weniger, und nähren gar nicht. Dazu kommt noch der große Uebelstand, daß die meisten Namen, an die sich irgend ein vorübergehender Reiz knüpfen will, fast immer nur mit Buchstaben und Sternchen angedeutet sind, für den nicht schon unterrichteten Leser eine wahre Qual, denn hundert Vorstellungen und Beziehungen, die er mit dem wirklichen Namen allenfalls verbinden und dadurch das Erzählte beleben und erhöhen könnte, müssen nun unterbleiben, und er bewegt sich zwischen Masken und Räthseln fort, deren Lösung ihm aus dem Buch allein nicht werden kann. Zu rügen ist daneben noch die Ungenauigkeit in Beschreibung der wirklich mitge¬ theilten Namen; auf der ersten Seite wird des Grafen Hofmeister irrig Leisering genannt; er hieß aber Leuch¬ senring, ein schon aus Goethe's Leben und aus Jakobi's Briefwechsel sehr bekannter Name, und es hätte sich über den Mann, der als ein sentimentaler Ordensstifter aus dem Reich nach Berlin kam, von da den Baron Labes (nachherigen Grafen von Schlitz) auf Reisen beglei¬ tete, nachher eine Hofdame heirathete, und mit dieser aus Liebe zum Jakobinerthum nach Paris ging, wo er unter der Kaiserregierung und Restauration ein herbes dunkles Leben führte, und im Jahre 1827 starb, noch viel Merkwürdiges sagen lassen, so daß der Leser gleich anfangs auf den interessantesten Boden gestellt gewesen wäre. Aus dem Gebiete der eigentlichen Staatssachen ist uns nichts vorgekommen, was als erheblich und neu
weniger, und naͤhren gar nicht. Dazu kommt noch der große Uebelſtand, daß die meiſten Namen, an die ſich irgend ein voruͤbergehender Reiz knuͤpfen will, faſt immer nur mit Buchſtaben und Sternchen angedeutet ſind, fuͤr den nicht ſchon unterrichteten Leſer eine wahre Qual, denn hundert Vorſtellungen und Beziehungen, die er mit dem wirklichen Namen allenfalls verbinden und dadurch das Erzaͤhlte beleben und erhoͤhen koͤnnte, muͤſſen nun unterbleiben, und er bewegt ſich zwiſchen Masken und Raͤthſeln fort, deren Loͤſung ihm aus dem Buch allein nicht werden kann. Zu ruͤgen iſt daneben noch die Ungenauigkeit in Beſchreibung der wirklich mitge¬ theilten Namen; auf der erſten Seite wird des Grafen Hofmeiſter irrig Leiſering genannt; er hieß aber Leuch¬ ſenring, ein ſchon aus Goethe’s Leben und aus Jakobi’s Briefwechſel ſehr bekannter Name, und es haͤtte ſich uͤber den Mann, der als ein ſentimentaler Ordensſtifter aus dem Reich nach Berlin kam, von da den Baron Labes (nachherigen Grafen von Schlitz) auf Reiſen beglei¬ tete, nachher eine Hofdame heirathete, und mit dieſer aus Liebe zum Jakobinerthum nach Paris ging, wo er unter der Kaiſerregierung und Reſtauration ein herbes dunkles Leben fuͤhrte, und im Jahre 1827 ſtarb, noch viel Merkwuͤrdiges ſagen laſſen, ſo daß der Leſer gleich anfangs auf den intereſſanteſten Boden geſtellt geweſen waͤre. Aus dem Gebiete der eigentlichen Staatsſachen iſt uns nichts vorgekommen, was als erheblich und neu
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weniger, und naͤhren gar nicht. Dazu kommt noch der
große Uebelſtand, daß die meiſten Namen, an die ſich
irgend ein voruͤbergehender Reiz knuͤpfen will, faſt immer
nur mit Buchſtaben und Sternchen angedeutet ſind,
fuͤr den nicht ſchon unterrichteten Leſer eine wahre Qual,
denn hundert Vorſtellungen und Beziehungen, die er
mit dem wirklichen Namen allenfalls verbinden und
dadurch das Erzaͤhlte beleben und erhoͤhen koͤnnte, muͤſſen
nun unterbleiben, und er bewegt ſich zwiſchen Masken
und Raͤthſeln fort, deren Loͤſung ihm aus dem Buch
allein nicht werden kann. Zu ruͤgen iſt daneben noch
die Ungenauigkeit in Beſchreibung der wirklich mitge¬
theilten Namen; auf der erſten Seite wird des Grafen
Hofmeiſter irrig Leiſering genannt; er hieß aber Leuch¬
ſenring, ein ſchon aus Goethe’s Leben und aus Jakobi’s
Briefwechſel ſehr bekannter Name, und es haͤtte ſich
uͤber den Mann, der als ein ſentimentaler Ordensſtifter
aus dem Reich nach Berlin kam, von da den Baron
Labes (nachherigen Grafen von Schlitz) auf Reiſen beglei¬
tete, nachher eine Hofdame heirathete, und mit dieſer
aus Liebe zum Jakobinerthum nach Paris ging, wo
er unter der Kaiſerregierung und Reſtauration ein herbes
dunkles Leben fuͤhrte, und im Jahre 1827 ſtarb, noch
viel Merkwuͤrdiges ſagen laſſen, ſo daß der Leſer gleich
anfangs auf den intereſſanteſten Boden geſtellt geweſen
waͤre. Aus dem Gebiete der eigentlichen Staatsſachen
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837, S. 394. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/408>, abgerufen am 23.11.2024.
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