zeigen mochte, wußte nicht, was er von mir denken sollte; über die Waffenruhe und den Friedensanschein aber, die ich verwünschte, suchte er mich zu trösten, und meinte, mit jedem Tage könne sich das ändern, worüber niemand froher sein würde, als er selbst. Ich blieb also einstweilen wo ich war.
Die schlimmste Prüfung war in der That schon überstanden. Nach einem heißen, langweiligen, ver¬ zehrenden Tag, der nur eben solchen wieder erwarten ließ, erscholl am 30. Juni Abends plötzlich von der Donau her Kanonendonner, dem Gemüth eine labende Erfrischung! Eine Parthei Franzosen, so vernahm man bald, waren von der Lobau mittelst Kähnen auf eine kleine Aue, die Mühleninsel genannt, übergegangen, die sich nur noch durch einen schmalen Arm von dem linken Donauufer scheidet; sie legten eine Brücke auf dieses Ufer herüber und beschützten dieselbe durch einen kleinen Vorwall; unsre Batterien bei Eßlingen wollten dem Feinde diese Ausbreitung nicht gestatten, und seine nächsten Kanonen auf der Lobau feuerten nun eben¬ falls. Die Unterhandlungen, hieß es, seien abgebro¬ chen, der Kaiser Napoleon habe seine Truppen zusam¬ mengezogen, um neuerdings mit ganzer Macht über¬ zugehen und eine Schlacht zu liefern. Die Beharrlich¬ keit des Erzherzogs Generalissimus in seiner Stellung mußte sich hiedurch gerechtfertigt zeigen, da der Feind keine bessere Gegend für seinen Versuch wußte, als
zeigen mochte, wußte nicht, was er von mir denken ſollte; uͤber die Waffenruhe und den Friedensanſchein aber, die ich verwuͤnſchte, ſuchte er mich zu troͤſten, und meinte, mit jedem Tage koͤnne ſich das aͤndern, woruͤber niemand froher ſein wuͤrde, als er ſelbſt. Ich blieb alſo einſtweilen wo ich war.
Die ſchlimmſte Pruͤfung war in der That ſchon uͤberſtanden. Nach einem heißen, langweiligen, ver¬ zehrenden Tag, der nur eben ſolchen wieder erwarten ließ, erſcholl am 30. Juni Abends ploͤtzlich von der Donau her Kanonendonner, dem Gemuͤth eine labende Erfriſchung! Eine Parthei Franzoſen, ſo vernahm man bald, waren von der Lobau mittelſt Kaͤhnen auf eine kleine Aue, die Muͤhleninſel genannt, uͤbergegangen, die ſich nur noch durch einen ſchmalen Arm von dem linken Donauufer ſcheidet; ſie legten eine Bruͤcke auf dieſes Ufer heruͤber und beſchuͤtzten dieſelbe durch einen kleinen Vorwall; unſre Batterien bei Eßlingen wollten dem Feinde dieſe Ausbreitung nicht geſtatten, und ſeine naͤchſten Kanonen auf der Lobau feuerten nun eben¬ falls. Die Unterhandlungen, hieß es, ſeien abgebro¬ chen, der Kaiſer Napoleon habe ſeine Truppen zuſam¬ mengezogen, um neuerdings mit ganzer Macht uͤber¬ zugehen und eine Schlacht zu liefern. Die Beharrlich¬ keit des Erzherzogs Generaliſſimus in ſeiner Stellung mußte ſich hiedurch gerechtfertigt zeigen, da der Feind keine beſſere Gegend fuͤr ſeinen Verſuch wußte, als
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0214"n="200"/>
zeigen mochte, wußte nicht, was er von mir denken<lb/>ſollte; uͤber die Waffenruhe und den Friedensanſchein<lb/>
aber, die ich verwuͤnſchte, ſuchte er mich zu troͤſten,<lb/>
und meinte, mit jedem Tage koͤnne ſich das aͤndern,<lb/>
woruͤber niemand froher ſein wuͤrde, als er ſelbſt. Ich<lb/>
blieb alſo einſtweilen wo ich war.</p><lb/><p>Die ſchlimmſte Pruͤfung war in der That ſchon<lb/>
uͤberſtanden. Nach einem heißen, langweiligen, ver¬<lb/>
zehrenden Tag, der nur eben ſolchen wieder erwarten<lb/>
ließ, erſcholl am <hirendition="#b">30.</hi> Juni Abends ploͤtzlich von der<lb/>
Donau her Kanonendonner, dem Gemuͤth eine labende<lb/>
Erfriſchung! Eine Parthei Franzoſen, ſo vernahm man<lb/>
bald, waren von der Lobau mittelſt Kaͤhnen auf eine<lb/>
kleine Aue, die Muͤhleninſel genannt, uͤbergegangen,<lb/>
die ſich nur noch durch einen ſchmalen Arm von dem<lb/>
linken Donauufer ſcheidet; ſie legten eine Bruͤcke auf<lb/>
dieſes Ufer heruͤber und beſchuͤtzten dieſelbe durch einen<lb/>
kleinen Vorwall; unſre Batterien bei Eßlingen wollten<lb/>
dem Feinde dieſe Ausbreitung nicht geſtatten, und ſeine<lb/>
naͤchſten Kanonen auf der Lobau feuerten nun eben¬<lb/>
falls. Die Unterhandlungen, hieß es, ſeien abgebro¬<lb/>
chen, der Kaiſer Napoleon habe ſeine Truppen zuſam¬<lb/>
mengezogen, um neuerdings mit ganzer Macht uͤber¬<lb/>
zugehen und eine Schlacht zu liefern. Die Beharrlich¬<lb/>
keit des Erzherzogs Generaliſſimus in ſeiner Stellung<lb/>
mußte ſich hiedurch gerechtfertigt zeigen, da der Feind<lb/>
keine beſſere Gegend fuͤr ſeinen Verſuch wußte, als<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[200/0214]
zeigen mochte, wußte nicht, was er von mir denken
ſollte; uͤber die Waffenruhe und den Friedensanſchein
aber, die ich verwuͤnſchte, ſuchte er mich zu troͤſten,
und meinte, mit jedem Tage koͤnne ſich das aͤndern,
woruͤber niemand froher ſein wuͤrde, als er ſelbſt. Ich
blieb alſo einſtweilen wo ich war.
Die ſchlimmſte Pruͤfung war in der That ſchon
uͤberſtanden. Nach einem heißen, langweiligen, ver¬
zehrenden Tag, der nur eben ſolchen wieder erwarten
ließ, erſcholl am 30. Juni Abends ploͤtzlich von der
Donau her Kanonendonner, dem Gemuͤth eine labende
Erfriſchung! Eine Parthei Franzoſen, ſo vernahm man
bald, waren von der Lobau mittelſt Kaͤhnen auf eine
kleine Aue, die Muͤhleninſel genannt, uͤbergegangen,
die ſich nur noch durch einen ſchmalen Arm von dem
linken Donauufer ſcheidet; ſie legten eine Bruͤcke auf
dieſes Ufer heruͤber und beſchuͤtzten dieſelbe durch einen
kleinen Vorwall; unſre Batterien bei Eßlingen wollten
dem Feinde dieſe Ausbreitung nicht geſtatten, und ſeine
naͤchſten Kanonen auf der Lobau feuerten nun eben¬
falls. Die Unterhandlungen, hieß es, ſeien abgebro¬
chen, der Kaiſer Napoleon habe ſeine Truppen zuſam¬
mengezogen, um neuerdings mit ganzer Macht uͤber¬
zugehen und eine Schlacht zu liefern. Die Beharrlich¬
keit des Erzherzogs Generaliſſimus in ſeiner Stellung
mußte ſich hiedurch gerechtfertigt zeigen, da der Feind
keine beſſere Gegend fuͤr ſeinen Verſuch wußte, als
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837, S. 200. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/214>, abgerufen am 26.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.