würde, und ich wollte daher ihm seinen Gegenstand noch bei ruhigerer Gemüthsstimmung wählen. Die voll¬ kommenste freundschaftliche Eintracht in den Zwecken des Lebens, und die, wenn es die Umstände erlauben, durch den wechselseitigen Sinnengenuß vor aller Be¬ herrschung durch den Trieb gesicherte Freiheit, war das Ideal meiner Liebe. Ich glaubte dies Ideal zu reali¬ siren, und wenn ich auch nach einigen Jahren meine Täuschung erkennen mußte, so möchte ich doch um nichts diese Jahre seliger Träume aus meiner Erinnerung verlieren. Noch führt mich jede helle Mondnacht in diesen süßen Wahn zurück, -- ach nein, es war nicht Wahn, es war damals Wirklichkeit, dieses feste Ver¬ trauen auf Harmonie unserer Seelen, diese Abgeschie¬ denheit von allem Körperlichen in unserer Vereinigung, dies Vollendete in unserm Sein! Frei fühlte ich mich von allem Einfluß der Welt auf mich an deiner Seite, und unendlich stark, auf sie zu wirken! In diesem Kraftgefühl entstand die kühne Idee in mir, eine voll¬ ständige Theorie der Gesetzgebung liefern zu können, und dies zur Bestimmung meines Lebens zu machen, weil ich noch nicht daran dachte, von was, sondern nur, für was ich leben wollte.
Bald nachdem mein Osterhausen auf die Universität gegangen war, machte ich Bekanntschaft mit Herrn von Grundherr, der damals Lieutenant bei den nürnbergi¬ schen Truppen, der zehn Jahr älter als ich, und mir
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wuͤrde, und ich wollte daher ihm ſeinen Gegenſtand noch bei ruhigerer Gemuͤthsſtimmung waͤhlen. Die voll¬ kommenſte freundſchaftliche Eintracht in den Zwecken des Lebens, und die, wenn es die Umſtaͤnde erlauben, durch den wechſelſeitigen Sinnengenuß vor aller Be¬ herrſchung durch den Trieb geſicherte Freiheit, war das Ideal meiner Liebe. Ich glaubte dies Ideal zu reali¬ ſiren, und wenn ich auch nach einigen Jahren meine Taͤuſchung erkennen mußte, ſo moͤchte ich doch um nichts dieſe Jahre ſeliger Traͤume aus meiner Erinnerung verlieren. Noch fuͤhrt mich jede helle Mondnacht in dieſen ſuͤßen Wahn zuruͤck, — ach nein, es war nicht Wahn, es war damals Wirklichkeit, dieſes feſte Ver¬ trauen auf Harmonie unſerer Seelen, dieſe Abgeſchie¬ denheit von allem Koͤrperlichen in unſerer Vereinigung, dies Vollendete in unſerm Sein! Frei fuͤhlte ich mich von allem Einfluß der Welt auf mich an deiner Seite, und unendlich ſtark, auf ſie zu wirken! In dieſem Kraftgefuͤhl entſtand die kuͤhne Idee in mir, eine voll¬ ſtaͤndige Theorie der Geſetzgebung liefern zu koͤnnen, und dies zur Beſtimmung meines Lebens zu machen, weil ich noch nicht daran dachte, von was, ſondern nur, fuͤr was ich leben wollte.
Bald nachdem mein Oſterhauſen auf die Univerſitaͤt gegangen war, machte ich Bekanntſchaft mit Herrn von Grundherr, der damals Lieutenant bei den nuͤrnbergi¬ ſchen Truppen, der zehn Jahr aͤlter als ich, und mir
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wuͤrde, und ich wollte daher ihm ſeinen Gegenſtand
noch bei ruhigerer Gemuͤthsſtimmung waͤhlen. Die voll¬
kommenſte freundſchaftliche Eintracht in den Zwecken
des Lebens, und die, wenn es die Umſtaͤnde erlauben,
durch den wechſelſeitigen Sinnengenuß vor aller Be¬
herrſchung durch den Trieb geſicherte Freiheit, war das
Ideal meiner Liebe. Ich glaubte dies Ideal zu reali¬
ſiren, und wenn ich auch nach einigen Jahren meine
Taͤuſchung erkennen mußte, ſo moͤchte ich doch um
nichts dieſe Jahre ſeliger Traͤume aus meiner Erinnerung
verlieren. Noch fuͤhrt mich jede helle Mondnacht in
dieſen ſuͤßen Wahn zuruͤck, — ach nein, es war nicht
Wahn, es war damals Wirklichkeit, dieſes feſte Ver¬
trauen auf Harmonie unſerer Seelen, dieſe Abgeſchie¬
denheit von allem Koͤrperlichen in unſerer Vereinigung,
dies Vollendete in unſerm Sein! Frei fuͤhlte ich mich
von allem Einfluß der Welt auf mich an deiner Seite,
und unendlich ſtark, auf ſie zu wirken! In dieſem
Kraftgefuͤhl entſtand die kuͤhne Idee in mir, eine voll¬
ſtaͤndige Theorie der Geſetzgebung liefern zu koͤnnen,
und dies zur Beſtimmung meines Lebens zu machen,
weil ich noch nicht daran dachte, von was, ſondern
nur, fuͤr was ich leben wollte.
Bald nachdem mein Oſterhauſen auf die Univerſitaͤt
gegangen war, machte ich Bekanntſchaft mit Herrn von
Grundherr, der damals Lieutenant bei den nuͤrnbergi¬
ſchen Truppen, der zehn Jahr aͤlter als ich, und mir
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 1. Mannheim, 1837, S. 243. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten01_1837/257>, abgerufen am 24.11.2024.
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