Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite

niemand wieder zu sehen begehrt. Ein wunderbares
Gewirr bewegte sich vor meinen Augen. Die unabseh¬
baren Lagerreihen wimmelten von Kriegsvolk, und in
Wagram flossen die Strömungen dieser mannigfachen
Regsamkeit zusammen. Alle Truppengattungen und
Grade, in den verschiedensten Geschäften und Kostümen,
in Kitteln und im Glanze, zur Arbeit, zum Wachdienste,
zur Erkundigung von Neuigkeiten und zum Genuß und
Verkehr jeder Art, bewegten sich bunt durcheinander
hin. Unter den Uniformen in Oesterreich sind die schö¬
nen ganz außerordentlich schön, die der Husaren, Uhla¬
nen und ungarischen Grenadiere gewährten den herrlich¬
sten Anblick; neben diesen nahmen sich freilich manche
andre, besonders auch die des deutschen Fußvolks, um
so unansehnlicher aus, wiewohl das letztere in größeren
Massen zusammenstehend doch auch einen vortrefflichen
Eindruck machte. Merkwürdig erschien die Tracht der
Generale, die durch hechtblaue Röcke und rothe Hosen
das Unscheinbare und Auffallende sonderbar vereinigten.
In dem Ausdrucke der Gestalten und Gesichter waren
ähnliche Gegensätze wahrzunehmen; zwanglose Beweg¬
lichkeit und pedantische Starrheit, muntre Laune und
finstrer Ernst, behagliche Trockenheit und wilde Leiden¬
schaft. Deutsche, Franzosen, Wallonen, Slaven, Ita¬
liäner, Madscharen erkannte man weniger im Einzelnen,
als vielmehr in dem Ganzen das Gemisch aller dieser.
Daß die Verschiedenheit so vieler Völker, Sprachen,

niemand wieder zu ſehen begehrt. Ein wunderbares
Gewirr bewegte ſich vor meinen Augen. Die unabſeh¬
baren Lagerreihen wimmelten von Kriegsvolk, und in
Wagram floſſen die Stroͤmungen dieſer mannigfachen
Regſamkeit zuſammen. Alle Truppengattungen und
Grade, in den verſchiedenſten Geſchaͤften und Koſtuͤmen,
in Kitteln und im Glanze, zur Arbeit, zum Wachdienſte,
zur Erkundigung von Neuigkeiten und zum Genuß und
Verkehr jeder Art, bewegten ſich bunt durcheinander
hin. Unter den Uniformen in Oeſterreich ſind die ſchoͤ¬
nen ganz außerordentlich ſchoͤn, die der Huſaren, Uhla¬
nen und ungariſchen Grenadiere gewaͤhrten den herrlich¬
ſten Anblick; neben dieſen nahmen ſich freilich manche
andre, beſonders auch die des deutſchen Fußvolks, um
ſo unanſehnlicher aus, wiewohl das letztere in groͤßeren
Maſſen zuſammenſtehend doch auch einen vortrefflichen
Eindruck machte. Merkwuͤrdig erſchien die Tracht der
Generale, die durch hechtblaue Roͤcke und rothe Hoſen
das Unſcheinbare und Auffallende ſonderbar vereinigten.
In dem Ausdrucke der Geſtalten und Geſichter waren
aͤhnliche Gegenſaͤtze wahrzunehmen; zwangloſe Beweg¬
lichkeit und pedantiſche Starrheit, muntre Laune und
finſtrer Ernſt, behagliche Trockenheit und wilde Leiden¬
ſchaft. Deutſche, Franzoſen, Wallonen, Slaven, Ita¬
liaͤner, Madſcharen erkannte man weniger im Einzelnen,
als vielmehr in dem Ganzen das Gemiſch aller dieſer.
Daß die Verſchiedenheit ſo vieler Voͤlker, Sprachen,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0201" n="187"/>
niemand wieder zu &#x017F;ehen begehrt. Ein wunderbares<lb/>
Gewirr bewegte &#x017F;ich vor meinen Augen. Die unab&#x017F;eh¬<lb/>
baren Lagerreihen wimmelten von Kriegsvolk, und in<lb/>
Wagram flo&#x017F;&#x017F;en die Stro&#x0364;mungen die&#x017F;er mannigfachen<lb/>
Reg&#x017F;amkeit zu&#x017F;ammen. Alle Truppengattungen und<lb/>
Grade, in den ver&#x017F;chieden&#x017F;ten Ge&#x017F;cha&#x0364;ften und Ko&#x017F;tu&#x0364;men,<lb/>
in Kitteln und im Glanze, zur Arbeit, zum Wachdien&#x017F;te,<lb/>
zur Erkundigung von Neuigkeiten und zum Genuß und<lb/>
Verkehr jeder Art, bewegten &#x017F;ich bunt durcheinander<lb/>
hin. Unter den Uniformen in Oe&#x017F;terreich &#x017F;ind die &#x017F;cho&#x0364;¬<lb/>
nen ganz außerordentlich &#x017F;cho&#x0364;n, die der Hu&#x017F;aren, Uhla¬<lb/>
nen und ungari&#x017F;chen Grenadiere gewa&#x0364;hrten den herrlich¬<lb/>
&#x017F;ten Anblick; neben die&#x017F;en nahmen &#x017F;ich freilich manche<lb/>
andre, be&#x017F;onders auch die des deut&#x017F;chen Fußvolks, um<lb/>
&#x017F;o unan&#x017F;ehnlicher aus, wiewohl das letztere in gro&#x0364;ßeren<lb/>
Ma&#x017F;&#x017F;en zu&#x017F;ammen&#x017F;tehend doch auch einen vortrefflichen<lb/>
Eindruck machte. Merkwu&#x0364;rdig er&#x017F;chien die Tracht der<lb/>
Generale, die durch hechtblaue Ro&#x0364;cke und rothe Ho&#x017F;en<lb/>
das Un&#x017F;cheinbare und Auffallende &#x017F;onderbar vereinigten.<lb/>
In dem Ausdrucke der Ge&#x017F;talten und Ge&#x017F;ichter waren<lb/>
a&#x0364;hnliche Gegen&#x017F;a&#x0364;tze wahrzunehmen; zwanglo&#x017F;e Beweg¬<lb/>
lichkeit und pedanti&#x017F;che Starrheit, muntre Laune und<lb/>
fin&#x017F;trer Ern&#x017F;t, behagliche Trockenheit und wilde Leiden¬<lb/>
&#x017F;chaft. Deut&#x017F;che, Franzo&#x017F;en, Wallonen, Slaven, Ita¬<lb/>
lia&#x0364;ner, Mad&#x017F;charen erkannte man weniger im Einzelnen,<lb/>
als vielmehr in dem Ganzen das Gemi&#x017F;ch aller die&#x017F;er.<lb/>
Daß die Ver&#x017F;chiedenheit &#x017F;o vieler Vo&#x0364;lker, Sprachen,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[187/0201] niemand wieder zu ſehen begehrt. Ein wunderbares Gewirr bewegte ſich vor meinen Augen. Die unabſeh¬ baren Lagerreihen wimmelten von Kriegsvolk, und in Wagram floſſen die Stroͤmungen dieſer mannigfachen Regſamkeit zuſammen. Alle Truppengattungen und Grade, in den verſchiedenſten Geſchaͤften und Koſtuͤmen, in Kitteln und im Glanze, zur Arbeit, zum Wachdienſte, zur Erkundigung von Neuigkeiten und zum Genuß und Verkehr jeder Art, bewegten ſich bunt durcheinander hin. Unter den Uniformen in Oeſterreich ſind die ſchoͤ¬ nen ganz außerordentlich ſchoͤn, die der Huſaren, Uhla¬ nen und ungariſchen Grenadiere gewaͤhrten den herrlich¬ ſten Anblick; neben dieſen nahmen ſich freilich manche andre, beſonders auch die des deutſchen Fußvolks, um ſo unanſehnlicher aus, wiewohl das letztere in groͤßeren Maſſen zuſammenſtehend doch auch einen vortrefflichen Eindruck machte. Merkwuͤrdig erſchien die Tracht der Generale, die durch hechtblaue Roͤcke und rothe Hoſen das Unſcheinbare und Auffallende ſonderbar vereinigten. In dem Ausdrucke der Geſtalten und Geſichter waren aͤhnliche Gegenſaͤtze wahrzunehmen; zwangloſe Beweg¬ lichkeit und pedantiſche Starrheit, muntre Laune und finſtrer Ernſt, behagliche Trockenheit und wilde Leiden¬ ſchaft. Deutſche, Franzoſen, Wallonen, Slaven, Ita¬ liaͤner, Madſcharen erkannte man weniger im Einzelnen, als vielmehr in dem Ganzen das Gemiſch aller dieſer. Daß die Verſchiedenheit ſo vieler Voͤlker, Sprachen,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/201
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/201>, abgerufen am 03.05.2024.