nach Berlin, wo er in der Mitte des August noch sehr leidend eintraf. Er übernahm sogleich mit rüstiger Kraft die Leitung der Geschäfte. Die politische Lage mit klarer Besonnenheit überschauend, wirkte er mit festem Eifer in derjenigen Richtung, welche den Umständen des Augenblicks die einzig angemessene erschien, und in welcher, zu verstärkter Kraft und Verbündung, die ver¬ schiedensten Ansichten zuletzt sich vereinigten.
Die Erschütterung in Frankreich wirkte weit über die Gränzen dieses Landes hinaus, von allen Seiten erhoben sich Bewegungen, die durch Klugheit zu be¬ schränken, durch Einsicht zu meistern oder durch Gewalt zu hemmen waren. Bernstorff zagte keinen Augenblick, auch unter dem Zusammentreffen der verwirrendsten Eindrücke nicht, sondern wandte gegen jede neue Gefahr nur kältere Fassung und erhöhte Vorsicht. Die Ereig¬ nisse nahmen in der That bald wieder eine minder drohende Gestalt, die Hauptkrisis gelangte durch ihre eigenen Gegenwirkungen zum Stillstande, und die wich¬ tigsten Streitfragen wurden allmälig in die Schranken friedlicher Verhandlung eingelenkt, wo das Ansehen und die Macht der erhaltenden Grundsätze sich der Re¬ volution gegenüber im überwiegenden Vortheil finden mußte.
Dieser Stand der Dinge war vorbereitet, allein noch keineswegs vollendet, als Bernstorff in Folge der unausgesetzten Anstrengung und Thätigkeit aufs neue
nach Berlin, wo er in der Mitte des Auguſt noch ſehr leidend eintraf. Er uͤbernahm ſogleich mit ruͤſtiger Kraft die Leitung der Geſchaͤfte. Die politiſche Lage mit klarer Beſonnenheit uͤberſchauend, wirkte er mit feſtem Eifer in derjenigen Richtung, welche den Umſtaͤnden des Augenblicks die einzig angemeſſene erſchien, und in welcher, zu verſtaͤrkter Kraft und Verbuͤndung, die ver¬ ſchiedenſten Anſichten zuletzt ſich vereinigten.
Die Erſchuͤtterung in Frankreich wirkte weit uͤber die Graͤnzen dieſes Landes hinaus, von allen Seiten erhoben ſich Bewegungen, die durch Klugheit zu be¬ ſchraͤnken, durch Einſicht zu meiſtern oder durch Gewalt zu hemmen waren. Bernſtorff zagte keinen Augenblick, auch unter dem Zuſammentreffen der verwirrendſten Eindruͤcke nicht, ſondern wandte gegen jede neue Gefahr nur kaͤltere Faſſung und erhoͤhte Vorſicht. Die Ereig¬ niſſe nahmen in der That bald wieder eine minder drohende Geſtalt, die Hauptkriſis gelangte durch ihre eigenen Gegenwirkungen zum Stillſtande, und die wich¬ tigſten Streitfragen wurden allmaͤlig in die Schranken friedlicher Verhandlung eingelenkt, wo das Anſehen und die Macht der erhaltenden Grundſaͤtze ſich der Re¬ volution gegenuͤber im uͤberwiegenden Vortheil finden mußte.
Dieſer Stand der Dinge war vorbereitet, allein noch keineswegs vollendet, als Bernſtorff in Folge der unausgeſetzten Anſtrengung und Thaͤtigkeit aufs neue
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nach Berlin, wo er in der Mitte des Auguſt noch ſehr
leidend eintraf. Er uͤbernahm ſogleich mit ruͤſtiger Kraft
die Leitung der Geſchaͤfte. Die politiſche Lage mit klarer
Beſonnenheit uͤberſchauend, wirkte er mit feſtem Eifer
in derjenigen Richtung, welche den Umſtaͤnden des
Augenblicks die einzig angemeſſene erſchien, und in
welcher, zu verſtaͤrkter Kraft und Verbuͤndung, die ver¬
ſchiedenſten Anſichten zuletzt ſich vereinigten.
Die Erſchuͤtterung in Frankreich wirkte weit uͤber
die Graͤnzen dieſes Landes hinaus, von allen Seiten
erhoben ſich Bewegungen, die durch Klugheit zu be¬
ſchraͤnken, durch Einſicht zu meiſtern oder durch Gewalt
zu hemmen waren. Bernſtorff zagte keinen Augenblick,
auch unter dem Zuſammentreffen der verwirrendſten
Eindruͤcke nicht, ſondern wandte gegen jede neue Gefahr
nur kaͤltere Faſſung und erhoͤhte Vorſicht. Die Ereig¬
niſſe nahmen in der That bald wieder eine minder
drohende Geſtalt, die Hauptkriſis gelangte durch ihre
eigenen Gegenwirkungen zum Stillſtande, und die wich¬
tigſten Streitfragen wurden allmaͤlig in die Schranken
friedlicher Verhandlung eingelenkt, wo das Anſehen
und die Macht der erhaltenden Grundſaͤtze ſich der Re¬
volution gegenuͤber im uͤberwiegenden Vortheil finden
mußte.
Dieſer Stand der Dinge war vorbereitet, allein
noch keineswegs vollendet, als Bernſtorff in Folge der
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 1. Mannheim, 1837, S. 374. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten01_1837/388>, abgerufen am 22.11.2024.
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