Beginn seiner Laufbahn eben so mager gewesen war, jetzt aber stark geworden ein weniger gutes Ansehen hatte. Was aber den Erzherzog besonders auszeichnete, war die völlige Einfachheit und Natürlichkeit seines Wesens, die gänzliche Abwesenheit alles Gemachten und Gespannten; aus der Lässigkeit mancher seiner Bewegun¬ gen würde man zuweilen fast auf einen Mangel an Kraft geschlossen haben, hätte nicht das Feuer seines heldischen Auges jeden solchen Gedanken niedergeblitzt. Sein unerschrockener Muth, der stets das Beispiel per¬ sönlicher Aufopferung und Verläugnung gegeben, seine menschenfreundliche Sorgfalt, sein gerechter und stand¬ hafter Sinn, so wie das Andenken seiner frühen Thaten und Siege, hatten ihm die höchste Liebe des Heeres erworben, die Offiziere hingen ihm eifrig an, die Ge¬ meinen waren ihm unbedingt ergeben, vorzüglich die böhmischen Soldaten, denen er als Generalkapitän ihres Landes noch besonders angehörte. Wo er sich zeigte, schallte ihm jauchzender Leberuf entgegen, der auf den Vorposten dem Feinde leicht seine Anwesenheit verrieth, aber nicht ganz untersagt werden konnte. Als Gene¬ ralissimus stand er in einer Macht und Wirksamkeit, wie sie seit Waldstein kein österreichischer Feldherr aus¬ geübt hatte; durch das ganze Kriegswesen erstreckte sich sein unmittelbarer Befehl; er konnte befördern und ent¬ fernen, strafen und belohnen, nach eignem Ermessen; die Führung des Krieges sollte seiner Einsicht durchaus
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Beginn ſeiner Laufbahn eben ſo mager geweſen war, jetzt aber ſtark geworden ein weniger gutes Anſehen hatte. Was aber den Erzherzog beſonders auszeichnete, war die voͤllige Einfachheit und Natuͤrlichkeit ſeines Weſens, die gaͤnzliche Abweſenheit alles Gemachten und Geſpannten; aus der Laͤſſigkeit mancher ſeiner Bewegun¬ gen wuͤrde man zuweilen faſt auf einen Mangel an Kraft geſchloſſen haben, haͤtte nicht das Feuer ſeines heldiſchen Auges jeden ſolchen Gedanken niedergeblitzt. Sein unerſchrockener Muth, der ſtets das Beiſpiel per¬ ſoͤnlicher Aufopferung und Verlaͤugnung gegeben, ſeine menſchenfreundliche Sorgfalt, ſein gerechter und ſtand¬ hafter Sinn, ſo wie das Andenken ſeiner fruͤhen Thaten und Siege, hatten ihm die hoͤchſte Liebe des Heeres erworben, die Offiziere hingen ihm eifrig an, die Ge¬ meinen waren ihm unbedingt ergeben, vorzuͤglich die boͤhmiſchen Soldaten, denen er als Generalkapitaͤn ihres Landes noch beſonders angehoͤrte. Wo er ſich zeigte, ſchallte ihm jauchzender Leberuf entgegen, der auf den Vorpoſten dem Feinde leicht ſeine Anweſenheit verrieth, aber nicht ganz unterſagt werden konnte. Als Gene¬ raliſſimus ſtand er in einer Macht und Wirkſamkeit, wie ſie ſeit Waldſtein kein oͤſterreichiſcher Feldherr aus¬ geuͤbt hatte; durch das ganze Kriegsweſen erſtreckte ſich ſein unmittelbarer Befehl; er konnte befoͤrdern und ent¬ fernen, ſtrafen und belohnen, nach eignem Ermeſſen; die Fuͤhrung des Krieges ſollte ſeiner Einſicht durchaus
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Beginn ſeiner Laufbahn eben ſo mager geweſen war,
jetzt aber ſtark geworden ein weniger gutes Anſehen
hatte. Was aber den Erzherzog beſonders auszeichnete,
war die voͤllige Einfachheit und Natuͤrlichkeit ſeines
Weſens, die gaͤnzliche Abweſenheit alles Gemachten und
Geſpannten; aus der Laͤſſigkeit mancher ſeiner Bewegun¬
gen wuͤrde man zuweilen faſt auf einen Mangel an
Kraft geſchloſſen haben, haͤtte nicht das Feuer ſeines
heldiſchen Auges jeden ſolchen Gedanken niedergeblitzt.
Sein unerſchrockener Muth, der ſtets das Beiſpiel per¬
ſoͤnlicher Aufopferung und Verlaͤugnung gegeben, ſeine
menſchenfreundliche Sorgfalt, ſein gerechter und ſtand¬
hafter Sinn, ſo wie das Andenken ſeiner fruͤhen Thaten
und Siege, hatten ihm die hoͤchſte Liebe des Heeres
erworben, die Offiziere hingen ihm eifrig an, die Ge¬
meinen waren ihm unbedingt ergeben, vorzuͤglich die
boͤhmiſchen Soldaten, denen er als Generalkapitaͤn ihres
Landes noch beſonders angehoͤrte. Wo er ſich zeigte,
ſchallte ihm jauchzender Leberuf entgegen, der auf den
Vorpoſten dem Feinde leicht ſeine Anweſenheit verrieth,
aber nicht ganz unterſagt werden konnte. Als Gene¬
raliſſimus ſtand er in einer Macht und Wirkſamkeit,
wie ſie ſeit Waldſtein kein oͤſterreichiſcher Feldherr aus¬
geuͤbt hatte; durch das ganze Kriegsweſen erſtreckte ſich
ſein unmittelbarer Befehl; er konnte befoͤrdern und ent¬
fernen, ſtrafen und belohnen, nach eignem Ermeſſen;
die Fuͤhrung des Krieges ſollte ſeiner Einſicht durchaus
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/209>, abgerufen am 26.11.2024.
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