schwer verletzte Tochter umarmt, aber um so verzweif¬ lungsvoller suchte er nun die noch vermißte Gattin. Die Tochter war an ihrer Seite gewesen, aber durch brennendes Gebälk, das zwischen beide niederstürzte, von ihr getrennt worden, und sie hatte darauf die Mutter aus den Augen verloren. Wir schalten hier am besten die Worte ein, mit welchen der Major von Prokesch, in seinen lesenswerthen Denkwürdigkeiten Schwarzen¬ berg's, die folgenden Umstände wiedergiebt: "Der Fürst Joseph hatte, als der Brand ausbrach, unfern der Kaiserin im Gespräche gestanden. Er wandte sich auf den ersten Ruf der Gefahr hin nach dem Raume, wo die Reihen der Tanzenden so eben zerstoben, und wies noch, da ihm die Gemahlin des Prinzen Eugen ent¬ gegenkam, dieser und dem Vicekönige selbst eine nahe Seitenthüre, durch welche beide entkamen. Im Saale kämpften bereits Flammen und Dampf um die Herr¬ schaft. Er eilte hinauf, hinab; er fand seine Gemahlin nicht. Er gelangte glücklich über die Treppe in den Garten; er fragte diesen, jenen; man wollte sie gesehen haben; man versicherte endlich sogar mit Gewißheit, sie sei bereits im Garten. "Dort ist sie!" rief eine Stimme ihm zu. Er stürzt nach dem Orte hin, und -- es ist eine Dame, die ihr ähnlich sah. Da faßt seine Seele unnennbares Grauen. Die Folter der Ahndung, die ihn ergriffen hatte, war alle Grade durchgelaufen, und die Gewißheit leuchtete, ein schrecklicherer Brand, vor
ſchwer verletzte Tochter umarmt, aber um ſo verzweif¬ lungsvoller ſuchte er nun die noch vermißte Gattin. Die Tochter war an ihrer Seite geweſen, aber durch brennendes Gebaͤlk, das zwiſchen beide niederſtuͤrzte, von ihr getrennt worden, und ſie hatte darauf die Mutter aus den Augen verloren. Wir ſchalten hier am beſten die Worte ein, mit welchen der Major von Prokeſch, in ſeinen leſenswerthen Denkwuͤrdigkeiten Schwarzen¬ berg's, die folgenden Umſtaͤnde wiedergiebt: „Der Fuͤrſt Joſeph hatte, als der Brand ausbrach, unfern der Kaiſerin im Geſpraͤche geſtanden. Er wandte ſich auf den erſten Ruf der Gefahr hin nach dem Raume, wo die Reihen der Tanzenden ſo eben zerſtoben, und wies noch, da ihm die Gemahlin des Prinzen Eugen ent¬ gegenkam, dieſer und dem Vicekoͤnige ſelbſt eine nahe Seitenthuͤre, durch welche beide entkamen. Im Saale kaͤmpften bereits Flammen und Dampf um die Herr¬ ſchaft. Er eilte hinauf, hinab; er fand ſeine Gemahlin nicht. Er gelangte gluͤcklich uͤber die Treppe in den Garten; er fragte dieſen, jenen; man wollte ſie geſehen haben; man verſicherte endlich ſogar mit Gewißheit, ſie ſei bereits im Garten. „Dort iſt ſie!“ rief eine Stimme ihm zu. Er ſtuͤrzt nach dem Orte hin, und — es iſt eine Dame, die ihr aͤhnlich ſah. Da faßt ſeine Seele unnennbares Grauen. Die Folter der Ahndung, die ihn ergriffen hatte, war alle Grade durchgelaufen, und die Gewißheit leuchtete, ein ſchrecklicherer Brand, vor
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ſchwer verletzte Tochter umarmt, aber um ſo verzweif¬
lungsvoller ſuchte er nun die noch vermißte Gattin.
Die Tochter war an ihrer Seite geweſen, aber durch
brennendes Gebaͤlk, das zwiſchen beide niederſtuͤrzte, von
ihr getrennt worden, und ſie hatte darauf die Mutter
aus den Augen verloren. Wir ſchalten hier am beſten
die Worte ein, mit welchen der Major von Prokeſch,
in ſeinen leſenswerthen Denkwuͤrdigkeiten Schwarzen¬
berg's, die folgenden Umſtaͤnde wiedergiebt: „Der Fuͤrſt
Joſeph hatte, als der Brand ausbrach, unfern der
Kaiſerin im Geſpraͤche geſtanden. Er wandte ſich auf
den erſten Ruf der Gefahr hin nach dem Raume, wo
die Reihen der Tanzenden ſo eben zerſtoben, und wies
noch, da ihm die Gemahlin des Prinzen Eugen ent¬
gegenkam, dieſer und dem Vicekoͤnige ſelbſt eine nahe
Seitenthuͤre, durch welche beide entkamen. Im Saale
kaͤmpften bereits Flammen und Dampf um die Herr¬
ſchaft. Er eilte hinauf, hinab; er fand ſeine Gemahlin
nicht. Er gelangte gluͤcklich uͤber die Treppe in den
Garten; er fragte dieſen, jenen; man wollte ſie geſehen
haben; man verſicherte endlich ſogar mit Gewißheit, ſie
ſei bereits im Garten. „Dort iſt ſie!“ rief eine Stimme
ihm zu. Er ſtuͤrzt nach dem Orte hin, und — es iſt
eine Dame, die ihr aͤhnlich ſah. Da faßt ſeine Seele
unnennbares Grauen. Die Folter der Ahndung, die
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die Gewißheit leuchtete, ein ſchrecklicherer Brand, vor
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837, S. 278. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/292>, abgerufen am 25.11.2024.
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