glauben; vereinigte sich aber bald in Lob und Beach¬ tung des aus seinem bisherigen Inkognito hervorge¬ tretenen Dichters, und ich genoß die reinste Freude, in Wilhelm Neumann einen so würdigen als fähigen Freund erworben zu haben. Daß er eine Neigung im Herzen hegte, war nicht aus seinen Gedichten allein zu ge¬ wahren; seine Gewöhnung zu schweigen ließ jedoch kei¬ nen näheren Aufschluß erfolgen, erst ein Jahr später wurde dieser mir durch unglückliche Umstände enthüllt; inzwischen war die ganze Gemüths- und Geistesstim¬ mung von dieser innern Wärme belebt und erhöht.
Neues Zuströmen erfolgte zu diesen schon anschwel¬ lenden poetischen und sentimentalen Fluthen durch die Bekanntschaft, die mir nach einiger Zeit in Charlotten¬ burg mit einem preußischen Offizier zu Theil wurde, der, auf die ersten leisen, gleichsam freimaurerischen Zeichen einer solchen Brüderschaft, ebenfalls ganz un¬ vermuthet sich mir als Dichter enthüllte, und zwar als einer von der seltsamsten Art, die größtentheils schon darin begründet lag, daß dieser deutsche Dichter eigent¬ lich ein Franzose war. Herr von Chamisso hatte als Knabe mit seinen Aeltern die Heimath beim Ausbruche der Revolution verlassen, war als Emigrirter nach Ber¬ lin gekommen, hier bei der verwittweten Königin als Page und darauf als Offizier im Infanterieregiment von Götz angestellt worden, und in diesem Verhältnisse ge¬ blieben, während seine Familie, gleich den meisten andern
glauben; vereinigte ſich aber bald in Lob und Beach¬ tung des aus ſeinem bisherigen Inkognito hervorge¬ tretenen Dichters, und ich genoß die reinſte Freude, in Wilhelm Neumann einen ſo wuͤrdigen als faͤhigen Freund erworben zu haben. Daß er eine Neigung im Herzen hegte, war nicht aus ſeinen Gedichten allein zu ge¬ wahren; ſeine Gewoͤhnung zu ſchweigen ließ jedoch kei¬ nen naͤheren Aufſchluß erfolgen, erſt ein Jahr ſpaͤter wurde dieſer mir durch ungluͤckliche Umſtaͤnde enthuͤllt; inzwiſchen war die ganze Gemuͤths- und Geiſtesſtim¬ mung von dieſer innern Waͤrme belebt und erhoͤht.
Neues Zuſtroͤmen erfolgte zu dieſen ſchon anſchwel¬ lenden poetiſchen und ſentimentalen Fluthen durch die Bekanntſchaft, die mir nach einiger Zeit in Charlotten¬ burg mit einem preußiſchen Offizier zu Theil wurde, der, auf die erſten leiſen, gleichſam freimaureriſchen Zeichen einer ſolchen Bruͤderſchaft, ebenfalls ganz un¬ vermuthet ſich mir als Dichter enthuͤllte, und zwar als einer von der ſeltſamſten Art, die groͤßtentheils ſchon darin begruͤndet lag, daß dieſer deutſche Dichter eigent¬ lich ein Franzoſe war. Herr von Chamiſſo hatte als Knabe mit ſeinen Aeltern die Heimath beim Ausbruche der Revolution verlaſſen, war als Emigrirter nach Ber¬ lin gekommen, hier bei der verwittweten Koͤnigin als Page und darauf als Offizier im Infanterieregiment von Goͤtz angeſtellt worden, und in dieſem Verhaͤltniſſe ge¬ blieben, waͤhrend ſeine Familie, gleich den meiſten andern
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glauben; vereinigte ſich aber bald in Lob und Beach¬
tung des aus ſeinem bisherigen Inkognito hervorge¬
tretenen Dichters, und ich genoß die reinſte Freude, in
Wilhelm Neumann einen ſo wuͤrdigen als faͤhigen Freund
erworben zu haben. Daß er eine Neigung im Herzen
hegte, war nicht aus ſeinen Gedichten allein zu ge¬
wahren; ſeine Gewoͤhnung zu ſchweigen ließ jedoch kei¬
nen naͤheren Aufſchluß erfolgen, erſt ein Jahr ſpaͤter
wurde dieſer mir durch ungluͤckliche Umſtaͤnde enthuͤllt;
inzwiſchen war die ganze Gemuͤths- und Geiſtesſtim¬
mung von dieſer innern Waͤrme belebt und erhoͤht.
Neues Zuſtroͤmen erfolgte zu dieſen ſchon anſchwel¬
lenden poetiſchen und ſentimentalen Fluthen durch die
Bekanntſchaft, die mir nach einiger Zeit in Charlotten¬
burg mit einem preußiſchen Offizier zu Theil wurde,
der, auf die erſten leiſen, gleichſam freimaureriſchen
Zeichen einer ſolchen Bruͤderſchaft, ebenfalls ganz un¬
vermuthet ſich mir als Dichter enthuͤllte, und zwar als
einer von der ſeltſamſten Art, die groͤßtentheils ſchon
darin begruͤndet lag, daß dieſer deutſche Dichter eigent¬
lich ein Franzoſe war. Herr von Chamiſſo hatte als
Knabe mit ſeinen Aeltern die Heimath beim Ausbruche
der Revolution verlaſſen, war als Emigrirter nach Ber¬
lin gekommen, hier bei der verwittweten Koͤnigin als
Page und darauf als Offizier im Infanterieregiment von
Goͤtz angeſtellt worden, und in dieſem Verhaͤltniſſe ge¬
blieben, waͤhrend ſeine Familie, gleich den meiſten andern
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/43>, abgerufen am 21.11.2024.
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