sei, und nichts den tollen Bonaparte mehr vom Unter¬ gange retten könne. Als man von französischen Gene¬ ralen sprechen wollte, fiel er heftig ein: "Generale? wo sollten die herkommen? Wir Preußen haben Gene¬ rale, die den Krieg verstehen, die von Jugend auf ge¬ dient haben, jene Schneider und Schuster, die erst durch die Revolution etwas geworden, können vor solchen Männern nur gleich davon laufen. Ich bitte Sie um Gottes willen, sprechen Sie mir nicht von französischen Generalen!" Das war denn doch zu arg, man er¬ wiederte kurz, die wahren Generale seien gerade die, welche es, trotz ihrer Geburt oder ihres früheren Stan¬ des, durch den Krieg geworden, sie kämen überall her, vom Dreschflegel, von der Elle, sogar zuweilen vom Paradeplatz und vom Nachtdienst! Der Mann sah mit grimmigem Erstaunen drein, Schmalz aber, der als heftiger Preuße solchen Unsinns doch sich schämte, trat eilig vermittelnd auf, bestätigte jedoch im Allgemeinen die letztere Aeußerung, indem er sie zugleich milder einkleidete, und das ungebärdige Gespräch verlief sich zuletzt in einem Schwall nutzloser Redensarten, unter denen man sich trennte.
Die Truppenzüge dauerten fort, in Halle nahm der General Graf von Wartensleben sein Quartier, und es hieß, seine Mannschaft würde fürerst in dieser Gegend stehen bleiben. Wir waren Freitag Abends wie gewöhn¬ lich bei Schleiermacher beisammen, und besprachen diese
ſei, und nichts den tollen Bonaparte mehr vom Unter¬ gange retten koͤnne. Als man von franzoͤſiſchen Gene¬ ralen ſprechen wollte, fiel er heftig ein: „Generale? wo ſollten die herkommen? Wir Preußen haben Gene¬ rale, die den Krieg verſtehen, die von Jugend auf ge¬ dient haben, jene Schneider und Schuſter, die erſt durch die Revolution etwas geworden, koͤnnen vor ſolchen Maͤnnern nur gleich davon laufen. Ich bitte Sie um Gottes willen, ſprechen Sie mir nicht von franzoͤſiſchen Generalen!“ Das war denn doch zu arg, man er¬ wiederte kurz, die wahren Generale ſeien gerade die, welche es, trotz ihrer Geburt oder ihres fruͤheren Stan¬ des, durch den Krieg geworden, ſie kaͤmen uͤberall her, vom Dreſchflegel, von der Elle, ſogar zuweilen vom Paradeplatz und vom Nachtdienſt! Der Mann ſah mit grimmigem Erſtaunen drein, Schmalz aber, der als heftiger Preuße ſolchen Unſinns doch ſich ſchaͤmte, trat eilig vermittelnd auf, beſtaͤtigte jedoch im Allgemeinen die letztere Aeußerung, indem er ſie zugleich milder einkleidete, und das ungebaͤrdige Geſpraͤch verlief ſich zuletzt in einem Schwall nutzloſer Redensarten, unter denen man ſich trennte.
Die Truppenzuͤge dauerten fort, in Halle nahm der General Graf von Wartensleben ſein Quartier, und es hieß, ſeine Mannſchaft wuͤrde fuͤrerſt in dieſer Gegend ſtehen bleiben. Wir waren Freitag Abends wie gewoͤhn¬ lich bei Schleiermacher beiſammen, und beſprachen dieſe
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0136"n="122"/>ſei, und nichts den tollen Bonaparte mehr vom Unter¬<lb/>
gange retten koͤnne. Als man von franzoͤſiſchen Gene¬<lb/>
ralen ſprechen wollte, fiel er heftig ein: „Generale?<lb/>
wo ſollten die herkommen? Wir Preußen haben Gene¬<lb/>
rale, die den Krieg verſtehen, die von Jugend auf ge¬<lb/>
dient haben, jene Schneider und Schuſter, die erſt durch<lb/>
die Revolution etwas geworden, koͤnnen vor ſolchen<lb/>
Maͤnnern nur gleich davon laufen. Ich bitte Sie um<lb/>
Gottes willen, ſprechen Sie mir nicht von franzoͤſiſchen<lb/>
Generalen!“ Das war denn doch zu arg, man er¬<lb/>
wiederte kurz, die wahren Generale ſeien gerade die,<lb/>
welche es, trotz ihrer Geburt oder ihres fruͤheren Stan¬<lb/>
des, durch den Krieg geworden, ſie kaͤmen uͤberall her,<lb/>
vom Dreſchflegel, von der Elle, ſogar zuweilen vom<lb/>
Paradeplatz und vom Nachtdienſt! Der Mann ſah mit<lb/>
grimmigem Erſtaunen drein, Schmalz aber, der als<lb/>
heftiger Preuße ſolchen Unſinns doch ſich ſchaͤmte, trat<lb/>
eilig vermittelnd auf, beſtaͤtigte jedoch im Allgemeinen<lb/>
die letztere Aeußerung, indem er ſie zugleich milder<lb/>
einkleidete, und das ungebaͤrdige Geſpraͤch verlief ſich<lb/>
zuletzt in einem Schwall nutzloſer Redensarten, unter<lb/>
denen man ſich trennte.</p><lb/><p>Die Truppenzuͤge dauerten fort, in Halle nahm der<lb/>
General Graf von Wartensleben ſein Quartier, und es<lb/>
hieß, ſeine Mannſchaft wuͤrde fuͤrerſt in dieſer Gegend<lb/>ſtehen bleiben. Wir waren Freitag Abends wie gewoͤhn¬<lb/>
lich bei Schleiermacher beiſammen, und beſprachen dieſe<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[122/0136]
ſei, und nichts den tollen Bonaparte mehr vom Unter¬
gange retten koͤnne. Als man von franzoͤſiſchen Gene¬
ralen ſprechen wollte, fiel er heftig ein: „Generale?
wo ſollten die herkommen? Wir Preußen haben Gene¬
rale, die den Krieg verſtehen, die von Jugend auf ge¬
dient haben, jene Schneider und Schuſter, die erſt durch
die Revolution etwas geworden, koͤnnen vor ſolchen
Maͤnnern nur gleich davon laufen. Ich bitte Sie um
Gottes willen, ſprechen Sie mir nicht von franzoͤſiſchen
Generalen!“ Das war denn doch zu arg, man er¬
wiederte kurz, die wahren Generale ſeien gerade die,
welche es, trotz ihrer Geburt oder ihres fruͤheren Stan¬
des, durch den Krieg geworden, ſie kaͤmen uͤberall her,
vom Dreſchflegel, von der Elle, ſogar zuweilen vom
Paradeplatz und vom Nachtdienſt! Der Mann ſah mit
grimmigem Erſtaunen drein, Schmalz aber, der als
heftiger Preuße ſolchen Unſinns doch ſich ſchaͤmte, trat
eilig vermittelnd auf, beſtaͤtigte jedoch im Allgemeinen
die letztere Aeußerung, indem er ſie zugleich milder
einkleidete, und das ungebaͤrdige Geſpraͤch verlief ſich
zuletzt in einem Schwall nutzloſer Redensarten, unter
denen man ſich trennte.
Die Truppenzuͤge dauerten fort, in Halle nahm der
General Graf von Wartensleben ſein Quartier, und es
hieß, ſeine Mannſchaft wuͤrde fuͤrerſt in dieſer Gegend
ſtehen bleiben. Wir waren Freitag Abends wie gewoͤhn¬
lich bei Schleiermacher beiſammen, und beſprachen dieſe
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/136>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.