Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite

an Holland gelegene Gegend genannt hatte, rief Na¬
poleon im Weggehn halb trotzig und halb freudig: "Ah!
je sais bien
, c'est du Nord, c'est de la Hollande!"

Nicht so glücklich traf er es mit Lacepede in der Natu¬
raliensammlung, dort sah er die Giraffe für einen Vogel
an, und pries das langhalsige Thier als solchen sogar
seiner Gemahlin, welche mit Lacepede über den Irrthum
des Kaisers ganz ängstlich wurde, so daß dieser, dadurch
aufmerksam gemacht, in seiner Rede unwillig abbrach,
und außerordentlich mißvergnügt davonging. Der klein¬
liche Eifer, mit dem Napoleon auch in dem Kreise der
geselligen Mittheilung, der ihm ganz fremd ist, bewun¬
dert zu sein strebt, war sehr oft gradezu lächerlich, es
mißlang ihm hier alles in dem Grade, als ihm in andern
Dingen, zu unsem Unglück, alles gelang. Er liebte
zwar eigentlich nur, den Menschen etwas Beleidigendes
oder wenigstens Unangenehmes zu sagen, allein auch
dann, wenn er etwas anderes sagen wollte, brachte
er es höchstens zum Unbedeutenden, und da traf es
sich wohl einmal, daß er einer ganzen Reihe von Damen,
wie ich in Saint-Cloud selber mit anhörte, zwanzig¬
mal nur immer dasselbe Wort wiederholte: "Il fait
chaud
."

Wahr ist es, man führt sehr kräftige Machtworte
von ihm an, und seine Befehle sind meistens streng und
kurz; allein selbst darin ist mehr die Macht bedeutend,

an Holland gelegene Gegend genannt hatte, rief Na¬
poleon im Weggehn halb trotzig und halb freudig: „Ah!
je sais bien
, c'est du Nord, c'est de la Hollande!

Nicht ſo gluͤcklich traf er es mit Lacepede in der Natu¬
ralienſammlung, dort ſah er die Giraffe fuͤr einen Vogel
an, und pries das langhalſige Thier als ſolchen ſogar
ſeiner Gemahlin, welche mit Lacepede uͤber den Irrthum
des Kaiſers ganz aͤngſtlich wurde, ſo daß dieſer, dadurch
aufmerkſam gemacht, in ſeiner Rede unwillig abbrach,
und außerordentlich mißvergnuͤgt davonging. Der klein¬
liche Eifer, mit dem Napoleon auch in dem Kreiſe der
geſelligen Mittheilung, der ihm ganz fremd iſt, bewun¬
dert zu ſein ſtrebt, war ſehr oft gradezu laͤcherlich, es
mißlang ihm hier alles in dem Grade, als ihm in andern
Dingen, zu unſem Ungluͤck, alles gelang. Er liebte
zwar eigentlich nur, den Menſchen etwas Beleidigendes
oder wenigſtens Unangenehmes zu ſagen, allein auch
dann, wenn er etwas anderes ſagen wollte, brachte
er es hoͤchſtens zum Unbedeutenden, und da traf es
ſich wohl einmal, daß er einer ganzen Reihe von Damen,
wie ich in Saint-Cloud ſelber mit anhoͤrte, zwanzig¬
mal nur immer daſſelbe Wort wiederholte: „Il fait
chaud
.“

Wahr iſt es, man fuͤhrt ſehr kraͤftige Machtworte
von ihm an, und ſeine Befehle ſind meiſtens ſtreng und
kurz; allein ſelbſt darin iſt mehr die Macht bedeutend,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0317" n="303"/>
an Holland gelegene Gegend genannt hatte, rief Na¬<lb/>
poleon im Weggehn halb trotzig und halb freudig: &#x201E;<hi rendition="#aq">Ah!<lb/>
je sais bien</hi>, <hi rendition="#aq">c'est du Nord, c'est de la Hollande!</hi>&#x201C;</p><lb/>
          <p>Nicht &#x017F;o glu&#x0364;cklich traf er es mit Lacepede in der Natu¬<lb/>
ralien&#x017F;ammlung, dort &#x017F;ah er die Giraffe fu&#x0364;r einen Vogel<lb/>
an, und pries das langhal&#x017F;ige Thier als &#x017F;olchen &#x017F;ogar<lb/>
&#x017F;einer Gemahlin, welche mit Lacepede u&#x0364;ber den Irrthum<lb/>
des Kai&#x017F;ers ganz a&#x0364;ng&#x017F;tlich wurde, &#x017F;o daß die&#x017F;er, dadurch<lb/>
aufmerk&#x017F;am gemacht, in &#x017F;einer Rede unwillig abbrach,<lb/>
und außerordentlich mißvergnu&#x0364;gt davonging. Der klein¬<lb/>
liche Eifer, mit dem Napoleon auch in dem Krei&#x017F;e der<lb/>
ge&#x017F;elligen Mittheilung, der ihm ganz fremd i&#x017F;t, bewun¬<lb/>
dert zu &#x017F;ein &#x017F;trebt, war &#x017F;ehr oft gradezu la&#x0364;cherlich, es<lb/>
mißlang ihm hier alles in dem Grade, als ihm in andern<lb/>
Dingen, zu un&#x017F;em Unglu&#x0364;ck, alles gelang. Er liebte<lb/>
zwar eigentlich nur, den Men&#x017F;chen etwas Beleidigendes<lb/>
oder wenig&#x017F;tens Unangenehmes zu &#x017F;agen, allein auch<lb/>
dann, wenn er etwas anderes &#x017F;agen <hi rendition="#g">wollte</hi>, brachte<lb/>
er es ho&#x0364;ch&#x017F;tens zum Unbedeutenden, und da traf es<lb/>
&#x017F;ich wohl einmal, daß er einer ganzen Reihe von Damen,<lb/>
wie ich in Saint-Cloud &#x017F;elber mit anho&#x0364;rte, zwanzig¬<lb/>
mal nur immer da&#x017F;&#x017F;elbe Wort wiederholte: &#x201E;<hi rendition="#aq">Il fait<lb/>
chaud</hi>.&#x201C;</p><lb/>
          <p>Wahr i&#x017F;t es, man fu&#x0364;hrt &#x017F;ehr kra&#x0364;ftige Machtworte<lb/>
von ihm an, und &#x017F;eine Befehle &#x017F;ind mei&#x017F;tens &#x017F;treng und<lb/>
kurz; allein &#x017F;elb&#x017F;t darin i&#x017F;t mehr die Macht bedeutend,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[303/0317] an Holland gelegene Gegend genannt hatte, rief Na¬ poleon im Weggehn halb trotzig und halb freudig: „Ah! je sais bien, c'est du Nord, c'est de la Hollande!“ Nicht ſo gluͤcklich traf er es mit Lacepede in der Natu¬ ralienſammlung, dort ſah er die Giraffe fuͤr einen Vogel an, und pries das langhalſige Thier als ſolchen ſogar ſeiner Gemahlin, welche mit Lacepede uͤber den Irrthum des Kaiſers ganz aͤngſtlich wurde, ſo daß dieſer, dadurch aufmerkſam gemacht, in ſeiner Rede unwillig abbrach, und außerordentlich mißvergnuͤgt davonging. Der klein¬ liche Eifer, mit dem Napoleon auch in dem Kreiſe der geſelligen Mittheilung, der ihm ganz fremd iſt, bewun¬ dert zu ſein ſtrebt, war ſehr oft gradezu laͤcherlich, es mißlang ihm hier alles in dem Grade, als ihm in andern Dingen, zu unſem Ungluͤck, alles gelang. Er liebte zwar eigentlich nur, den Menſchen etwas Beleidigendes oder wenigſtens Unangenehmes zu ſagen, allein auch dann, wenn er etwas anderes ſagen wollte, brachte er es hoͤchſtens zum Unbedeutenden, und da traf es ſich wohl einmal, daß er einer ganzen Reihe von Damen, wie ich in Saint-Cloud ſelber mit anhoͤrte, zwanzig¬ mal nur immer daſſelbe Wort wiederholte: „Il fait chaud.“ Wahr iſt es, man fuͤhrt ſehr kraͤftige Machtworte von ihm an, und ſeine Befehle ſind meiſtens ſtreng und kurz; allein ſelbſt darin iſt mehr die Macht bedeutend,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/317
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837, S. 303. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/317>, abgerufen am 11.05.2024.