Mühe folgerecht und nachhaltig mitwirkten, und den Gewinn ordnen und bewahren konnten, ihm selbst aber nimmermehr hervorzubringen vermocht hätten. Solcher gesteigerten Lebensstufen zählte ich bis dahin hauptsäch¬ lich drei, das erste Andringen allgemeinen geistigen Lebens im Beginn meiner Studien zu Berlin, das Freiwerden eines sich selbst bestimmenden und lebensthätigen Da¬ stehens, und die kräftigende Weihe der akademischen Herrlichkeit zu Halle. Jetzt kam, acht Jahre nach jener ersten, die vierte Stufe hinzu, durch das Bekanntwerden mit Rahel; ein Wiederaufnehmen, ein Zusammenfassen und ein Abschließen aller früheren, ja der ganzen Er¬ lebungsweise, -- denn wie viel Neues, Großes und Unerwartetes auch ferner mir in einem wechselvollen Leben begegnet ist, wie mancherlei Gutes und Liebes sich mir entwickelt und angeeignet hat, so ist doch in diesen vierundzwanzig Jahren, die ich seit jenem Zeit¬ punkte zähle, mir kein Begegniß, keine innere noch äußere Lebenserfahrung mir wiedergekehrt, die ich jener genannten anreihen, und mit ihr, und den vorher¬ gegangenen in gleichen Werth stellen könnte. So ist mir noch heute *Rahel das neueste und Frischeste meines ganzen Lebens, und indem ich aufzeichnen will, von welchen Umständen und Stimmungen unser begin¬ nendes Verhältniß begleitet war, darf ich den warmen
* Geschrieben im Sommer 1832.
Muͤhe folgerecht und nachhaltig mitwirkten, und den Gewinn ordnen und bewahren konnten, ihm ſelbſt aber nimmermehr hervorzubringen vermocht haͤtten. Solcher geſteigerten Lebensſtufen zaͤhlte ich bis dahin hauptſaͤch¬ lich drei, das erſte Andringen allgemeinen geiſtigen Lebens im Beginn meiner Studien zu Berlin, das Freiwerden eines ſich ſelbſt beſtimmenden und lebensthaͤtigen Da¬ ſtehens, und die kraͤftigende Weihe der akademiſchen Herrlichkeit zu Halle. Jetzt kam, acht Jahre nach jener erſten, die vierte Stufe hinzu, durch das Bekanntwerden mit Rahel; ein Wiederaufnehmen, ein Zuſammenfaſſen und ein Abſchließen aller fruͤheren, ja der ganzen Er¬ lebungsweiſe, — denn wie viel Neues, Großes und Unerwartetes auch ferner mir in einem wechſelvollen Leben begegnet iſt, wie mancherlei Gutes und Liebes ſich mir entwickelt und angeeignet hat, ſo iſt doch in dieſen vierundzwanzig Jahren, die ich ſeit jenem Zeit¬ punkte zaͤhle, mir kein Begegniß, keine innere noch aͤußere Lebenserfahrung mir wiedergekehrt, die ich jener genannten anreihen, und mit ihr, und den vorher¬ gegangenen in gleichen Werth ſtellen koͤnnte. So iſt mir noch heute *Rahel das neueſte und Friſcheſte meines ganzen Lebens, und indem ich aufzeichnen will, von welchen Umſtaͤnden und Stimmungen unſer begin¬ nendes Verhaͤltniß begleitet war, darf ich den warmen
* Geſchrieben im Sommer 1832.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0170"n="156"/>
Muͤhe folgerecht und nachhaltig mitwirkten, und den<lb/>
Gewinn ordnen und bewahren konnten, ihm ſelbſt aber<lb/>
nimmermehr hervorzubringen vermocht haͤtten. Solcher<lb/>
geſteigerten Lebensſtufen zaͤhlte ich bis dahin hauptſaͤch¬<lb/>
lich drei, das erſte Andringen allgemeinen geiſtigen Lebens<lb/>
im Beginn meiner Studien zu Berlin, das Freiwerden<lb/>
eines ſich ſelbſt beſtimmenden und lebensthaͤtigen Da¬<lb/>ſtehens, und die kraͤftigende Weihe der akademiſchen<lb/>
Herrlichkeit zu Halle. Jetzt kam, acht Jahre nach jener<lb/>
erſten, die vierte Stufe hinzu, durch das Bekanntwerden<lb/>
mit Rahel; ein Wiederaufnehmen, ein Zuſammenfaſſen<lb/>
und ein Abſchließen aller fruͤheren, ja der ganzen Er¬<lb/>
lebungsweiſe, — denn wie viel Neues, Großes und<lb/>
Unerwartetes auch ferner mir in einem wechſelvollen<lb/>
Leben begegnet iſt, wie mancherlei Gutes und Liebes<lb/>ſich mir entwickelt und angeeignet hat, ſo iſt doch in<lb/>
dieſen vierundzwanzig Jahren, die ich ſeit jenem Zeit¬<lb/>
punkte zaͤhle, mir kein Begegniß, keine innere noch<lb/>
aͤußere Lebenserfahrung mir wiedergekehrt, die ich jener<lb/>
genannten anreihen, und mit ihr, und den vorher¬<lb/>
gegangenen in gleichen Werth ſtellen koͤnnte. So iſt<lb/>
mir noch heute <noteplace="foot"n="*"><lb/>
Geſchrieben im Sommer <hirendition="#b">1832</hi>.</note>Rahel das neueſte und Friſcheſte<lb/>
meines ganzen Lebens, und indem ich aufzeichnen will,<lb/>
von welchen Umſtaͤnden und Stimmungen unſer begin¬<lb/>
nendes Verhaͤltniß begleitet war, darf ich den warmen<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[156/0170]
Muͤhe folgerecht und nachhaltig mitwirkten, und den
Gewinn ordnen und bewahren konnten, ihm ſelbſt aber
nimmermehr hervorzubringen vermocht haͤtten. Solcher
geſteigerten Lebensſtufen zaͤhlte ich bis dahin hauptſaͤch¬
lich drei, das erſte Andringen allgemeinen geiſtigen Lebens
im Beginn meiner Studien zu Berlin, das Freiwerden
eines ſich ſelbſt beſtimmenden und lebensthaͤtigen Da¬
ſtehens, und die kraͤftigende Weihe der akademiſchen
Herrlichkeit zu Halle. Jetzt kam, acht Jahre nach jener
erſten, die vierte Stufe hinzu, durch das Bekanntwerden
mit Rahel; ein Wiederaufnehmen, ein Zuſammenfaſſen
und ein Abſchließen aller fruͤheren, ja der ganzen Er¬
lebungsweiſe, — denn wie viel Neues, Großes und
Unerwartetes auch ferner mir in einem wechſelvollen
Leben begegnet iſt, wie mancherlei Gutes und Liebes
ſich mir entwickelt und angeeignet hat, ſo iſt doch in
dieſen vierundzwanzig Jahren, die ich ſeit jenem Zeit¬
punkte zaͤhle, mir kein Begegniß, keine innere noch
aͤußere Lebenserfahrung mir wiedergekehrt, die ich jener
genannten anreihen, und mit ihr, und den vorher¬
gegangenen in gleichen Werth ſtellen koͤnnte. So iſt
mir noch heute *Rahel das neueſte und Friſcheſte
meines ganzen Lebens, und indem ich aufzeichnen will,
von welchen Umſtaͤnden und Stimmungen unſer begin¬
nendes Verhaͤltniß begleitet war, darf ich den warmen
*
Geſchrieben im Sommer 1832.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/170>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.