und Kämpfen vor uns wie einem Schauspiele zugesehen, jetzt rückte der Kampf näher heran, die Luft über uns sauste von Kanonenkugeln, die man uns verschwenderisch zuschickte, und bald krachten antwortend auch unsre Batterien. Das Fußvolk erhielt Befehl, sich auf die Erde niederzulegen, und die feindlichen Kugeln trafen anfangs wenig, da jedoch der Feind unaufhörlich vor¬ rückte, so stellten die Regimenter sich alsbald in's Gewehr. Der Erzherzog Generalissimus sprengte mit seinem Stabe vorüber und hielt dann vor unsrer Fronte; er theilte Befehle aus, blickte in die Ebne nieder, wo die feind¬ liche Linie stets näher rückte, man sah es ihm an, daß er Gefahr und Tod nicht achtete, daß er ganz in seinem Beruf als Feldherr lebte; der Entscheidungskampf schien seinem ganzen Wesen ein nachdrücklicheres Ansehen zu verleihen, eine höhere Spannung voll freudigen Muthes, den er auch rings um sich her einflößte; die Soldaten blickten auf ihn mit Stolz und Zuversicht, manche Stimme begrüßte ihn. Nachdem er weiter gegen Bau¬ mersdorf geritten war, kam einer seiner Adjutanten rasch zurück, und rief: "Freiwillige vor!" Sogleich war fast die ganze Kompagnie des Hauptmanns von Marais bereit; wir dachten, es gelte die nächste Batterie des Feindes zu stürmen, welche durch die vorliegenden Kornfelder herannahte, und jauchzend mit lautem Geschrei eilten wir den Abhang hinab; da kam ein zweiter Adju¬ tant mit dem Befehl, wir sollten nur den Rußbach
und Kaͤmpfen vor uns wie einem Schauſpiele zugeſehen, jetzt ruͤckte der Kampf naͤher heran, die Luft uͤber uns ſauſte von Kanonenkugeln, die man uns verſchwenderiſch zuſchickte, und bald krachten antwortend auch unſre Batterien. Das Fußvolk erhielt Befehl, ſich auf die Erde niederzulegen, und die feindlichen Kugeln trafen anfangs wenig, da jedoch der Feind unaufhoͤrlich vor¬ ruͤckte, ſo ſtellten die Regimenter ſich alsbald in’s Gewehr. Der Erzherzog Generaliſſimus ſprengte mit ſeinem Stabe voruͤber und hielt dann vor unſrer Fronte; er theilte Befehle aus, blickte in die Ebne nieder, wo die feind¬ liche Linie ſtets naͤher ruͤckte, man ſah es ihm an, daß er Gefahr und Tod nicht achtete, daß er ganz in ſeinem Beruf als Feldherr lebte; der Entſcheidungskampf ſchien ſeinem ganzen Weſen ein nachdruͤcklicheres Anſehen zu verleihen, eine hoͤhere Spannung voll freudigen Muthes, den er auch rings um ſich her einfloͤßte; die Soldaten blickten auf ihn mit Stolz und Zuverſicht, manche Stimme begruͤßte ihn. Nachdem er weiter gegen Bau¬ mersdorf geritten war, kam einer ſeiner Adjutanten raſch zuruͤck, und rief: „Freiwillige vor!“ Sogleich war faſt die ganze Kompagnie des Hauptmanns von Marais bereit; wir dachten, es gelte die naͤchſte Batterie des Feindes zu ſtuͤrmen, welche durch die vorliegenden Kornfelder herannahte, und jauchzend mit lautem Geſchrei eilten wir den Abhang hinab; da kam ein zweiter Adju¬ tant mit dem Befehl, wir ſollten nur den Rußbach
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[213/0227]
und Kaͤmpfen vor uns wie einem Schauſpiele zugeſehen,
jetzt ruͤckte der Kampf naͤher heran, die Luft uͤber uns
ſauſte von Kanonenkugeln, die man uns verſchwenderiſch
zuſchickte, und bald krachten antwortend auch unſre
Batterien. Das Fußvolk erhielt Befehl, ſich auf die
Erde niederzulegen, und die feindlichen Kugeln trafen
anfangs wenig, da jedoch der Feind unaufhoͤrlich vor¬
ruͤckte, ſo ſtellten die Regimenter ſich alsbald in’s Gewehr.
Der Erzherzog Generaliſſimus ſprengte mit ſeinem Stabe
voruͤber und hielt dann vor unſrer Fronte; er theilte
Befehle aus, blickte in die Ebne nieder, wo die feind¬
liche Linie ſtets naͤher ruͤckte, man ſah es ihm an, daß
er Gefahr und Tod nicht achtete, daß er ganz in ſeinem
Beruf als Feldherr lebte; der Entſcheidungskampf ſchien
ſeinem ganzen Weſen ein nachdruͤcklicheres Anſehen zu
verleihen, eine hoͤhere Spannung voll freudigen Muthes,
den er auch rings um ſich her einfloͤßte; die Soldaten
blickten auf ihn mit Stolz und Zuverſicht, manche
Stimme begruͤßte ihn. Nachdem er weiter gegen Bau¬
mersdorf geritten war, kam einer ſeiner Adjutanten
raſch zuruͤck, und rief: „Freiwillige vor!“ Sogleich
war faſt die ganze Kompagnie des Hauptmanns von
Marais bereit; wir dachten, es gelte die naͤchſte Batterie
des Feindes zu ſtuͤrmen, welche durch die vorliegenden
Kornfelder herannahte, und jauchzend mit lautem Geſchrei
eilten wir den Abhang hinab; da kam ein zweiter Adju¬
tant mit dem Befehl, wir ſollten nur den Rußbach
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837, S. 213. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/227>, abgerufen am 25.11.2024.
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