gemuntert, nie durch Ungerechtigkeit oder Einstim¬ mung in bloße Partheisache sich die Gunst der Kritiker zu erhalten gesucht. Im Gegentheil, er zeigte es un¬ verholen, daß nur Wahrheit und Aechtheit ihn bestim¬ men könne, daß unreines Lob ihn eben so wenig angehe, als unreiner Tadel. Er behielt seinen geliebten Schiller in treuem Andenken, er wußte seinen Wieland zu schätzen und zu ehren, und sonderte sich schon dadurch von der Schlegel'schen Parthei streng ab, die ihn vergebens als ihr Haupt und als ihren Führer vorstellen wollte, er nahm die aufgedrungene Feldherrnschaft niemals an, und blieb in seiner abgesonderten, selbstständigen, freien Stellung. Erst nachdem die Schlegel selber theils in den Hintergrund gewichen, theils zu andern Richtungen übergegangen waren, traten Goethe's unbefangene Ur¬ theile über sie hervor, z. B. in den Briefen an Schiller, an Zelter, in den Jahres- und Tagesheften, wo er sie nach Verdienst würdigt, sie in einigen Stücken rühmt und sich ihnen zu Dank verpflichtet bekennt, sie in andern tadelt, und an ihren Ort stellt. Zu bemerken ist hierbei, daß Goethe nach dem Verstummen des Schlegel'schen Beifalls in den ihm gebrachten Huldi¬ gungen keinen Abgang wahrnehmen konnte; die Zeit¬ genossen seiner früheren Jahre blieben seine treuen Ver¬ ehrer, und unter den jüngern Mitlebenden wandte ein zweites und drittes Geschlecht sich ihm nur stets enthu¬ siastischer zu. Die Schlegel erschienen ganz überflüssig
gemuntert, nie durch Ungerechtigkeit oder Einſtim¬ mung in bloße Partheiſache ſich die Gunſt der Kritiker zu erhalten geſucht. Im Gegentheil, er zeigte es un¬ verholen, daß nur Wahrheit und Aechtheit ihn beſtim¬ men koͤnne, daß unreines Lob ihn eben ſo wenig angehe, als unreiner Tadel. Er behielt ſeinen geliebten Schiller in treuem Andenken, er wußte ſeinen Wieland zu ſchaͤtzen und zu ehren, und ſonderte ſich ſchon dadurch von der Schlegel'ſchen Parthei ſtreng ab, die ihn vergebens als ihr Haupt und als ihren Fuͤhrer vorſtellen wollte, er nahm die aufgedrungene Feldherrnſchaft niemals an, und blieb in ſeiner abgeſonderten, ſelbſtſtaͤndigen, freien Stellung. Erſt nachdem die Schlegel ſelber theils in den Hintergrund gewichen, theils zu andern Richtungen uͤbergegangen waren, traten Goethe's unbefangene Ur¬ theile uͤber ſie hervor, z. B. in den Briefen an Schiller, an Zelter, in den Jahres- und Tagesheften, wo er ſie nach Verdienſt wuͤrdigt, ſie in einigen Stuͤcken ruͤhmt und ſich ihnen zu Dank verpflichtet bekennt, ſie in andern tadelt, und an ihren Ort ſtellt. Zu bemerken iſt hierbei, daß Goethe nach dem Verſtummen des Schlegel'ſchen Beifalls in den ihm gebrachten Huldi¬ gungen keinen Abgang wahrnehmen konnte; die Zeit¬ genoſſen ſeiner fruͤheren Jahre blieben ſeine treuen Ver¬ ehrer, und unter den juͤngern Mitlebenden wandte ein zweites und drittes Geſchlecht ſich ihm nur ſtets enthu¬ ſiaſtiſcher zu. Die Schlegel erſchienen ganz uͤberfluͤſſig
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gemuntert, nie durch Ungerechtigkeit oder Einſtim¬
mung in bloße Partheiſache ſich die Gunſt der Kritiker
zu erhalten geſucht. Im Gegentheil, er zeigte es un¬
verholen, daß nur Wahrheit und Aechtheit ihn beſtim¬
men koͤnne, daß unreines Lob ihn eben ſo wenig angehe,
als unreiner Tadel. Er behielt ſeinen geliebten Schiller
in treuem Andenken, er wußte ſeinen Wieland zu ſchaͤtzen
und zu ehren, und ſonderte ſich ſchon dadurch von der
Schlegel'ſchen Parthei ſtreng ab, die ihn vergebens als
ihr Haupt und als ihren Fuͤhrer vorſtellen wollte, er
nahm die aufgedrungene Feldherrnſchaft niemals an, und
blieb in ſeiner abgeſonderten, ſelbſtſtaͤndigen, freien
Stellung. Erſt nachdem die Schlegel ſelber theils in
den Hintergrund gewichen, theils zu andern Richtungen
uͤbergegangen waren, traten Goethe's unbefangene Ur¬
theile uͤber ſie hervor, z. B. in den Briefen an Schiller,
an Zelter, in den Jahres- und Tagesheften, wo er ſie
nach Verdienſt wuͤrdigt, ſie in einigen Stuͤcken ruͤhmt
und ſich ihnen zu Dank verpflichtet bekennt, ſie in
andern tadelt, und an ihren Ort ſtellt. Zu bemerken
iſt hierbei, daß Goethe nach dem Verſtummen des
Schlegel'ſchen Beifalls in den ihm gebrachten Huldi¬
gungen keinen Abgang wahrnehmen konnte; die Zeit¬
genoſſen ſeiner fruͤheren Jahre blieben ſeine treuen Ver¬
ehrer, und unter den juͤngern Mitlebenden wandte ein
zweites und drittes Geſchlecht ſich ihm nur ſtets enthu¬
ſiaſtiſcher zu. Die Schlegel erſchienen ganz uͤberfluͤſſig
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 1. Mannheim, 1837, S. 475. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten01_1837/489>, abgerufen am 24.11.2024.
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