treten; er zweifelt nicht, die größten Autoritäten unter seinen Scharfsinn zu beugen, sie seinem Genius zu un¬ terwerfen!
Merkwürdig ist es, wie Goethe sich hiebei gegen den leidenschaftlichen Freund verhält! Er traut ihm Be¬ deutendes zu, er weiß, wie sehr die Männer vom Fach oft verblendet sind, wie bestritten und verlacht oft das Spätbewährte anfangs hat auftreten müssen; er mun¬ tert ihn daher auf, und stützt ihn, so weit er es ver¬ mag; allein er dringt mit Vorsicht auf strenge Gründ¬ lichkeit, und diese kann im vorliegenden Falle, bei dem Mangel an gelehrter Umsicht und Vollgültigkeit, nur in sächlich Positivem liegen. Auf dieses weiset daher Goethe gern zurück, auf die bestimmte römische Mauer, die vor Augen ist, auf den deutlichen Einzelbericht des Frontinus von Wasserleitungen. In die Wagnisse phi¬ lologischer Kritik geht er nicht ein, nur den Weg freier Anschauung wünscht er für die Kritik offen zu erhalten.
Wir sind unsrestheils überzeugt, daß Schultz nicht in bloßem Wahne gefaselt, sondern etwas Richtiges wahrgenommen, aber mit Hast und Gewalt übel ver¬ arbeitet hat. Sein Karakter verübte hier in der Wis¬ senschaft, wie früher in der Amtswirksamkeit, die eigen¬ sinnigsten Verkehrtheiten, und wie schon hier, so mußte noch schneller dort sein Verfahren in den größten Nach¬ theil für ihn selbst umschlagen. Sein späteres Werk, über römische Verfassung, gegen Niebuhr, Savigny und Böckh
treten; er zweifelt nicht, die groͤßten Autoritaͤten unter ſeinen Scharfſinn zu beugen, ſie ſeinem Genius zu un¬ terwerfen!
Merkwuͤrdig iſt es, wie Goethe ſich hiebei gegen den leidenſchaftlichen Freund verhaͤlt! Er traut ihm Be¬ deutendes zu, er weiß, wie ſehr die Maͤnner vom Fach oft verblendet ſind, wie beſtritten und verlacht oft das Spaͤtbewaͤhrte anfangs hat auftreten muͤſſen; er mun¬ tert ihn daher auf, und ſtuͤtzt ihn, ſo weit er es ver¬ mag; allein er dringt mit Vorſicht auf ſtrenge Gruͤnd¬ lichkeit, und dieſe kann im vorliegenden Falle, bei dem Mangel an gelehrter Umſicht und Vollguͤltigkeit, nur in ſaͤchlich Poſitivem liegen. Auf dieſes weiſet daher Goethe gern zuruͤck, auf die beſtimmte roͤmiſche Mauer, die vor Augen iſt, auf den deutlichen Einzelbericht des Frontinus von Waſſerleitungen. In die Wagniſſe phi¬ lologiſcher Kritik geht er nicht ein, nur den Weg freier Anſchauung wuͤnſcht er fuͤr die Kritik offen zu erhalten.
Wir ſind unſrestheils uͤberzeugt, daß Schultz nicht in bloßem Wahne gefaſelt, ſondern etwas Richtiges wahrgenommen, aber mit Haſt und Gewalt uͤbel ver¬ arbeitet hat. Sein Karakter veruͤbte hier in der Wiſ¬ ſenſchaft, wie fruͤher in der Amtswirkſamkeit, die eigen¬ ſinnigſten Verkehrtheiten, und wie ſchon hier, ſo mußte noch ſchneller dort ſein Verfahren in den groͤßten Nach¬ theil fuͤr ihn ſelbſt umſchlagen. Sein ſpaͤteres Werk, uͤber roͤmiſche Verfaſſung, gegen Niebuhr, Savigny und Boͤckh
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treten; er zweifelt nicht, die groͤßten Autoritaͤten unter
ſeinen Scharfſinn zu beugen, ſie ſeinem Genius zu un¬
terwerfen!
Merkwuͤrdig iſt es, wie Goethe ſich hiebei gegen
den leidenſchaftlichen Freund verhaͤlt! Er traut ihm Be¬
deutendes zu, er weiß, wie ſehr die Maͤnner vom Fach
oft verblendet ſind, wie beſtritten und verlacht oft das
Spaͤtbewaͤhrte anfangs hat auftreten muͤſſen; er mun¬
tert ihn daher auf, und ſtuͤtzt ihn, ſo weit er es ver¬
mag; allein er dringt mit Vorſicht auf ſtrenge Gruͤnd¬
lichkeit, und dieſe kann im vorliegenden Falle, bei dem
Mangel an gelehrter Umſicht und Vollguͤltigkeit, nur
in ſaͤchlich Poſitivem liegen. Auf dieſes weiſet daher
Goethe gern zuruͤck, auf die beſtimmte roͤmiſche Mauer,
die vor Augen iſt, auf den deutlichen Einzelbericht des
Frontinus von Waſſerleitungen. In die Wagniſſe phi¬
lologiſcher Kritik geht er nicht ein, nur den Weg freier
Anſchauung wuͤnſcht er fuͤr die Kritik offen zu erhalten.
Wir ſind unſrestheils uͤberzeugt, daß Schultz nicht
in bloßem Wahne gefaſelt, ſondern etwas Richtiges
wahrgenommen, aber mit Haſt und Gewalt uͤbel ver¬
arbeitet hat. Sein Karakter veruͤbte hier in der Wiſ¬
ſenſchaft, wie fruͤher in der Amtswirkſamkeit, die eigen¬
ſinnigſten Verkehrtheiten, und wie ſchon hier, ſo mußte
noch ſchneller dort ſein Verfahren in den groͤßten Nach¬
theil fuͤr ihn ſelbſt umſchlagen. Sein ſpaͤteres Werk, uͤber
roͤmiſche Verfaſſung, gegen Niebuhr, Savigny und Boͤckh
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 1. Mannheim, 1837, S. 469. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten01_1837/483>, abgerufen am 23.11.2024.
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