines perſoͤnlichen Erſcheinens zu gedenken, deſſen erſter Eindruck mir in jener Zeit wurde. Eines Abends, da ich den zum Thee Verſammelten aus Wieland einiges vorlas, wurde Beſuch gemeldet, und bei dem Namen entſtand ſogleich die Art von Be¬ wegung, welche ſich der Erwartung von Ungewoͤhn¬ lichem und Guͤnſtigem verknuͤpft. Es war Rahel Levin — oder Robert, denn auch den letztern Namen fuͤhrte ſie ſchon damals. Oft ſchon hatte ich ſie nennen hoͤren, von den verſchiedenſten Seiten her, und immer mit einem ſo beſondern Reize der Bezeichnung, daß ich mir dabei nur das außerordentlichſte, mit keinem andern zu vergleichenden Weſen denken mußte. Was von ihr in¬ ſonderheit Lippe und Frau von Boye mir geſagt, deutete auf ein energiſches Zuſammenſein von Geiſt und Natur in urſpruͤnglichſter, reinſter Kraft und Form. Auch wenn man einigen Tadel gegen ſie verſuchte, mußte ich im Gegentheil oft das groͤbſte Lob daraus nehmen. Man hatte von einer gerade jetzt waltenden Leidenſchaft viel geſprochen, die, nach den Erzaͤhlungen, an Groͤße und Erhebung und Ungluͤck alles von Dichtern Beſun¬ gene uͤbertraf. Ich ſah in geſpannter Aufregung, den Andern zum Laͤcheln, dem nahen Eintritte der Ange¬ kuͤndigten entgegen. Es erſchien eine leichte, grazioͤſe Geſtalt, klein aber kraͤftig von Wuchs, von zarten und

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Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/61>, abgerufen am 23.11.2024.