sind, haben selten gehörige Beachtung, oft völlige Mi߬ deutung erfahren. Der Dichter will nicht das Ver¬ altete dem Gange der Natur zum Trotz festhalten, nicht die Forderungen eines neuen Aufstrebens abweisen, aber er will das Vorhandene ergreifen, das Neue ihm sicher verknüpfen und beides auf sein wahres Ziel richten. Er schätzt und preist das Dauernde, und gönnt ihm Ausdehnung, nur weiß er dasselbe auch im Wechsel zu finden, und erkennt als das eigentliche Element der Menschheit das Bewegliche, worin ihre höchsten Güter schweben, wie das ganze Weltsystem ja selber nur auf ununterbrochenes allgemeines Umschwingen und Kreisen gegründet ist.
In den Wanderjahren wird dies klar ausgesprochen, und überhaupt ein umfassendes Gebild neuer Lebens¬ ordnungen in festen, doch nicht ängstlichen Umrissen mit dichterischer Freiheit aufgezeigt. Hier liegen fruchtbare Keime für eine Zukunft ausgestreut, welche den Dich¬ ter, nach Maßgabe, daß jene aufgehen, noch weithin¬ aus eben so für den ihrigen halten wird, als er uns durch die schon entfalteten Blüthen der Gegenwart angehört. Die eindringliche und erläuternde Uebersicht, welche Hotho in den Berliner Jahrbüchern für wissen¬ schaftliche Kritik von dem Inhalt und der Gestalt dieses Werkes so glücklich gegeben hat, überhebt uns des Ver¬ suchs einer neuen Analyse, da wir auf jene als auf eine durchaus gelungene und genügende zurückweisen können.
ſind, haben ſelten gehoͤrige Beachtung, oft voͤllige Mi߬ deutung erfahren. Der Dichter will nicht das Ver¬ altete dem Gange der Natur zum Trotz feſthalten, nicht die Forderungen eines neuen Aufſtrebens abweiſen, aber er will das Vorhandene ergreifen, das Neue ihm ſicher verknuͤpfen und beides auf ſein wahres Ziel richten. Er ſchaͤtzt und preiſt das Dauernde, und goͤnnt ihm Ausdehnung, nur weiß er daſſelbe auch im Wechſel zu finden, und erkennt als das eigentliche Element der Menſchheit das Bewegliche, worin ihre hoͤchſten Guͤter ſchweben, wie das ganze Weltſyſtem ja ſelber nur auf ununterbrochenes allgemeines Umſchwingen und Kreiſen gegruͤndet iſt.
In den Wanderjahren wird dies klar ausgeſprochen, und uͤberhaupt ein umfaſſendes Gebild neuer Lebens¬ ordnungen in feſten, doch nicht aͤngſtlichen Umriſſen mit dichteriſcher Freiheit aufgezeigt. Hier liegen fruchtbare Keime fuͤr eine Zukunft ausgeſtreut, welche den Dich¬ ter, nach Maßgabe, daß jene aufgehen, noch weithin¬ aus eben ſo fuͤr den ihrigen halten wird, als er uns durch die ſchon entfalteten Bluͤthen der Gegenwart angehoͤrt. Die eindringliche und erlaͤuternde Ueberſicht, welche Hotho in den Berliner Jahrbuͤchern fuͤr wiſſen¬ ſchaftliche Kritik von dem Inhalt und der Geſtalt dieſes Werkes ſo gluͤcklich gegeben hat, uͤberhebt uns des Ver¬ ſuchs einer neuen Analyſe, da wir auf jene als auf eine durchaus gelungene und genuͤgende zuruͤckweiſen koͤnnen.
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ſind, haben ſelten gehoͤrige Beachtung, oft voͤllige Mi߬
deutung erfahren. Der Dichter will nicht das Ver¬
altete dem Gange der Natur zum Trotz feſthalten, nicht
die Forderungen eines neuen Aufſtrebens abweiſen, aber
er will das Vorhandene ergreifen, das Neue ihm ſicher
verknuͤpfen und beides auf ſein wahres Ziel richten.
Er ſchaͤtzt und preiſt das Dauernde, und goͤnnt ihm
Ausdehnung, nur weiß er daſſelbe auch im Wechſel zu
finden, und erkennt als das eigentliche Element der
Menſchheit das Bewegliche, worin ihre hoͤchſten Guͤter
ſchweben, wie das ganze Weltſyſtem ja ſelber nur auf
ununterbrochenes allgemeines Umſchwingen und Kreiſen
gegruͤndet iſt.
In den Wanderjahren wird dies klar ausgeſprochen,
und uͤberhaupt ein umfaſſendes Gebild neuer Lebens¬
ordnungen in feſten, doch nicht aͤngſtlichen Umriſſen mit
dichteriſcher Freiheit aufgezeigt. Hier liegen fruchtbare
Keime fuͤr eine Zukunft ausgeſtreut, welche den Dich¬
ter, nach Maßgabe, daß jene aufgehen, noch weithin¬
aus eben ſo fuͤr den ihrigen halten wird, als er uns
durch die ſchon entfalteten Bluͤthen der Gegenwart
angehoͤrt. Die eindringliche und erlaͤuternde Ueberſicht,
welche Hotho in den Berliner Jahrbuͤchern fuͤr wiſſen¬
ſchaftliche Kritik von dem Inhalt und der Geſtalt dieſes
Werkes ſo gluͤcklich gegeben hat, uͤberhebt uns des Ver¬
ſuchs einer neuen Analyſe, da wir auf jene als auf eine
durchaus gelungene und genuͤgende zuruͤckweiſen koͤnnen.
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 1. Mannheim, 1837, S. 423. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten01_1837/437>, abgerufen am 25.11.2024.
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