reichen Schatzkammern allem Erscheinenden darbietet. Die höchsten Ergebnisse des Denkens, die reinsten Ueber¬ zeugungen der Religion, wirken unmittelbar durch ihr eigenstes Wesen, ohne Beimischung künstlichen Vortrags, der das einfache starke Licht durch die Mannigfaltigkeit bunter Farben in vielen Fällen sogar verdunkeln würde. Die Kunst hinwieder weiß jene Wahrheiten, mit denen sie im tiefsten Einverständnisse lebt, eben so wenig für sich als Schmuck und Hülfe zu benutzen; und ein Bund der Kirche mit den Künsten, den man zu solchem Be¬ hufe wechselseitigen Leistens oft genug verkehrterweise hat schließen wollen, ist immer ein unfruchtbarer ge¬ blieben. Doch wird eine Vereinigung beider Gebiete deßhalb nicht entbehrt, sondern nur in andrer Art, als jener aushülflichen, bewirkt, indem keines derselben sich an das andre veräußert, sondern beide selbstständig in dem reinsten menschlichen Antriebe zusammenfließen. Der Weise, der ein Künstler, der Fromme, der ein Dichter ist, wie sollten sie, ihrem höchsten Berufe folgend, auf¬ hören diese Begabten zu sein? wie dürften sie jemals diese edlen Gaben verwerfen oder verläugnen, ohne das ganze Gewebe der ihnen verliehenen Eigenschaften zu zerreißen? Wo diese Gaben wahrhaft vorhanden sind, da müssen sie den Geist überall begleiten, und es wird immer ein erfreuender Anblick sein, die höchste Bildung der Kunst, die Anmuth und Lieblichkeit des Vortrags, den Zauber der Poesie, sich den schmucklosen Ergeb¬
reichen Schatzkammern allem Erſcheinenden darbietet. Die hoͤchſten Ergebniſſe des Denkens, die reinſten Ueber¬ zeugungen der Religion, wirken unmittelbar durch ihr eigenſtes Weſen, ohne Beimiſchung kuͤnſtlichen Vortrags, der das einfache ſtarke Licht durch die Mannigfaltigkeit bunter Farben in vielen Faͤllen ſogar verdunkeln wuͤrde. Die Kunſt hinwieder weiß jene Wahrheiten, mit denen ſie im tiefſten Einverſtaͤndniſſe lebt, eben ſo wenig fuͤr ſich als Schmuck und Huͤlfe zu benutzen; und ein Bund der Kirche mit den Kuͤnſten, den man zu ſolchem Be¬ hufe wechſelſeitigen Leiſtens oft genug verkehrterweiſe hat ſchließen wollen, iſt immer ein unfruchtbarer ge¬ blieben. Doch wird eine Vereinigung beider Gebiete deßhalb nicht entbehrt, ſondern nur in andrer Art, als jener aushuͤlflichen, bewirkt, indem keines derſelben ſich an das andre veraͤußert, ſondern beide ſelbſtſtaͤndig in dem reinſten menſchlichen Antriebe zuſammenfließen. Der Weiſe, der ein Kuͤnſtler, der Fromme, der ein Dichter iſt, wie ſollten ſie, ihrem hoͤchſten Berufe folgend, auf¬ hoͤren dieſe Begabten zu ſein? wie duͤrften ſie jemals dieſe edlen Gaben verwerfen oder verlaͤugnen, ohne das ganze Gewebe der ihnen verliehenen Eigenſchaften zu zerreißen? Wo dieſe Gaben wahrhaft vorhanden ſind, da muͤſſen ſie den Geiſt uͤberall begleiten, und es wird immer ein erfreuender Anblick ſein, die hoͤchſte Bildung der Kunſt, die Anmuth und Lieblichkeit des Vortrags, den Zauber der Poeſie, ſich den ſchmuckloſen Ergeb¬
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[416/0430]
reichen Schatzkammern allem Erſcheinenden darbietet.
Die hoͤchſten Ergebniſſe des Denkens, die reinſten Ueber¬
zeugungen der Religion, wirken unmittelbar durch ihr
eigenſtes Weſen, ohne Beimiſchung kuͤnſtlichen Vortrags,
der das einfache ſtarke Licht durch die Mannigfaltigkeit
bunter Farben in vielen Faͤllen ſogar verdunkeln wuͤrde.
Die Kunſt hinwieder weiß jene Wahrheiten, mit denen
ſie im tiefſten Einverſtaͤndniſſe lebt, eben ſo wenig fuͤr
ſich als Schmuck und Huͤlfe zu benutzen; und ein Bund
der Kirche mit den Kuͤnſten, den man zu ſolchem Be¬
hufe wechſelſeitigen Leiſtens oft genug verkehrterweiſe
hat ſchließen wollen, iſt immer ein unfruchtbarer ge¬
blieben. Doch wird eine Vereinigung beider Gebiete
deßhalb nicht entbehrt, ſondern nur in andrer Art, als
jener aushuͤlflichen, bewirkt, indem keines derſelben ſich
an das andre veraͤußert, ſondern beide ſelbſtſtaͤndig in
dem reinſten menſchlichen Antriebe zuſammenfließen. Der
Weiſe, der ein Kuͤnſtler, der Fromme, der ein Dichter
iſt, wie ſollten ſie, ihrem hoͤchſten Berufe folgend, auf¬
hoͤren dieſe Begabten zu ſein? wie duͤrften ſie jemals
dieſe edlen Gaben verwerfen oder verlaͤugnen, ohne das
ganze Gewebe der ihnen verliehenen Eigenſchaften zu
zerreißen? Wo dieſe Gaben wahrhaft vorhanden ſind,
da muͤſſen ſie den Geiſt uͤberall begleiten, und es wird
immer ein erfreuender Anblick ſein, die hoͤchſte Bildung
der Kunſt, die Anmuth und Lieblichkeit des Vortrags,
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837, S. 416. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/430>, abgerufen am 22.11.2024.
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