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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837.

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noch heute ausführen zu können, und wollte nicht um¬
sonst sein Uebergewicht hierher gewendet haben. Rasch
ordnete er seine Truppen zum Sturm. Der Marschall
Bernadotte erhielt Befehl, über Atterkla gegen Wagram
vorzudringen, und durch Wegnahme dieses Ortes die
Mitte der österreichischen Linie zu sprengen. Zwei
gedrängte Sturmschaaren sollten zu gleicher Zeit rechts
und links von Baumersdorf über den Rußbach dringen,
die Höhen der österreichischen Stellung ersteigen und
die dortigen Truppen aufrollen. Feindliches Fußvolk
war mittlerweile schon dicht an unsre Stellung heran¬
gekommen; die Plänkler wurden vom Rußbach zurück¬
gerufen und traten in die Linie wieder ein, längs deren
ganzer Ausdehnung sich nun ein furchtbares Gewehr¬
feuer entspann. Dieser ungeheure Lärm des immerfort
erneuten Losknallens und noch weit mehr des unend¬
lichen Eisengeräusches bei Handhabung von mehr als
zwanzigtausend Flinten in solcher Nähe und Enge, war
eigentlich der einzige neue und wunderbare Eindruck,
der mir in diesen ersten Kriegsauftritten, die ich erlebte,
zu Theil wurde; alles andre war theils meiner voraus¬
gefaßten Vorstellung gemäß, theils sogar unter ihr;
alles aber, auch der Donner des zahlreichsten Geschützes
dünkte mich gering gegen das Sturmgetöse des soge¬
nannten Kleingewehrs, dieser Waffe, durch welche
gewöhnlich auch unsre neueren Schlachten zumeist mör¬
derisch werden. Indem dieses Feuer eine Weile lebhaft

noch heute ausfuͤhren zu koͤnnen, und wollte nicht um¬
ſonſt ſein Uebergewicht hierher gewendet haben. Raſch
ordnete er ſeine Truppen zum Sturm. Der Marſchall
Bernadotte erhielt Befehl, uͤber Atterkla gegen Wagram
vorzudringen, und durch Wegnahme dieſes Ortes die
Mitte der oͤſterreichiſchen Linie zu ſprengen. Zwei
gedraͤngte Sturmſchaaren ſollten zu gleicher Zeit rechts
und links von Baumersdorf uͤber den Rußbach dringen,
die Hoͤhen der oͤſterreichiſchen Stellung erſteigen und
die dortigen Truppen aufrollen. Feindliches Fußvolk
war mittlerweile ſchon dicht an unſre Stellung heran¬
gekommen; die Plaͤnkler wurden vom Rußbach zuruͤck¬
gerufen und traten in die Linie wieder ein, laͤngs deren
ganzer Ausdehnung ſich nun ein furchtbares Gewehr¬
feuer entſpann. Dieſer ungeheure Laͤrm des immerfort
erneuten Losknallens und noch weit mehr des unend¬
lichen Eiſengeraͤuſches bei Handhabung von mehr als
zwanzigtauſend Flinten in ſolcher Naͤhe und Enge, war
eigentlich der einzige neue und wunderbare Eindruck,
der mir in dieſen erſten Kriegsauftritten, die ich erlebte,
zu Theil wurde; alles andre war theils meiner voraus¬
gefaßten Vorſtellung gemaͤß, theils ſogar unter ihr;
alles aber, auch der Donner des zahlreichſten Geſchuͤtzes
duͤnkte mich gering gegen das Sturmgetoͤſe des ſoge¬
nannten Kleingewehrs, dieſer Waffe, durch welche
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deriſch werden. Indem dieſes Feuer eine Weile lebhaft

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[215/0229] noch heute ausfuͤhren zu koͤnnen, und wollte nicht um¬ ſonſt ſein Uebergewicht hierher gewendet haben. Raſch ordnete er ſeine Truppen zum Sturm. Der Marſchall Bernadotte erhielt Befehl, uͤber Atterkla gegen Wagram vorzudringen, und durch Wegnahme dieſes Ortes die Mitte der oͤſterreichiſchen Linie zu ſprengen. Zwei gedraͤngte Sturmſchaaren ſollten zu gleicher Zeit rechts und links von Baumersdorf uͤber den Rußbach dringen, die Hoͤhen der oͤſterreichiſchen Stellung erſteigen und die dortigen Truppen aufrollen. Feindliches Fußvolk war mittlerweile ſchon dicht an unſre Stellung heran¬ gekommen; die Plaͤnkler wurden vom Rußbach zuruͤck¬ gerufen und traten in die Linie wieder ein, laͤngs deren ganzer Ausdehnung ſich nun ein furchtbares Gewehr¬ feuer entſpann. Dieſer ungeheure Laͤrm des immerfort erneuten Losknallens und noch weit mehr des unend¬ lichen Eiſengeraͤuſches bei Handhabung von mehr als zwanzigtauſend Flinten in ſolcher Naͤhe und Enge, war eigentlich der einzige neue und wunderbare Eindruck, der mir in dieſen erſten Kriegsauftritten, die ich erlebte, zu Theil wurde; alles andre war theils meiner voraus¬ gefaßten Vorſtellung gemaͤß, theils ſogar unter ihr; alles aber, auch der Donner des zahlreichſten Geſchuͤtzes duͤnkte mich gering gegen das Sturmgetoͤſe des ſoge¬ nannten Kleingewehrs, dieſer Waffe, durch welche gewoͤhnlich auch unſre neueren Schlachten zumeiſt moͤr¬ deriſch werden. Indem dieſes Feuer eine Weile lebhaft

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Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/229>, abgerufen am 03.05.2024.