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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837.

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diese gegen ihn vorbereitete und vertheidigte. Mit ein¬
brechender Nacht sahen wir in der vor uns liegenden
Ebene die Alarmstangen brennen, und das ganze Lager
gerieth in Bewegung. Der Kanonendonner verstummte
zwar nach einiger Zeit, allein um 1 Uhr nachts erhiel¬
ten die auf der Anhöhe bei Wagram lagernden Regi¬
menter den Befehl, in der Stille anzutreten, und
rückten schweigend etwa anderthalb Stunden gegen die
Donau hinab; der erste, zweite und dritte Heertheil
lagerten daselbst zwischen Breitenlee und Stadt-Enzers¬
dorf, der vierte Heertheil stellte sich bei Wittau, die
Reiterei bei Rasdorf; jeden Augenblick erwarteten wir,
daß der Feind angreifen würde; das Kanoniren erneuerte
sich von Zeit zu Zeit; allein die Franzosen rückten nicht
vor, sondern begnügten sich, ihre begonnene Brücken¬
schanze zu vollenden. Der Erzherzog begab sich zuerst
nach Rasdorf, sodann nach Stadt-Enzersdorf, und bestieg
den dortigen Thurm, um die Anstalten des Feindes zu
überschauen, darauf nahm er sein Hauptquartier in
Breitenlee. Indeß mußte bald klar werden, daß die
Anstalten an dieser Stelle für einen ernstlichen Ueber¬
gang zu unbedeutend blieben; es war offenbar, daß der
Feind hier nur die Aufmerksamkeit beschäftigen wolle,
und daß er seinen wahren Uebergang entweder ober¬
halb bei Nußdorf, oder unterhalb in der Gegend von
Ort vorhabe, wobei das österreichische Heer in seiner
jetzigen Stellung sogleich die rechte oder linke Flanke

dieſe gegen ihn vorbereitete und vertheidigte. Mit ein¬
brechender Nacht ſahen wir in der vor uns liegenden
Ebene die Alarmſtangen brennen, und das ganze Lager
gerieth in Bewegung. Der Kanonendonner verſtummte
zwar nach einiger Zeit, allein um 1 Uhr nachts erhiel¬
ten die auf der Anhoͤhe bei Wagram lagernden Regi¬
menter den Befehl, in der Stille anzutreten, und
ruͤckten ſchweigend etwa anderthalb Stunden gegen die
Donau hinab; der erſte, zweite und dritte Heertheil
lagerten daſelbſt zwiſchen Breitenlee und Stadt-Enzers¬
dorf, der vierte Heertheil ſtellte ſich bei Wittau, die
Reiterei bei Rasdorf; jeden Augenblick erwarteten wir,
daß der Feind angreifen wuͤrde; das Kanoniren erneuerte
ſich von Zeit zu Zeit; allein die Franzoſen ruͤckten nicht
vor, ſondern begnuͤgten ſich, ihre begonnene Bruͤcken¬
ſchanze zu vollenden. Der Erzherzog begab ſich zuerſt
nach Rasdorf, ſodann nach Stadt-Enzersdorf, und beſtieg
den dortigen Thurm, um die Anſtalten des Feindes zu
uͤberſchauen, darauf nahm er ſein Hauptquartier in
Breitenlee. Indeß mußte bald klar werden, daß die
Anſtalten an dieſer Stelle fuͤr einen ernſtlichen Ueber¬
gang zu unbedeutend blieben; es war offenbar, daß der
Feind hier nur die Aufmerkſamkeit beſchaͤftigen wolle,
und daß er ſeinen wahren Uebergang entweder ober¬
halb bei Nußdorf, oder unterhalb in der Gegend von
Ort vorhabe, wobei das oͤſterreichiſche Heer in ſeiner
jetzigen Stellung ſogleich die rechte oder linke Flanke

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[201/0215] dieſe gegen ihn vorbereitete und vertheidigte. Mit ein¬ brechender Nacht ſahen wir in der vor uns liegenden Ebene die Alarmſtangen brennen, und das ganze Lager gerieth in Bewegung. Der Kanonendonner verſtummte zwar nach einiger Zeit, allein um 1 Uhr nachts erhiel¬ ten die auf der Anhoͤhe bei Wagram lagernden Regi¬ menter den Befehl, in der Stille anzutreten, und ruͤckten ſchweigend etwa anderthalb Stunden gegen die Donau hinab; der erſte, zweite und dritte Heertheil lagerten daſelbſt zwiſchen Breitenlee und Stadt-Enzers¬ dorf, der vierte Heertheil ſtellte ſich bei Wittau, die Reiterei bei Rasdorf; jeden Augenblick erwarteten wir, daß der Feind angreifen wuͤrde; das Kanoniren erneuerte ſich von Zeit zu Zeit; allein die Franzoſen ruͤckten nicht vor, ſondern begnuͤgten ſich, ihre begonnene Bruͤcken¬ ſchanze zu vollenden. Der Erzherzog begab ſich zuerſt nach Rasdorf, ſodann nach Stadt-Enzersdorf, und beſtieg den dortigen Thurm, um die Anſtalten des Feindes zu uͤberſchauen, darauf nahm er ſein Hauptquartier in Breitenlee. Indeß mußte bald klar werden, daß die Anſtalten an dieſer Stelle fuͤr einen ernſtlichen Ueber¬ gang zu unbedeutend blieben; es war offenbar, daß der Feind hier nur die Aufmerkſamkeit beſchaͤftigen wolle, und daß er ſeinen wahren Uebergang entweder ober¬ halb bei Nußdorf, oder unterhalb in der Gegend von Ort vorhabe, wobei das oͤſterreichiſche Heer in ſeiner jetzigen Stellung ſogleich die rechte oder linke Flanke

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Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837, S. 201. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/215>, abgerufen am 03.05.2024.