und der Nachdruck der Worte kommt vom Kaiser, nicht vom Redner. Mehrere glückliche Einfälle, welche die Herumträger seines Hofes ihm zuzuschreiben pflegten, gehörten Andern an, die ihr geistiges Eigenthum, das der Kaiser einsteckte, ehrfurchtsvoll verläugneten. Sprach er anhaltend, in größerer Fülle der Mittheilung, wie er dies auch oft liebte, und sich dann gränzenlos in Redensarten erging, Thatsachen und Gründe mit größter Geläufigkeit aufeinander häufend, so vermißte man nur allzusehr Ordnung und Folge, Klarheit und Festigkeit der Begriffe; nur seine Zwecke und Absichten verlor er dabei nicht aus dem Auge, wiewohl er dieselben am wenigsten durch seine Reden, sondern sichrer durch andre Mittel, durch seine Ueberlegenheit als Feldherr und durch das eiserne Machtgebot seines Willens erreichte. In diesen Eigenschaften ist seine wahrhafte Größe, und man braucht ihm keine andre anzudichten, um in ihm stets einen der außerordentlichsten Menschen zu sehen, welche jemals erschienen sind. Die Gabe schöner Rede und anmuthigen Ausdrucks, deren Alexander, Cäsar und Friedrich theilhaft waren, hatte sich Napoleons Eigen¬ genschaften nicht gesellen können, sein Geist widersprach ihr, und noch mehr sein Gemüth.
Deßhalb, weil er auf diesem Gebiete gar keine Waffen hatte, und nichts erwiedern konnte, war Napo¬ leon auch so über alle Maßen empfindlich und aufge¬
und der Nachdruck der Worte kommt vom Kaiſer, nicht vom Redner. Mehrere gluͤckliche Einfaͤlle, welche die Herumtraͤger ſeines Hofes ihm zuzuſchreiben pflegten, gehoͤrten Andern an, die ihr geiſtiges Eigenthum, das der Kaiſer einſteckte, ehrfurchtsvoll verlaͤugneten. Sprach er anhaltend, in groͤßerer Fuͤlle der Mittheilung, wie er dies auch oft liebte, und ſich dann graͤnzenlos in Redensarten erging, Thatſachen und Gruͤnde mit groͤßter Gelaͤufigkeit aufeinander haͤufend, ſo vermißte man nur allzuſehr Ordnung und Folge, Klarheit und Feſtigkeit der Begriffe; nur ſeine Zwecke und Abſichten verlor er dabei nicht aus dem Auge, wiewohl er dieſelben am wenigſten durch ſeine Reden, ſondern ſichrer durch andre Mittel, durch ſeine Ueberlegenheit als Feldherr und durch das eiſerne Machtgebot ſeines Willens erreichte. In dieſen Eigenſchaften iſt ſeine wahrhafte Groͤße, und man braucht ihm keine andre anzudichten, um in ihm ſtets einen der außerordentlichſten Menſchen zu ſehen, welche jemals erſchienen ſind. Die Gabe ſchoͤner Rede und anmuthigen Ausdrucks, deren Alexander, Caͤſar und Friedrich theilhaft waren, hatte ſich Napoleons Eigen¬ genſchaften nicht geſellen koͤnnen, ſein Geiſt widerſprach ihr, und noch mehr ſein Gemuͤth.
Deßhalb, weil er auf dieſem Gebiete gar keine Waffen hatte, und nichts erwiedern konnte, war Napo¬ leon auch ſo uͤber alle Maßen empfindlich und aufge¬
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0318"n="304"/>
und der Nachdruck der Worte kommt vom Kaiſer, nicht<lb/>
vom Redner. Mehrere gluͤckliche Einfaͤlle, welche die<lb/>
Herumtraͤger ſeines Hofes ihm zuzuſchreiben pflegten,<lb/>
gehoͤrten Andern an, die ihr geiſtiges Eigenthum, das<lb/>
der Kaiſer einſteckte, ehrfurchtsvoll verlaͤugneten. Sprach<lb/>
er anhaltend, in groͤßerer Fuͤlle der Mittheilung, wie<lb/>
er dies auch oft liebte, und ſich dann graͤnzenlos in<lb/>
Redensarten erging, Thatſachen und Gruͤnde mit groͤßter<lb/>
Gelaͤufigkeit aufeinander haͤufend, ſo vermißte man nur<lb/>
allzuſehr Ordnung und Folge, Klarheit und Feſtigkeit<lb/>
der Begriffe; nur ſeine Zwecke und Abſichten verlor er<lb/>
dabei nicht aus dem Auge, wiewohl er dieſelben am<lb/>
wenigſten durch ſeine Reden, ſondern ſichrer durch andre<lb/>
Mittel, durch ſeine Ueberlegenheit als Feldherr und<lb/>
durch das eiſerne Machtgebot ſeines Willens erreichte.<lb/>
In dieſen Eigenſchaften iſt ſeine wahrhafte Groͤße, und<lb/>
man braucht ihm keine andre anzudichten, um in ihm<lb/>ſtets einen der außerordentlichſten Menſchen zu ſehen,<lb/>
welche jemals erſchienen ſind. Die Gabe ſchoͤner Rede<lb/>
und anmuthigen Ausdrucks, deren Alexander, Caͤſar und<lb/>
Friedrich theilhaft waren, hatte ſich Napoleons Eigen¬<lb/>
genſchaften nicht geſellen koͤnnen, ſein Geiſt widerſprach<lb/>
ihr, und noch mehr ſein Gemuͤth.</p><lb/><p>Deßhalb, weil er auf dieſem Gebiete gar keine<lb/>
Waffen hatte, und nichts erwiedern konnte, war Napo¬<lb/>
leon auch ſo uͤber alle Maßen empfindlich und aufge¬<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[304/0318]
und der Nachdruck der Worte kommt vom Kaiſer, nicht
vom Redner. Mehrere gluͤckliche Einfaͤlle, welche die
Herumtraͤger ſeines Hofes ihm zuzuſchreiben pflegten,
gehoͤrten Andern an, die ihr geiſtiges Eigenthum, das
der Kaiſer einſteckte, ehrfurchtsvoll verlaͤugneten. Sprach
er anhaltend, in groͤßerer Fuͤlle der Mittheilung, wie
er dies auch oft liebte, und ſich dann graͤnzenlos in
Redensarten erging, Thatſachen und Gruͤnde mit groͤßter
Gelaͤufigkeit aufeinander haͤufend, ſo vermißte man nur
allzuſehr Ordnung und Folge, Klarheit und Feſtigkeit
der Begriffe; nur ſeine Zwecke und Abſichten verlor er
dabei nicht aus dem Auge, wiewohl er dieſelben am
wenigſten durch ſeine Reden, ſondern ſichrer durch andre
Mittel, durch ſeine Ueberlegenheit als Feldherr und
durch das eiſerne Machtgebot ſeines Willens erreichte.
In dieſen Eigenſchaften iſt ſeine wahrhafte Groͤße, und
man braucht ihm keine andre anzudichten, um in ihm
ſtets einen der außerordentlichſten Menſchen zu ſehen,
welche jemals erſchienen ſind. Die Gabe ſchoͤner Rede
und anmuthigen Ausdrucks, deren Alexander, Caͤſar und
Friedrich theilhaft waren, hatte ſich Napoleons Eigen¬
genſchaften nicht geſellen koͤnnen, ſein Geiſt widerſprach
ihr, und noch mehr ſein Gemuͤth.
Deßhalb, weil er auf dieſem Gebiete gar keine
Waffen hatte, und nichts erwiedern konnte, war Napo¬
leon auch ſo uͤber alle Maßen empfindlich und aufge¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837, S. 304. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/318>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.