Ueberfluß ich nicht umhin konnte als vortheilhaft für mich sein könnend mir vorzustellen, aber ich würde das Geld nicht als Beweggrund haben denken können, ohne mich vor mir selbst zu schämen. Ich habe deßwegen in jener Ihrer Aeußerung die zärt¬ liche Freundin tief gefühlt, habe über Ihre Liebe, über Ihre Besorgnisse mich gefreut, und ich würde diesen weitläufigen Brief, dies Stück Roman nicht schreiben, fürchtet' ich nicht, daß Sie von manchen Vorfällen schief unterrichtet sein möchten, und wünscht' ich nicht, Sie zu überzeugen, daß ich, trotz der mancherlei begangnen Fehler, doch wenigstens die Gefahren nicht gelaufen bin, für welche Sie am meisten zu fürchten scheinen.
Ich fing nun an, mit meinem treuen braven Heisch, den ich wieder zu haben mich freute, London zu besehn, legte mich mit Eifer auf die Sprache, studirte die Zeitungen, um das Volk kennen zu lernen, worunter ich mich befand.
Acht Tage waren ungefähr so verflossen, als mir Narbonne eine gerichtliche Obligation zuschickte, worin er sich und seine Erben verpflichtete, mir Zeit meines Lebens fünfzig Louisd'or jährlich zu bezahlen, als einen Beweis, wie es in der Obligation hieß, seiner Dankbarkeit für meine ihm geleisteten Dienste. Dies Papier war von einem Billet begleitet, worin er mich in sehr höflichen Ausdrücken bat, das Beikommende anzunehmen, worin er es bedauerte, daß Geschäfte ihn verhindert hätten, mich zu besuchen, und worin er am Ende sagte, nichts würd' ihn ab¬ halten können, in den nächsten Tagen zu mir zu kommen und mich zu sehn. -- Ich war gesonnen, seine Obligation zu behal¬ ten, im Fall' ich sie, durch Narbonne's künftiges Betragen be¬ rechtigt, als ein freundschaftliches Geschenk würde ansehn können, und schrieb ihm daher zurück, ich sähe seinem Besuche, um ihm meine Dankbarkeit beweisen zu können, mit heißer Erwartung entgegen. -- Ich war dies um so mehr berechtigt zu schreiben,
Ueberfluß ich nicht umhin konnte als vortheilhaft fuͤr mich ſein koͤnnend mir vorzuſtellen, aber ich wuͤrde das Geld nicht als Beweggrund haben denken koͤnnen, ohne mich vor mir ſelbſt zu ſchaͤmen. Ich habe deßwegen in jener Ihrer Aeußerung die zaͤrt¬ liche Freundin tief gefuͤhlt, habe uͤber Ihre Liebe, uͤber Ihre Beſorgniſſe mich gefreut, und ich wuͤrde dieſen weitlaͤufigen Brief, dies Stuͤck Roman nicht ſchreiben, fuͤrchtet’ ich nicht, daß Sie von manchen Vorfaͤllen ſchief unterrichtet ſein moͤchten, und wuͤnſcht’ ich nicht, Sie zu uͤberzeugen, daß ich, trotz der mancherlei begangnen Fehler, doch wenigſtens die Gefahren nicht gelaufen bin, fuͤr welche Sie am meiſten zu fuͤrchten ſcheinen.
Ich fing nun an, mit meinem treuen braven Heiſch, den ich wieder zu haben mich freute, London zu beſehn, legte mich mit Eifer auf die Sprache, ſtudirte die Zeitungen, um das Volk kennen zu lernen, worunter ich mich befand.
Acht Tage waren ungefaͤhr ſo verfloſſen, als mir Narbonne eine gerichtliche Obligation zuſchickte, worin er ſich und ſeine Erben verpflichtete, mir Zeit meines Lebens fuͤnfzig Louisd’or jaͤhrlich zu bezahlen, als einen Beweis, wie es in der Obligation hieß, ſeiner Dankbarkeit fuͤr meine ihm geleiſteten Dienſte. Dies Papier war von einem Billet begleitet, worin er mich in ſehr hoͤflichen Ausdruͤcken bat, das Beikommende anzunehmen, worin er es bedauerte, daß Geſchaͤfte ihn verhindert haͤtten, mich zu beſuchen, und worin er am Ende ſagte, nichts wuͤrd’ ihn ab¬ halten koͤnnen, in den naͤchſten Tagen zu mir zu kommen und mich zu ſehn. — Ich war geſonnen, ſeine Obligation zu behal¬ ten, im Fall’ ich ſie, durch Narbonne’s kuͤnftiges Betragen be¬ rechtigt, als ein freundſchaftliches Geſchenk wuͤrde anſehn koͤnnen, und ſchrieb ihm daher zuruͤck, ich ſaͤhe ſeinem Beſuche, um ihm meine Dankbarkeit beweiſen zu koͤnnen, mit heißer Erwartung entgegen. — Ich war dies um ſo mehr berechtigt zu ſchreiben,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0060"n="46"/>
Ueberfluß ich nicht umhin konnte als vortheilhaft fuͤr mich ſein<lb/>
koͤnnend mir vorzuſtellen, aber ich wuͤrde das Geld nicht als<lb/>
Beweggrund haben denken koͤnnen, ohne mich vor mir ſelbſt zu<lb/>ſchaͤmen. Ich habe deßwegen in jener Ihrer Aeußerung die zaͤrt¬<lb/>
liche Freundin tief gefuͤhlt, habe uͤber Ihre Liebe, uͤber Ihre<lb/>
Beſorgniſſe mich gefreut, und ich wuͤrde dieſen weitlaͤufigen Brief,<lb/>
dies Stuͤck Roman nicht ſchreiben, fuͤrchtet’ ich nicht, daß Sie<lb/>
von manchen Vorfaͤllen ſchief unterrichtet ſein moͤchten, und<lb/>
wuͤnſcht’ ich nicht, Sie zu uͤberzeugen, daß ich, trotz der mancherlei<lb/>
begangnen Fehler, doch wenigſtens die Gefahren nicht gelaufen<lb/>
bin, fuͤr welche Sie am meiſten zu fuͤrchten ſcheinen.</p><lb/><p>Ich fing nun an, mit meinem treuen braven Heiſch, den<lb/>
ich wieder zu haben mich freute, London zu beſehn, legte mich<lb/>
mit Eifer auf die Sprache, ſtudirte die Zeitungen, um das Volk<lb/>
kennen zu lernen, worunter ich mich befand.</p><lb/><p>Acht Tage waren ungefaͤhr ſo verfloſſen, als mir Narbonne<lb/>
eine gerichtliche Obligation zuſchickte, worin er ſich und ſeine<lb/>
Erben verpflichtete, mir Zeit meines Lebens fuͤnfzig Louisd’or<lb/>
jaͤhrlich zu bezahlen, als einen Beweis, wie es in der Obligation<lb/>
hieß, ſeiner Dankbarkeit fuͤr meine ihm geleiſteten Dienſte. Dies<lb/>
Papier war von einem Billet begleitet, worin er mich in ſehr<lb/>
hoͤflichen Ausdruͤcken bat, das Beikommende anzunehmen, worin<lb/>
er es bedauerte, daß Geſchaͤfte ihn verhindert haͤtten, mich zu<lb/>
beſuchen, und worin er am Ende ſagte, nichts wuͤrd’ ihn ab¬<lb/>
halten koͤnnen, in den naͤchſten Tagen zu mir zu kommen und<lb/>
mich zu ſehn. — Ich war geſonnen, ſeine Obligation zu behal¬<lb/>
ten, im Fall’ ich ſie, durch Narbonne’s kuͤnftiges Betragen be¬<lb/>
rechtigt, als ein freundſchaftliches Geſchenk wuͤrde anſehn koͤnnen,<lb/>
und ſchrieb ihm daher zuruͤck, ich ſaͤhe ſeinem Beſuche, um ihm<lb/>
meine Dankbarkeit beweiſen zu koͤnnen, mit heißer Erwartung<lb/>
entgegen. — Ich war dies um ſo mehr berechtigt zu ſchreiben,<lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[46/0060]
Ueberfluß ich nicht umhin konnte als vortheilhaft fuͤr mich ſein
koͤnnend mir vorzuſtellen, aber ich wuͤrde das Geld nicht als
Beweggrund haben denken koͤnnen, ohne mich vor mir ſelbſt zu
ſchaͤmen. Ich habe deßwegen in jener Ihrer Aeußerung die zaͤrt¬
liche Freundin tief gefuͤhlt, habe uͤber Ihre Liebe, uͤber Ihre
Beſorgniſſe mich gefreut, und ich wuͤrde dieſen weitlaͤufigen Brief,
dies Stuͤck Roman nicht ſchreiben, fuͤrchtet’ ich nicht, daß Sie
von manchen Vorfaͤllen ſchief unterrichtet ſein moͤchten, und
wuͤnſcht’ ich nicht, Sie zu uͤberzeugen, daß ich, trotz der mancherlei
begangnen Fehler, doch wenigſtens die Gefahren nicht gelaufen
bin, fuͤr welche Sie am meiſten zu fuͤrchten ſcheinen.
Ich fing nun an, mit meinem treuen braven Heiſch, den
ich wieder zu haben mich freute, London zu beſehn, legte mich
mit Eifer auf die Sprache, ſtudirte die Zeitungen, um das Volk
kennen zu lernen, worunter ich mich befand.
Acht Tage waren ungefaͤhr ſo verfloſſen, als mir Narbonne
eine gerichtliche Obligation zuſchickte, worin er ſich und ſeine
Erben verpflichtete, mir Zeit meines Lebens fuͤnfzig Louisd’or
jaͤhrlich zu bezahlen, als einen Beweis, wie es in der Obligation
hieß, ſeiner Dankbarkeit fuͤr meine ihm geleiſteten Dienſte. Dies
Papier war von einem Billet begleitet, worin er mich in ſehr
hoͤflichen Ausdruͤcken bat, das Beikommende anzunehmen, worin
er es bedauerte, daß Geſchaͤfte ihn verhindert haͤtten, mich zu
beſuchen, und worin er am Ende ſagte, nichts wuͤrd’ ihn ab¬
halten koͤnnen, in den naͤchſten Tagen zu mir zu kommen und
mich zu ſehn. — Ich war geſonnen, ſeine Obligation zu behal¬
ten, im Fall’ ich ſie, durch Narbonne’s kuͤnftiges Betragen be¬
rechtigt, als ein freundſchaftliches Geſchenk wuͤrde anſehn koͤnnen,
und ſchrieb ihm daher zuruͤck, ich ſaͤhe ſeinem Beſuche, um ihm
meine Dankbarkeit beweiſen zu koͤnnen, mit heißer Erwartung
entgegen. — Ich war dies um ſo mehr berechtigt zu ſchreiben,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 1. Mannheim, 1837, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten01_1837/60>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.