und Geist in frischem Wechselhauche, überall organisches Gebild, zuckende Faser, mitlebender Zusammenhang für die ganze Natur, überall originale und naive Geistes- und Sinnesäußerungen, großartig durch Unschuld und durch Klugheit, und dabei in Worten wie in Hand¬ lungen die rascheste, gewandteste, zutreffendste Gegen¬ wart. Dies alles war durchwärmt von der reinsten Güte, der schönsten, stets regen und thätigen Menschen¬ liebe, der lebhaftesten Theilnahme für fremdes Wohl und Weh. Die Vorzüge menschlicher Erscheinung, die mir bisher einzeln begegnet waren, fand ich hier bei¬ sammen, Geist und Witz, Tiefsinn und Wahrheitsliebe, Einbildungskraft und Laune, verbunden zu einer Folge von raschen, leisen, graziösen Lebensbewegungen, welche, gleich Goethe's Worten, ganz dicht an der Sache sich halten, ja diese selber sind, und mit der ganzen Macht ihres tiefsten Gehaltes augenblicklich wirken. Neben allem Großen und Scharfen quoll aber auch immerfort die weibliche Milde und Anmuth hervor, welche besonders den Augen und dem edlen Munde den lieblichsten Aus¬ druck gab, ohne den starken der gewaltigsten Leidenschaft und des heftigen Aufwallens zu verhindern.
Ob man sich in dieser Mischung von entgegenstehenden Gaben und streitigen Elementen, wie ich sie anzudeuten versucht habe, sogleich zurechtfinden wird, bezweifle ich fast. Mir wenigstens war es beschieden, erst vermittelst mancher Ungewißheit und manches Irrthums auf die
und Geiſt in friſchem Wechſelhauche, uͤberall organiſches Gebild, zuckende Faſer, mitlebender Zuſammenhang fuͤr die ganze Natur, uͤberall originale und naive Geiſtes- und Sinnesaͤußerungen, großartig durch Unſchuld und durch Klugheit, und dabei in Worten wie in Hand¬ lungen die raſcheſte, gewandteſte, zutreffendſte Gegen¬ wart. Dies alles war durchwaͤrmt von der reinſten Guͤte, der ſchoͤnſten, ſtets regen und thaͤtigen Menſchen¬ liebe, der lebhafteſten Theilnahme fuͤr fremdes Wohl und Weh. Die Vorzuͤge menſchlicher Erſcheinung, die mir bisher einzeln begegnet waren, fand ich hier bei¬ ſammen, Geiſt und Witz, Tiefſinn und Wahrheitsliebe, Einbildungskraft und Laune, verbunden zu einer Folge von raſchen, leiſen, grazioͤſen Lebensbewegungen, welche, gleich Goethe’s Worten, ganz dicht an der Sache ſich halten, ja dieſe ſelber ſind, und mit der ganzen Macht ihres tiefſten Gehaltes augenblicklich wirken. Neben allem Großen und Scharfen quoll aber auch immerfort die weibliche Milde und Anmuth hervor, welche beſonders den Augen und dem edlen Munde den lieblichſten Aus¬ druck gab, ohne den ſtarken der gewaltigſten Leidenſchaft und des heftigen Aufwallens zu verhindern.
Ob man ſich in dieſer Miſchung von entgegenſtehenden Gaben und ſtreitigen Elementen, wie ich ſie anzudeuten verſucht habe, ſogleich zurechtfinden wird, bezweifle ich faſt. Mir wenigſtens war es beſchieden, erſt vermittelſt mancher Ungewißheit und manches Irrthums auf die
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0172"n="158"/>
und Geiſt in friſchem Wechſelhauche, uͤberall organiſches<lb/>
Gebild, zuckende Faſer, mitlebender Zuſammenhang fuͤr<lb/>
die ganze Natur, uͤberall originale und naive Geiſtes-<lb/>
und Sinnesaͤußerungen, großartig durch Unſchuld und<lb/>
durch Klugheit, und dabei in Worten wie in Hand¬<lb/>
lungen die raſcheſte, gewandteſte, zutreffendſte Gegen¬<lb/>
wart. Dies alles war durchwaͤrmt von der reinſten<lb/>
Guͤte, der ſchoͤnſten, ſtets regen und thaͤtigen Menſchen¬<lb/>
liebe, der lebhafteſten Theilnahme fuͤr fremdes Wohl<lb/>
und Weh. Die Vorzuͤge menſchlicher Erſcheinung, die<lb/>
mir bisher einzeln begegnet waren, fand ich hier bei¬<lb/>ſammen, Geiſt und Witz, Tiefſinn und Wahrheitsliebe,<lb/>
Einbildungskraft und Laune, verbunden zu einer Folge<lb/>
von raſchen, leiſen, grazioͤſen Lebensbewegungen, welche,<lb/>
gleich Goethe’s Worten, ganz dicht an der Sache ſich<lb/>
halten, ja dieſe ſelber ſind, und mit der ganzen Macht<lb/>
ihres tiefſten Gehaltes augenblicklich wirken. Neben allem<lb/>
Großen und Scharfen quoll aber auch immerfort die<lb/>
weibliche Milde und Anmuth hervor, welche beſonders<lb/>
den Augen und dem edlen Munde den lieblichſten Aus¬<lb/>
druck gab, ohne den ſtarken der gewaltigſten Leidenſchaft<lb/>
und des heftigen Aufwallens zu verhindern.</p><lb/><p>Ob man ſich in dieſer Miſchung von entgegenſtehenden<lb/>
Gaben und ſtreitigen Elementen, wie ich ſie anzudeuten<lb/>
verſucht habe, ſogleich zurechtfinden wird, bezweifle ich<lb/>
faſt. Mir wenigſtens war es beſchieden, erſt vermittelſt<lb/>
mancher Ungewißheit und manches Irrthums auf die<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[158/0172]
und Geiſt in friſchem Wechſelhauche, uͤberall organiſches
Gebild, zuckende Faſer, mitlebender Zuſammenhang fuͤr
die ganze Natur, uͤberall originale und naive Geiſtes-
und Sinnesaͤußerungen, großartig durch Unſchuld und
durch Klugheit, und dabei in Worten wie in Hand¬
lungen die raſcheſte, gewandteſte, zutreffendſte Gegen¬
wart. Dies alles war durchwaͤrmt von der reinſten
Guͤte, der ſchoͤnſten, ſtets regen und thaͤtigen Menſchen¬
liebe, der lebhafteſten Theilnahme fuͤr fremdes Wohl
und Weh. Die Vorzuͤge menſchlicher Erſcheinung, die
mir bisher einzeln begegnet waren, fand ich hier bei¬
ſammen, Geiſt und Witz, Tiefſinn und Wahrheitsliebe,
Einbildungskraft und Laune, verbunden zu einer Folge
von raſchen, leiſen, grazioͤſen Lebensbewegungen, welche,
gleich Goethe’s Worten, ganz dicht an der Sache ſich
halten, ja dieſe ſelber ſind, und mit der ganzen Macht
ihres tiefſten Gehaltes augenblicklich wirken. Neben allem
Großen und Scharfen quoll aber auch immerfort die
weibliche Milde und Anmuth hervor, welche beſonders
den Augen und dem edlen Munde den lieblichſten Aus¬
druck gab, ohne den ſtarken der gewaltigſten Leidenſchaft
und des heftigen Aufwallens zu verhindern.
Ob man ſich in dieſer Miſchung von entgegenſtehenden
Gaben und ſtreitigen Elementen, wie ich ſie anzudeuten
verſucht habe, ſogleich zurechtfinden wird, bezweifle ich
faſt. Mir wenigſtens war es beſchieden, erſt vermittelſt
mancher Ungewißheit und manches Irrthums auf die
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/172>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.