Eine Hauptfrage, ob diese Dichtwerke die Eigen¬ schaft, auf die es hier vor allem ankommt, besitzen, ob sie den Vorzug haben, wahrhaft dramatisch zu sein, müssen wir nach einigem Bedenken denn doch bejahen. Besonders kommt dieser Name dem Tauerspiel "Pe¬ trarca" zu, worin das Geschick eines Dichters, nach Goethe's "Tasso" wahrlich kühn und neu und glücklich genug in dieser Gestalt, mit tragischer Lebensfülle dar¬ gestellt wird. "Das Thal von Ronceval" steht diesem zunächst an dramatischem Verdienst, zuletzt "Edwin," welches der Entstehung nach leicht das erste sein dürfte. Wenn wir die Frage nach dem Dramatischen nur nach einigem Bedenken bejahten, so mag daran das stö¬ rende Verhältniß Schuld sein, in welchem die Elemente dieser Gattung des romantischen Trauerspiels hier noch zu einander stehen. Sie durchdringen einander nicht, sie walten zu sehr neben einander. Das Komische, bei sehr guten, ja bei ganz vortrefflichen Einzelheiten, ist im Ganzen nicht reif, und mit dem Ernste noch nicht zum wahren Humor verknüpft, daher manche Theile und Gestalten sich zu viel herausnehmen, und dadurch andere Theile und Gestalten zu sehr in das Epische niederdrücken. Wir haben so viele äußerlich dramatische Werke, die es innerlich nicht sind, die blos Romanzen bleiben wollten, oder Idyllen. Vor solcher Gefahr, welcher selbst Oehlenschläger nicht ganz und Fouque am wenigsten entgangen, ist unser Verfasser, der gutes
Eine Hauptfrage, ob dieſe Dichtwerke die Eigen¬ ſchaft, auf die es hier vor allem ankommt, beſitzen, ob ſie den Vorzug haben, wahrhaft dramatiſch zu ſein, muͤſſen wir nach einigem Bedenken denn doch bejahen. Beſonders kommt dieſer Name dem Tauerſpiel „Pe¬ trarca“ zu, worin das Geſchick eines Dichters, nach Goethe's „Taſſo“ wahrlich kuͤhn und neu und gluͤcklich genug in dieſer Geſtalt, mit tragiſcher Lebensfuͤlle dar¬ geſtellt wird. „Das Thal von Ronceval“ ſteht dieſem zunaͤchſt an dramatiſchem Verdienſt, zuletzt „Edwin,“ welches der Entſtehung nach leicht das erſte ſein duͤrfte. Wenn wir die Frage nach dem Dramatiſchen nur nach einigem Bedenken bejahten, ſo mag daran das ſtoͤ¬ rende Verhaͤltniß Schuld ſein, in welchem die Elemente dieſer Gattung des romantiſchen Trauerſpiels hier noch zu einander ſtehen. Sie durchdringen einander nicht, ſie walten zu ſehr neben einander. Das Komiſche, bei ſehr guten, ja bei ganz vortrefflichen Einzelheiten, iſt im Ganzen nicht reif, und mit dem Ernſte noch nicht zum wahren Humor verknuͤpft, daher manche Theile und Geſtalten ſich zu viel herausnehmen, und dadurch andere Theile und Geſtalten zu ſehr in das Epiſche niederdruͤcken. Wir haben ſo viele aͤußerlich dramatiſche Werke, die es innerlich nicht ſind, die blos Romanzen bleiben wollten, oder Idyllen. Vor ſolcher Gefahr, welcher ſelbſt Oehlenſchlaͤger nicht ganz und Fouqué am wenigſten entgangen, iſt unſer Verfaſſer, der gutes
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Eine Hauptfrage, ob dieſe Dichtwerke die Eigen¬
ſchaft, auf die es hier vor allem ankommt, beſitzen, ob
ſie den Vorzug haben, wahrhaft dramatiſch zu ſein,
muͤſſen wir nach einigem Bedenken denn doch bejahen.
Beſonders kommt dieſer Name dem Tauerſpiel „Pe¬
trarca“ zu, worin das Geſchick eines Dichters, nach
Goethe's „Taſſo“ wahrlich kuͤhn und neu und gluͤcklich
genug in dieſer Geſtalt, mit tragiſcher Lebensfuͤlle dar¬
geſtellt wird. „Das Thal von Ronceval“ ſteht dieſem
zunaͤchſt an dramatiſchem Verdienſt, zuletzt „Edwin,“
welches der Entſtehung nach leicht das erſte ſein duͤrfte.
Wenn wir die Frage nach dem Dramatiſchen nur nach
einigem Bedenken bejahten, ſo mag daran das ſtoͤ¬
rende Verhaͤltniß Schuld ſein, in welchem die Elemente
dieſer Gattung des romantiſchen Trauerſpiels hier noch
zu einander ſtehen. Sie durchdringen einander nicht,
ſie walten zu ſehr neben einander. Das Komiſche, bei
ſehr guten, ja bei ganz vortrefflichen Einzelheiten, iſt
im Ganzen nicht reif, und mit dem Ernſte noch nicht
zum wahren Humor verknuͤpft, daher manche Theile
und Geſtalten ſich zu viel herausnehmen, und dadurch
andere Theile und Geſtalten zu ſehr in das Epiſche
niederdruͤcken. Wir haben ſo viele aͤußerlich dramatiſche
Werke, die es innerlich nicht ſind, die blos Romanzen
bleiben wollten, oder Idyllen. Vor ſolcher Gefahr,
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wenigſten entgangen, iſt unſer Verfaſſer, der gutes
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837, S. 343. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/357>, abgerufen am 24.11.2024.
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