Gehangen zu seyn, das ist schon ein Stand; aber wie wurdet Ihr gehangen, und noch mein Vater? -- Hör zu, sagte er; ich war Soldat und Maraudeur; der Großprofoß erwischte mich, und ließ mich an einen Baum knüpfen; ein kleiner Regen hinderte den Strick so zu¬ zuglitschen, wie er sollte, oder vielmehr wie er nicht sollte; der Henker hatte mir das Hemd gelassen, weil es zerrissen war; Husaren kamen vorbei, die mir auch noch nicht das Hemd nahmen, weil es nichts taugte, aber mit einem Säbelhieb den Strick abschnitten, daß ich auf die Erde fiel. Die Kühle machte, daß ich zu mir selbst kam; ich lief im Hemde nach einem benach¬ barten Flecken, ich ging in eine Schenke, und sagte zu der Frau: Erschreckt nicht mich im Hemde zu sehn, ich habe mein Gepäck zurück; Ihr werdet hören.... Ich verlange von Euch nur eine Feder, Tinte, vier Blätter Papier, ein Solsbrod und einen Schoppen Wein. Mein durchlöchertes Hemd ohne Zweifel bewegte die Frau der Schenke zur Erbarmung; ich schrieb auf die vier Blät¬ ter Papier: Heute großes Schauspiel gegeben von dem berühmten Italiener; die ersten Plätze zu sechs Sols, die zweiten zu drei; jedermann kommt herein gegen Bezahlung. Ich verschanzte mich hinter einer Tapete, ich borgte eine Geige; ich schnitt mein Hemd in Stük¬ ken; daraus machte ich fünf Puppen, die ich mit Tinte und ein wenig von meinem Blut bemahlt hatte, und da laß ich nun wechselsweise meine Puppen reden, singe,
Gehangen zu ſeyn, das iſt ſchon ein Stand; aber wie wurdet Ihr gehangen, und noch mein Vater? — Hoͤr zu, ſagte er; ich war Soldat und Maraudeur; der Großprofoß erwiſchte mich, und ließ mich an einen Baum knuͤpfen; ein kleiner Regen hinderte den Strick ſo zu¬ zuglitſchen, wie er ſollte, oder vielmehr wie er nicht ſollte; der Henker hatte mir das Hemd gelaſſen, weil es zerriſſen war; Huſaren kamen vorbei, die mir auch noch nicht das Hemd nahmen, weil es nichts taugte, aber mit einem Saͤbelhieb den Strick abſchnitten, daß ich auf die Erde fiel. Die Kuͤhle machte, daß ich zu mir ſelbſt kam; ich lief im Hemde nach einem benach¬ barten Flecken, ich ging in eine Schenke, und ſagte zu der Frau: Erſchreckt nicht mich im Hemde zu ſehn, ich habe mein Gepaͤck zuruͤck; Ihr werdet hoͤren.... Ich verlange von Euch nur eine Feder, Tinte, vier Blaͤtter Papier, ein Solsbrod und einen Schoppen Wein. Mein durchloͤchertes Hemd ohne Zweifel bewegte die Frau der Schenke zur Erbarmung; ich ſchrieb auf die vier Blaͤt¬ ter Papier: Heute großes Schauſpiel gegeben von dem beruͤhmten Italiener; die erſten Plaͤtze zu ſechs Sols, die zweiten zu drei; jedermann kommt herein gegen Bezahlung. Ich verſchanzte mich hinter einer Tapete, ich borgte eine Geige; ich ſchnitt mein Hemd in Stuͤk¬ ken; daraus machte ich fuͤnf Puppen, die ich mit Tinte und ein wenig von meinem Blut bemahlt hatte, und da laß ich nun wechſelsweiſe meine Puppen reden, ſinge,
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Gehangen zu ſeyn, das iſt ſchon ein Stand; aber wie
wurdet Ihr gehangen, und noch mein Vater? — Hoͤr
zu, ſagte er; ich war Soldat und Maraudeur; der
Großprofoß erwiſchte mich, und ließ mich an einen Baum
knuͤpfen; ein kleiner Regen hinderte den Strick ſo zu¬
zuglitſchen, wie er ſollte, oder vielmehr wie er nicht
ſollte; der Henker hatte mir das Hemd gelaſſen, weil
es zerriſſen war; Huſaren kamen vorbei, die mir auch
noch nicht das Hemd nahmen, weil es nichts taugte,
aber mit einem Saͤbelhieb den Strick abſchnitten, daß
ich auf die Erde fiel. Die Kuͤhle machte, daß ich zu
mir ſelbſt kam; ich lief im Hemde nach einem benach¬
barten Flecken, ich ging in eine Schenke, und ſagte zu
der Frau: Erſchreckt nicht mich im Hemde zu ſehn, ich
habe mein Gepaͤck zuruͤck; Ihr werdet hoͤren.... Ich
verlange von Euch nur eine Feder, Tinte, vier Blaͤtter
Papier, ein Solsbrod und einen Schoppen Wein. Mein
durchloͤchertes Hemd ohne Zweifel bewegte die Frau der
Schenke zur Erbarmung; ich ſchrieb auf die vier Blaͤt¬
ter Papier: Heute großes Schauſpiel gegeben von dem
beruͤhmten Italiener; die erſten Plaͤtze zu ſechs Sols,
die zweiten zu drei; jedermann kommt herein gegen
Bezahlung. Ich verſchanzte mich hinter einer Tapete,
ich borgte eine Geige; ich ſchnitt mein Hemd in Stuͤk¬
ken; daraus machte ich fuͤnf Puppen, die ich mit Tinte
und ein wenig von meinem Blut bemahlt hatte, und
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 1. Mannheim, 1837, S. 437. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten01_1837/451>, abgerufen am 22.11.2024.
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