mit Dank und Eifer annahm, folgten weitläufige Mit¬ theilungen aus der Geschichte und über die gegenwär¬ tigen Verhältnisse der Freimaurerei, über ihre Gebräuche, Einrichtungen, und andre Aeußerlichkeiten. Mir wurde empfohlen, der Sache weiter nachzudenken, und gegen niemand ein Wort davon zu reden. Diese Belehrungen wiederholten sich, wobei meine Erwartung doch im Ganzen wenig befriedigt wurde; weder der eigentliche Ursprung der Gesellschaft noch ihre bestimmten Zwecke wollten recht hervortreten, die Zeichen und Worte und Ceremonien erschienen als isolirte Alterthümer, deren Bedeutung in dem Schwall modernen Auslegens und Hinzumischens ganz untergegangen; das Vorhandene wurde größtentheils als gemein und verwerflich vorge¬ stellt, das Bessere als erst in Künftigem zu hoffen. Und bei allen diesen Gebrechen und Scheinsamkeiten sollte das freimaurerische Treiben überhaupt doch in höchstem Werthe stehen, und die Neigung des ausge¬ stoßenen und abtrünnigen Bruders hielt, der Einsicht entgegen, an demjenigen fest, was durch so lange Jahre die richtigste und vertrauteste Lebensgewöhnung, der Gegenstand so vieler Thätigkeit und die Quelle so mannigfachen Ertrages gewesen war! Aus diesem Zwiespalt der Zuneigung und des Widerwillens kam Darbes nicht heraus, wie ein Liebhaber, der die un¬ getreue Geliebte zugleich schelten und doch noch preisen möchte, und in dem Mißgefühle, welches sich einstellte,
mit Dank und Eifer annahm, folgten weitlaͤufige Mit¬ theilungen aus der Geſchichte und uͤber die gegenwaͤr¬ tigen Verhaͤltniſſe der Freimaurerei, uͤber ihre Gebraͤuche, Einrichtungen, und andre Aeußerlichkeiten. Mir wurde empfohlen, der Sache weiter nachzudenken, und gegen niemand ein Wort davon zu reden. Dieſe Belehrungen wiederholten ſich, wobei meine Erwartung doch im Ganzen wenig befriedigt wurde; weder der eigentliche Urſprung der Geſellſchaft noch ihre beſtimmten Zwecke wollten recht hervortreten, die Zeichen und Worte und Ceremonien erſchienen als iſolirte Alterthuͤmer, deren Bedeutung in dem Schwall modernen Auslegens und Hinzumiſchens ganz untergegangen; das Vorhandene wurde groͤßtentheils als gemein und verwerflich vorge¬ ſtellt, das Beſſere als erſt in Kuͤnftigem zu hoffen. Und bei allen dieſen Gebrechen und Scheinſamkeiten ſollte das freimaureriſche Treiben uͤberhaupt doch in hoͤchſtem Werthe ſtehen, und die Neigung des ausge¬ ſtoßenen und abtruͤnnigen Bruders hielt, der Einſicht entgegen, an demjenigen feſt, was durch ſo lange Jahre die richtigſte und vertrauteſte Lebensgewoͤhnung, der Gegenſtand ſo vieler Thaͤtigkeit und die Quelle ſo mannigfachen Ertrages geweſen war! Aus dieſem Zwieſpalt der Zuneigung und des Widerwillens kam Darbes nicht heraus, wie ein Liebhaber, der die un¬ getreue Geliebte zugleich ſchelten und doch noch preiſen moͤchte, und in dem Mißgefuͤhle, welches ſich einſtellte,
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mit Dank und Eifer annahm, folgten weitlaͤufige Mit¬
theilungen aus der Geſchichte und uͤber die gegenwaͤr¬
tigen Verhaͤltniſſe der Freimaurerei, uͤber ihre Gebraͤuche,
Einrichtungen, und andre Aeußerlichkeiten. Mir wurde
empfohlen, der Sache weiter nachzudenken, und gegen
niemand ein Wort davon zu reden. Dieſe Belehrungen
wiederholten ſich, wobei meine Erwartung doch im
Ganzen wenig befriedigt wurde; weder der eigentliche
Urſprung der Geſellſchaft noch ihre beſtimmten Zwecke
wollten recht hervortreten, die Zeichen und Worte und
Ceremonien erſchienen als iſolirte Alterthuͤmer, deren
Bedeutung in dem Schwall modernen Auslegens und
Hinzumiſchens ganz untergegangen; das Vorhandene
wurde groͤßtentheils als gemein und verwerflich vorge¬
ſtellt, das Beſſere als erſt in Kuͤnftigem zu hoffen.
Und bei allen dieſen Gebrechen und Scheinſamkeiten
ſollte das freimaureriſche Treiben uͤberhaupt doch in
hoͤchſtem Werthe ſtehen, und die Neigung des ausge¬
ſtoßenen und abtruͤnnigen Bruders hielt, der Einſicht
entgegen, an demjenigen feſt, was durch ſo lange Jahre
die richtigſte und vertrauteſte Lebensgewoͤhnung, der
Gegenſtand ſo vieler Thaͤtigkeit und die Quelle ſo
mannigfachen Ertrages geweſen war! Aus dieſem
Zwieſpalt der Zuneigung und des Widerwillens kam
Darbes nicht heraus, wie ein Liebhaber, der die un¬
getreue Geliebte zugleich ſchelten und doch noch preiſen
moͤchte, und in dem Mißgefuͤhle, welches ſich einſtellte,
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/56>, abgerufen am 23.11.2024.
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