Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite

ein bestimmter Eindruck hätte werden können. Bei dem
Feste des Fürsten von Schwarzenberg hatte sich mir
der Anblick des Mannes in dem Sturme der entsetz¬
lichen Vorgänge, welche dieses Fest unterbrachen, wieder
verdunkelt. Ich nehme daher an, daß ich ihn zuerst
an dem Tage gesehen, wo ich ihn recht gesehen, nah
und bequem, und hinreichend lange, an dem Tage jener
Vorstellung. Die häufige Gelegenheit, die sich mir seit¬
dem erneute, in den Tuilerien und in Saint-Cloud,
-- an letzterem Orte besonders bei den herrlichen, nur
für den Kaiser und seine Hofgäste bestimmten Bühnen¬
darstellungen, wo Talma, Fleury und die Raucourt
glänzten, -- diente nur dazu, jenen Haupteindruck zu
befestigen und gleichsam auszuarbeiten.

Wir waren nach den Tuilerien gefahren und kamen
durch ein großes Gedränge von Garden und Volk in
ein Gemach, von welchem ich unter dem Namen der
Salle des ambassadeurs schon gehört hatte. Die Art,
wie hier in dem engen, übelverzierten Pferch so viele
erlauchte Personen dicht zusammengedrängt standen, hatte
etwas lächerlich Beleidigendes, woran die Scherze der
Pariser sich gar zu gern übten. Die reichsten Uniformen
und Staatskleider arbeiteten sich mit Mühe und Sorge
durcheinander hin und her, von Kaiserlichen Livreen
untermischt, die im Gedränge Erfrischungen ausriefen,
und durch die nahe Gefahr immer ihre Nächsten in allen
Bewegungen gleichsam suspendirten. Das Gespräch war

ein beſtimmter Eindruck haͤtte werden koͤnnen. Bei dem
Feſte des Fuͤrſten von Schwarzenberg hatte ſich mir
der Anblick des Mannes in dem Sturme der entſetz¬
lichen Vorgaͤnge, welche dieſes Feſt unterbrachen, wieder
verdunkelt. Ich nehme daher an, daß ich ihn zuerſt
an dem Tage geſehen, wo ich ihn recht geſehen, nah
und bequem, und hinreichend lange, an dem Tage jener
Vorſtellung. Die haͤufige Gelegenheit, die ſich mir ſeit¬
dem erneute, in den Tuilerien und in Saint-Cloud,
— an letzterem Orte beſonders bei den herrlichen, nur
fuͤr den Kaiſer und ſeine Hofgaͤſte beſtimmten Buͤhnen¬
darſtellungen, wo Talma, Fleury und die Raucourt
glaͤnzten, — diente nur dazu, jenen Haupteindruck zu
befeſtigen und gleichſam auszuarbeiten.

Wir waren nach den Tuilerien gefahren und kamen
durch ein großes Gedraͤnge von Garden und Volk in
ein Gemach, von welchem ich unter dem Namen der
Salle des ambassadeurs ſchon gehoͤrt hatte. Die Art,
wie hier in dem engen, uͤbelverzierten Pferch ſo viele
erlauchte Perſonen dicht zuſammengedraͤngt ſtanden, hatte
etwas laͤcherlich Beleidigendes, woran die Scherze der
Pariſer ſich gar zu gern uͤbten. Die reichſten Uniformen
und Staatskleider arbeiteten ſich mit Muͤhe und Sorge
durcheinander hin und her, von Kaiſerlichen Livreen
untermiſcht, die im Gedraͤnge Erfriſchungen ausriefen,
und durch die nahe Gefahr immer ihre Naͤchſten in allen
Bewegungen gleichſam ſuſpendirten. Das Geſpraͤch war

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0311" n="297"/>
ein be&#x017F;timmter Eindruck ha&#x0364;tte werden ko&#x0364;nnen. Bei dem<lb/>
Fe&#x017F;te des Fu&#x0364;r&#x017F;ten von Schwarzenberg hatte &#x017F;ich mir<lb/>
der Anblick des Mannes in dem Sturme der ent&#x017F;etz¬<lb/>
lichen Vorga&#x0364;nge, welche die&#x017F;es Fe&#x017F;t unterbrachen, wieder<lb/>
verdunkelt. Ich nehme daher an, daß ich ihn zuer&#x017F;t<lb/>
an dem Tage ge&#x017F;ehen, wo ich ihn <hi rendition="#g">recht</hi> ge&#x017F;ehen, nah<lb/>
und bequem, und hinreichend lange, an dem Tage jener<lb/>
Vor&#x017F;tellung. Die ha&#x0364;ufige Gelegenheit, die &#x017F;ich mir &#x017F;eit¬<lb/>
dem erneute, in den Tuilerien und in Saint-Cloud,<lb/>
&#x2014; an letzterem Orte be&#x017F;onders bei den herrlichen, nur<lb/>
fu&#x0364;r den Kai&#x017F;er und &#x017F;eine Hofga&#x0364;&#x017F;te be&#x017F;timmten Bu&#x0364;hnen¬<lb/>
dar&#x017F;tellungen, wo Talma, Fleury und die Raucourt<lb/>
gla&#x0364;nzten, &#x2014; diente nur dazu, jenen Haupteindruck zu<lb/>
befe&#x017F;tigen und gleich&#x017F;am auszuarbeiten.</p><lb/>
          <p>Wir waren nach den Tuilerien gefahren und kamen<lb/>
durch ein großes Gedra&#x0364;nge von Garden und Volk in<lb/>
ein Gemach, von welchem ich unter dem Namen der<lb/><hi rendition="#aq">Salle des ambassadeurs</hi> &#x017F;chon geho&#x0364;rt hatte. Die Art,<lb/>
wie hier in dem engen, u&#x0364;belverzierten Pferch &#x017F;o viele<lb/>
erlauchte Per&#x017F;onen dicht zu&#x017F;ammengedra&#x0364;ngt &#x017F;tanden, hatte<lb/>
etwas la&#x0364;cherlich Beleidigendes, woran die Scherze der<lb/>
Pari&#x017F;er &#x017F;ich gar zu gern u&#x0364;bten. Die reich&#x017F;ten Uniformen<lb/>
und Staatskleider arbeiteten &#x017F;ich mit Mu&#x0364;he und Sorge<lb/>
durcheinander hin und her, von Kai&#x017F;erlichen Livreen<lb/>
untermi&#x017F;cht, die im Gedra&#x0364;nge Erfri&#x017F;chungen ausriefen,<lb/>
und durch die nahe Gefahr immer ihre Na&#x0364;ch&#x017F;ten in allen<lb/>
Bewegungen gleich&#x017F;am &#x017F;u&#x017F;pendirten. Das Ge&#x017F;pra&#x0364;ch war<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[297/0311] ein beſtimmter Eindruck haͤtte werden koͤnnen. Bei dem Feſte des Fuͤrſten von Schwarzenberg hatte ſich mir der Anblick des Mannes in dem Sturme der entſetz¬ lichen Vorgaͤnge, welche dieſes Feſt unterbrachen, wieder verdunkelt. Ich nehme daher an, daß ich ihn zuerſt an dem Tage geſehen, wo ich ihn recht geſehen, nah und bequem, und hinreichend lange, an dem Tage jener Vorſtellung. Die haͤufige Gelegenheit, die ſich mir ſeit¬ dem erneute, in den Tuilerien und in Saint-Cloud, — an letzterem Orte beſonders bei den herrlichen, nur fuͤr den Kaiſer und ſeine Hofgaͤſte beſtimmten Buͤhnen¬ darſtellungen, wo Talma, Fleury und die Raucourt glaͤnzten, — diente nur dazu, jenen Haupteindruck zu befeſtigen und gleichſam auszuarbeiten. Wir waren nach den Tuilerien gefahren und kamen durch ein großes Gedraͤnge von Garden und Volk in ein Gemach, von welchem ich unter dem Namen der Salle des ambassadeurs ſchon gehoͤrt hatte. Die Art, wie hier in dem engen, uͤbelverzierten Pferch ſo viele erlauchte Perſonen dicht zuſammengedraͤngt ſtanden, hatte etwas laͤcherlich Beleidigendes, woran die Scherze der Pariſer ſich gar zu gern uͤbten. Die reichſten Uniformen und Staatskleider arbeiteten ſich mit Muͤhe und Sorge durcheinander hin und her, von Kaiſerlichen Livreen untermiſcht, die im Gedraͤnge Erfriſchungen ausriefen, und durch die nahe Gefahr immer ihre Naͤchſten in allen Bewegungen gleichſam ſuſpendirten. Das Geſpraͤch war

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/311
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837, S. 297. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/311>, abgerufen am 11.05.2024.