Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite

dünkte. Was er aber in dieser Art ausgeübt, -- mag
es auch noch so viel sein, und selbst dem Könige einen
Augenblick allzu viel gedünkt haben, -- müssen wir für
den damaligen Zweck im Ganzen gutheißen und als
dankenswerth achten, ja die außerordentliche Gewandt¬
heit und den sichern Takt, durch welche er in seinen
eigenen Schriften unübertroffen dasteht, auch hier be¬
wundern! Damals kam es darauf an, diesem merk¬
würdigen Buche, dessen Ursprung nicht eingestanden
werden sollte, dem aber die doch eigentlich deutsche und
noch dazu prinzliche Feder gar manche Rauhigkeit gelassen
hatte, eine litterarisch glatte und minder auffällige Ge¬
stalt zu geben. Dies hat Voltaire sehr glücklich ausge¬
führt, und das Ganze, gereinigt von Sprachwidrigkeiten
wie von Unfertigkeiten des Ausdrucks und der Behand¬
lung, lesbar in die Welt geschickt. Wir dürfen uns über
die Wiedererlangung und Veröffentlichung des ursprüng¬
lichen Entwurfes freuen, weil wir ein ganz anderes Inter¬
esse bei der Sache haben; allein, von Voltaire unsern
Gesichtspunkt zu fordern, den auch weder Friedrich noch
die Lesewelt damals haben konnte, wäre sehr ungerecht.

Unser Herausgeber verweilt, wie es der Gegenstand
erheischt, auch bei dem wesentlichen Mißverstande, in
welchem sowohl der große König als Voltaire hinsicht¬
lich der Beurtheilung des Machiavelli mit dem größten
Theile ihrer Zeitgenossen befangen waren. Sie hatten
keine Ahndung, daß das Buch vom Fürsten, welches

duͤnkte. Was er aber in dieſer Art ausgeuͤbt, — mag
es auch noch ſo viel ſein, und ſelbſt dem Koͤnige einen
Augenblick allzu viel geduͤnkt haben, — muͤſſen wir fuͤr
den damaligen Zweck im Ganzen gutheißen und als
dankenswerth achten, ja die außerordentliche Gewandt¬
heit und den ſichern Takt, durch welche er in ſeinen
eigenen Schriften unuͤbertroffen daſteht, auch hier be¬
wundern! Damals kam es darauf an, dieſem merk¬
wuͤrdigen Buche, deſſen Urſprung nicht eingeſtanden
werden ſollte, dem aber die doch eigentlich deutſche und
noch dazu prinzliche Feder gar manche Rauhigkeit gelaſſen
hatte, eine litterariſch glatte und minder auffaͤllige Ge¬
ſtalt zu geben. Dies hat Voltaire ſehr gluͤcklich ausge¬
fuͤhrt, und das Ganze, gereinigt von Sprachwidrigkeiten
wie von Unfertigkeiten des Ausdrucks und der Behand¬
lung, lesbar in die Welt geſchickt. Wir duͤrfen uns uͤber
die Wiedererlangung und Veroͤffentlichung des urſpruͤng¬
lichen Entwurfes freuen, weil wir ein ganz anderes Inter¬
eſſe bei der Sache haben; allein, von Voltaire unſern
Geſichtspunkt zu fordern, den auch weder Friedrich noch
die Leſewelt damals haben konnte, waͤre ſehr ungerecht.

Unſer Herausgeber verweilt, wie es der Gegenſtand
erheiſcht, auch bei dem weſentlichen Mißverſtande, in
welchem ſowohl der große Koͤnig als Voltaire hinſicht¬
lich der Beurtheilung des Machiavelli mit dem groͤßten
Theile ihrer Zeitgenoſſen befangen waren. Sie hatten
keine Ahndung, daß das Buch vom Fuͤrſten, welches

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0448" n="434"/>
du&#x0364;nkte. Was er aber in die&#x017F;er Art ausgeu&#x0364;bt, &#x2014; mag<lb/>
es auch noch &#x017F;o viel &#x017F;ein, und &#x017F;elb&#x017F;t dem Ko&#x0364;nige einen<lb/>
Augenblick allzu viel gedu&#x0364;nkt haben, &#x2014; mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en wir fu&#x0364;r<lb/>
den damaligen Zweck im Ganzen gutheißen und als<lb/>
dankenswerth achten, ja die außerordentliche Gewandt¬<lb/>
heit und den &#x017F;ichern Takt, durch welche er in &#x017F;einen<lb/>
eigenen Schriften unu&#x0364;bertroffen da&#x017F;teht, auch hier be¬<lb/>
wundern! Damals kam es darauf an, die&#x017F;em merk¬<lb/>
wu&#x0364;rdigen Buche, de&#x017F;&#x017F;en Ur&#x017F;prung nicht einge&#x017F;tanden<lb/>
werden &#x017F;ollte, dem aber die doch eigentlich deut&#x017F;che und<lb/>
noch dazu prinzliche Feder gar manche Rauhigkeit gela&#x017F;&#x017F;en<lb/>
hatte, eine litterari&#x017F;ch glatte und minder auffa&#x0364;llige Ge¬<lb/>
&#x017F;talt zu geben. Dies hat Voltaire &#x017F;ehr glu&#x0364;cklich ausge¬<lb/>
fu&#x0364;hrt, und das Ganze, gereinigt von Sprachwidrigkeiten<lb/>
wie von Unfertigkeiten des Ausdrucks und der Behand¬<lb/>
lung, lesbar in die Welt ge&#x017F;chickt. Wir du&#x0364;rfen uns u&#x0364;ber<lb/>
die Wiedererlangung und Vero&#x0364;ffentlichung des ur&#x017F;pru&#x0364;ng¬<lb/>
lichen Entwurfes freuen, weil wir ein ganz anderes Inter¬<lb/>
e&#x017F;&#x017F;e bei der Sache haben; allein, von Voltaire un&#x017F;ern<lb/>
Ge&#x017F;ichtspunkt zu fordern, den auch weder Friedrich noch<lb/>
die Le&#x017F;ewelt damals haben konnte, wa&#x0364;re &#x017F;ehr ungerecht.</p><lb/>
          <p>Un&#x017F;er Herausgeber verweilt, wie es der Gegen&#x017F;tand<lb/>
erhei&#x017F;cht, auch bei dem we&#x017F;entlichen Mißver&#x017F;tande, in<lb/>
welchem &#x017F;owohl der große Ko&#x0364;nig als Voltaire hin&#x017F;icht¬<lb/>
lich der Beurtheilung des Machiavelli mit dem gro&#x0364;ßten<lb/>
Theile ihrer Zeitgeno&#x017F;&#x017F;en befangen waren. Sie hatten<lb/>
keine Ahndung, daß das Buch vom Fu&#x0364;r&#x017F;ten, welches<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[434/0448] duͤnkte. Was er aber in dieſer Art ausgeuͤbt, — mag es auch noch ſo viel ſein, und ſelbſt dem Koͤnige einen Augenblick allzu viel geduͤnkt haben, — muͤſſen wir fuͤr den damaligen Zweck im Ganzen gutheißen und als dankenswerth achten, ja die außerordentliche Gewandt¬ heit und den ſichern Takt, durch welche er in ſeinen eigenen Schriften unuͤbertroffen daſteht, auch hier be¬ wundern! Damals kam es darauf an, dieſem merk¬ wuͤrdigen Buche, deſſen Urſprung nicht eingeſtanden werden ſollte, dem aber die doch eigentlich deutſche und noch dazu prinzliche Feder gar manche Rauhigkeit gelaſſen hatte, eine litterariſch glatte und minder auffaͤllige Ge¬ ſtalt zu geben. Dies hat Voltaire ſehr gluͤcklich ausge¬ fuͤhrt, und das Ganze, gereinigt von Sprachwidrigkeiten wie von Unfertigkeiten des Ausdrucks und der Behand¬ lung, lesbar in die Welt geſchickt. Wir duͤrfen uns uͤber die Wiedererlangung und Veroͤffentlichung des urſpruͤng¬ lichen Entwurfes freuen, weil wir ein ganz anderes Inter¬ eſſe bei der Sache haben; allein, von Voltaire unſern Geſichtspunkt zu fordern, den auch weder Friedrich noch die Leſewelt damals haben konnte, waͤre ſehr ungerecht. Unſer Herausgeber verweilt, wie es der Gegenſtand erheiſcht, auch bei dem weſentlichen Mißverſtande, in welchem ſowohl der große Koͤnig als Voltaire hinſicht¬ lich der Beurtheilung des Machiavelli mit dem groͤßten Theile ihrer Zeitgenoſſen befangen waren. Sie hatten keine Ahndung, daß das Buch vom Fuͤrſten, welches

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/448
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837, S. 434. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/448>, abgerufen am 10.05.2024.