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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837.

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Truppen sich des Dorfes wirklich schon bemächtigt hatten,
soll er mehrmals ausgerufen haben: "Wäre ich doch
nur einige Minuten im Besitz von Atterkla gewesen!"
Durch die Tapferkeit der Oesterreicher war allerdings
eine große Gefahr abgewehrt. Indessen hatte der Stoß
des Feindes gegen Atterkla das Vorrücken der öster¬
reichischen Linie aufgehalten, die verschiedenen Heertheile
schlossen noch nicht in engerem Bogen zusammen, und
die Truppen waren nicht zahlreich genug, um den aus¬
gedehnten Raum zu füllen. Die noch übrigen beiden
Grenadierbrigaden Murray und Steyrer rückten zwar
ebenfalls in die Linie von Atterkla und Breitenlee vor;
allein ihre Bataillonsmassen konnten nur das erste
Treffen bilden, hinter welchem als zweites sich die
Reiterei aufstellen mußte. Der Fürst Johann von
Liechtenstein, scharfblickend und wohlentschlossen, wollte
deßhalb weiter vordringen und gemeinschaftlich mit dem
dritten und sechsten Heertheil die Hauptstellung des
Feindes in der Flanke und im Rücken angreifen. Durch
den früher bereits erwähnten Abzug des Marschalls
Massena von der Donau gegen Rasdorf und Atterkla
war dem rechten Flügel des österreichischen Heeres freier
Spielraum gegeben. Sein drohendes Vorrücken ge¬
fährdete schon die Verbindung Napoleons mit der Lobau;
der dritte und sechste Heertheil brauchten vereinigt nur
links einzuschwenken, um in dem Rücken des französi¬

Truppen ſich des Dorfes wirklich ſchon bemaͤchtigt hatten,
ſoll er mehrmals ausgerufen haben: „Waͤre ich doch
nur einige Minuten im Beſitz von Atterkla geweſen!“
Durch die Tapferkeit der Oeſterreicher war allerdings
eine große Gefahr abgewehrt. Indeſſen hatte der Stoß
des Feindes gegen Atterkla das Vorruͤcken der oͤſter¬
reichiſchen Linie aufgehalten, die verſchiedenen Heertheile
ſchloſſen noch nicht in engerem Bogen zuſammen, und
die Truppen waren nicht zahlreich genug, um den aus¬
gedehnten Raum zu fuͤllen. Die noch uͤbrigen beiden
Grenadierbrigaden Murray und Steyrer ruͤckten zwar
ebenfalls in die Linie von Atterkla und Breitenlee vor;
allein ihre Bataillonsmaſſen konnten nur das erſte
Treffen bilden, hinter welchem als zweites ſich die
Reiterei aufſtellen mußte. Der Fuͤrſt Johann von
Liechtenſtein, ſcharfblickend und wohlentſchloſſen, wollte
deßhalb weiter vordringen und gemeinſchaftlich mit dem
dritten und ſechſten Heertheil die Hauptſtellung des
Feindes in der Flanke und im Ruͤcken angreifen. Durch
den fruͤher bereits erwaͤhnten Abzug des Marſchalls
Maſſena von der Donau gegen Rasdorf und Atterkla
war dem rechten Fluͤgel des oͤſterreichiſchen Heeres freier
Spielraum gegeben. Sein drohendes Vorruͤcken ge¬
faͤhrdete ſchon die Verbindung Napoleons mit der Lobau;
der dritte und ſechſte Heertheil brauchten vereinigt nur
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[235/0249] Truppen ſich des Dorfes wirklich ſchon bemaͤchtigt hatten, ſoll er mehrmals ausgerufen haben: „Waͤre ich doch nur einige Minuten im Beſitz von Atterkla geweſen!“ Durch die Tapferkeit der Oeſterreicher war allerdings eine große Gefahr abgewehrt. Indeſſen hatte der Stoß des Feindes gegen Atterkla das Vorruͤcken der oͤſter¬ reichiſchen Linie aufgehalten, die verſchiedenen Heertheile ſchloſſen noch nicht in engerem Bogen zuſammen, und die Truppen waren nicht zahlreich genug, um den aus¬ gedehnten Raum zu fuͤllen. Die noch uͤbrigen beiden Grenadierbrigaden Murray und Steyrer ruͤckten zwar ebenfalls in die Linie von Atterkla und Breitenlee vor; allein ihre Bataillonsmaſſen konnten nur das erſte Treffen bilden, hinter welchem als zweites ſich die Reiterei aufſtellen mußte. Der Fuͤrſt Johann von Liechtenſtein, ſcharfblickend und wohlentſchloſſen, wollte deßhalb weiter vordringen und gemeinſchaftlich mit dem dritten und ſechſten Heertheil die Hauptſtellung des Feindes in der Flanke und im Ruͤcken angreifen. Durch den fruͤher bereits erwaͤhnten Abzug des Marſchalls Maſſena von der Donau gegen Rasdorf und Atterkla war dem rechten Fluͤgel des oͤſterreichiſchen Heeres freier Spielraum gegeben. Sein drohendes Vorruͤcken ge¬ faͤhrdete ſchon die Verbindung Napoleons mit der Lobau; der dritte und ſechſte Heertheil brauchten vereinigt nur links einzuſchwenken, um in dem Ruͤcken des franzoͤſi¬

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Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837, S. 235. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/249>, abgerufen am 03.05.2024.