theilen konnte, begierig auf, und bezeigte nur einiges Mißtrauen gegen das, was unmittelbar von den Schlegel herrührte. Er machte mir kein Geheimniß von seiner politischen Lage, und ich erschrack zu hören, daß er ein Gefangener der Inquisition gewesen, und vom sichren Tode nur durch den großmüthigen Freisinn des Prinz- Regenten von Portugal gerettet worden, der ihm eine diplomatische Anstellung im Auslande zum Schutz ge¬ geben, welchen im Inlande dauernd ihm zu gewähren alle seine Macht nicht ausgereicht haben würde. Die erlittenen Drangsale hatten ihm ein trübes Gewölk auf der Seele zurückgelassen, das ihn doch noch hinderte, auch den zarteren Gefühlen ihr Recht zu geben. Denn das unscheinbare Männchen hatte schon von Portugal einen hübschen Knaben mitgebracht, der auf frühere Verbindungen deutete; in Berlin aber durfte er sich der Aufmerksamkeit zweier Damen zu gleicher Zeit erfreuen, die gleichsam um ihn wetteiferten. Er hei¬ rathete später die eine derselben und nahm sie mit nach Brasilien, wo er zwanzig Jahre später als Minister der auswärtigen Angelegenheiten, und darauf als solcher in Portugal selbst, eine wichtige Rolle spielte, und den gemäßigten Konstitutionellen angehörte, bis die Umge¬ staltung der Dinge ihn seinen Aufenthalt in Paris neh¬ men ließ. Ich las seinen Namen in den Zeitungen nie ohne innigen Antheil, und begrüßte ihn fernhin
theilen konnte, begierig auf, und bezeigte nur einiges Mißtrauen gegen das, was unmittelbar von den Schlegel herruͤhrte. Er machte mir kein Geheimniß von ſeiner politiſchen Lage, und ich erſchrack zu hoͤren, daß er ein Gefangener der Inquiſition geweſen, und vom ſichren Tode nur durch den großmuͤthigen Freiſinn des Prinz- Regenten von Portugal gerettet worden, der ihm eine diplomatiſche Anſtellung im Auslande zum Schutz ge¬ geben, welchen im Inlande dauernd ihm zu gewaͤhren alle ſeine Macht nicht ausgereicht haben wuͤrde. Die erlittenen Drangſale hatten ihm ein truͤbes Gewoͤlk auf der Seele zuruͤckgelaſſen, das ihn doch noch hinderte, auch den zarteren Gefuͤhlen ihr Recht zu geben. Denn das unſcheinbare Maͤnnchen hatte ſchon von Portugal einen huͤbſchen Knaben mitgebracht, der auf fruͤhere Verbindungen deutete; in Berlin aber durfte er ſich der Aufmerkſamkeit zweier Damen zu gleicher Zeit erfreuen, die gleichſam um ihn wetteiferten. Er hei¬ rathete ſpaͤter die eine derſelben und nahm ſie mit nach Braſilien, wo er zwanzig Jahre ſpaͤter als Miniſter der auswaͤrtigen Angelegenheiten, und darauf als ſolcher in Portugal ſelbſt, eine wichtige Rolle ſpielte, und den gemaͤßigten Konſtitutionellen angehoͤrte, bis die Umge¬ ſtaltung der Dinge ihn ſeinen Aufenthalt in Paris neh¬ men ließ. Ich las ſeinen Namen in den Zeitungen nie ohne innigen Antheil, und begruͤßte ihn fernhin
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0060"n="46"/>
theilen konnte, begierig auf, und bezeigte nur einiges<lb/>
Mißtrauen gegen das, was unmittelbar von den Schlegel<lb/>
herruͤhrte. Er machte mir kein Geheimniß von ſeiner<lb/>
politiſchen Lage, und ich erſchrack zu hoͤren, daß er ein<lb/>
Gefangener der Inquiſition geweſen, und vom ſichren<lb/>
Tode nur durch den großmuͤthigen Freiſinn des Prinz-<lb/>
Regenten von Portugal gerettet worden, der ihm eine<lb/>
diplomatiſche Anſtellung im Auslande zum Schutz ge¬<lb/>
geben, welchen im Inlande dauernd ihm zu gewaͤhren<lb/>
alle ſeine Macht nicht ausgereicht haben wuͤrde. Die<lb/>
erlittenen Drangſale hatten ihm ein truͤbes Gewoͤlk auf<lb/>
der Seele zuruͤckgelaſſen, das ihn doch noch hinderte,<lb/>
auch den zarteren Gefuͤhlen ihr Recht zu geben. Denn<lb/>
das unſcheinbare Maͤnnchen hatte ſchon von Portugal<lb/>
einen huͤbſchen Knaben mitgebracht, der auf fruͤhere<lb/>
Verbindungen deutete; in Berlin aber durfte er ſich<lb/>
der Aufmerkſamkeit zweier Damen zu gleicher Zeit<lb/>
erfreuen, die gleichſam um ihn wetteiferten. Er hei¬<lb/>
rathete ſpaͤter die eine derſelben und nahm ſie mit nach<lb/>
Braſilien, wo er zwanzig Jahre ſpaͤter als Miniſter<lb/>
der auswaͤrtigen Angelegenheiten, und darauf als ſolcher<lb/>
in Portugal ſelbſt, eine wichtige Rolle ſpielte, und den<lb/>
gemaͤßigten Konſtitutionellen angehoͤrte, bis die Umge¬<lb/>ſtaltung der Dinge ihn ſeinen Aufenthalt in Paris neh¬<lb/>
men ließ. Ich las ſeinen Namen in den Zeitungen<lb/>
nie ohne innigen Antheil, und begruͤßte ihn fernhin<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[46/0060]
theilen konnte, begierig auf, und bezeigte nur einiges
Mißtrauen gegen das, was unmittelbar von den Schlegel
herruͤhrte. Er machte mir kein Geheimniß von ſeiner
politiſchen Lage, und ich erſchrack zu hoͤren, daß er ein
Gefangener der Inquiſition geweſen, und vom ſichren
Tode nur durch den großmuͤthigen Freiſinn des Prinz-
Regenten von Portugal gerettet worden, der ihm eine
diplomatiſche Anſtellung im Auslande zum Schutz ge¬
geben, welchen im Inlande dauernd ihm zu gewaͤhren
alle ſeine Macht nicht ausgereicht haben wuͤrde. Die
erlittenen Drangſale hatten ihm ein truͤbes Gewoͤlk auf
der Seele zuruͤckgelaſſen, das ihn doch noch hinderte,
auch den zarteren Gefuͤhlen ihr Recht zu geben. Denn
das unſcheinbare Maͤnnchen hatte ſchon von Portugal
einen huͤbſchen Knaben mitgebracht, der auf fruͤhere
Verbindungen deutete; in Berlin aber durfte er ſich
der Aufmerkſamkeit zweier Damen zu gleicher Zeit
erfreuen, die gleichſam um ihn wetteiferten. Er hei¬
rathete ſpaͤter die eine derſelben und nahm ſie mit nach
Braſilien, wo er zwanzig Jahre ſpaͤter als Miniſter
der auswaͤrtigen Angelegenheiten, und darauf als ſolcher
in Portugal ſelbſt, eine wichtige Rolle ſpielte, und den
gemaͤßigten Konſtitutionellen angehoͤrte, bis die Umge¬
ſtaltung der Dinge ihn ſeinen Aufenthalt in Paris neh¬
men ließ. Ich las ſeinen Namen in den Zeitungen
nie ohne innigen Antheil, und begruͤßte ihn fernhin
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/60>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.