Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 1. Mannheim, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

gesetzt, und als ich in meinem dreizehnten Jahre mehre¬
mal Blut auf meinem Kopfkissen fand, so glaubte ich
daher, daß mir die Nase im Schlaf geblutet hätte; doch
da ich endlich starke Schmerzen in der Zunge empfand,
so wurde ich aufmerksam, und entdeckte, daß ich mich
in die Zunge gebissen hatte. Ich dachte darüber nicht
weiter nach, bis ich in meinem vierzehnten Jahre bei
Tage einen Anfall von Epilepsie, und kurz darauf in
der Osterwoche 1780 in zwei Tagen dreizehn Anfälle
bekam. Meine Aeltern waren darüber in der größten
Bestürzung, und konsultirten einen Arzt, Herrn Dr.
Beyer, darüber. Dieser verordnete, daß ich kein Bier
mehr und außer Melissenthee auch kein warmes Getränke
trinken, daß meine Aeltern mir keine Lehrstunde mehr
geben lassen, und mich von allem Lesen und Rechnen
abhalten sollten. Dies wurde getreulich erfüllt, und
ich hatte ein Halbjahr, länger hielt ich es nicht aus,
keine andre Beschäftigung, als meine Profession, aß
dabei sehr stark Fleisch und Obst, und trank viele Milch.
Diese Diät beobachtete ich, mit wenigen Ausnahmen,
bis in mein dreiundzwanzigstes Jahr. Was mein Arzt
und meine Aeltern aber nicht wußten, und ich oben er¬
zählte, schien mir die Hauptursache meiner Zufälle, und
ich trug nun von meiner Seite wohl eben so viel zu
meiner Kur bei, als mein Arzt durch die angeordnete
Diät. Ich bekam zwar keinen Anfall von Epilepsie
mehr, behielt aber, bis ich nach und nach zu einer

15 *

geſetzt, und als ich in meinem dreizehnten Jahre mehre¬
mal Blut auf meinem Kopfkiſſen fand, ſo glaubte ich
daher, daß mir die Naſe im Schlaf geblutet haͤtte; doch
da ich endlich ſtarke Schmerzen in der Zunge empfand,
ſo wurde ich aufmerkſam, und entdeckte, daß ich mich
in die Zunge gebiſſen hatte. Ich dachte daruͤber nicht
weiter nach, bis ich in meinem vierzehnten Jahre bei
Tage einen Anfall von Epilepſie, und kurz darauf in
der Oſterwoche 1780 in zwei Tagen dreizehn Anfaͤlle
bekam. Meine Aeltern waren daruͤber in der groͤßten
Beſtuͤrzung, und konſultirten einen Arzt, Herrn Dr.
Beyer, daruͤber. Dieſer verordnete, daß ich kein Bier
mehr und außer Meliſſenthee auch kein warmes Getraͤnke
trinken, daß meine Aeltern mir keine Lehrſtunde mehr
geben laſſen, und mich von allem Leſen und Rechnen
abhalten ſollten. Dies wurde getreulich erfuͤllt, und
ich hatte ein Halbjahr, laͤnger hielt ich es nicht aus,
keine andre Beſchaͤftigung, als meine Profeſſion, aß
dabei ſehr ſtark Fleiſch und Obſt, und trank viele Milch.
Dieſe Diaͤt beobachtete ich, mit wenigen Ausnahmen,
bis in mein dreiundzwanzigſtes Jahr. Was mein Arzt
und meine Aeltern aber nicht wußten, und ich oben er¬
zaͤhlte, ſchien mir die Haupturſache meiner Zufaͤlle, und
ich trug nun von meiner Seite wohl eben ſo viel zu
meiner Kur bei, als mein Arzt durch die angeordnete
Diaͤt. Ich bekam zwar keinen Anfall von Epilepſie
mehr, behielt aber, bis ich nach und nach zu einer

15 *
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0241" n="227"/>
ge&#x017F;etzt, und als ich in meinem dreizehnten Jahre mehre¬<lb/>
mal Blut auf meinem Kopfki&#x017F;&#x017F;en fand, &#x017F;o glaubte ich<lb/>
daher, daß mir die Na&#x017F;e im Schlaf geblutet ha&#x0364;tte; doch<lb/>
da ich endlich &#x017F;tarke Schmerzen in der Zunge empfand,<lb/>
&#x017F;o wurde ich aufmerk&#x017F;am, und entdeckte, daß ich mich<lb/>
in die Zunge gebi&#x017F;&#x017F;en hatte. Ich dachte daru&#x0364;ber nicht<lb/>
weiter nach, bis ich in meinem vierzehnten Jahre bei<lb/>
Tage einen Anfall von Epilep&#x017F;ie, und kurz darauf in<lb/>
der O&#x017F;terwoche <hi rendition="#b">1780</hi> in zwei Tagen dreizehn Anfa&#x0364;lle<lb/>
bekam. Meine Aeltern waren daru&#x0364;ber in der gro&#x0364;ßten<lb/>
Be&#x017F;tu&#x0364;rzung, und kon&#x017F;ultirten einen Arzt, Herrn Dr.<lb/>
Beyer, daru&#x0364;ber. Die&#x017F;er verordnete, daß ich kein Bier<lb/>
mehr und außer Meli&#x017F;&#x017F;enthee auch kein warmes Getra&#x0364;nke<lb/>
trinken, daß meine Aeltern mir keine Lehr&#x017F;tunde mehr<lb/>
geben la&#x017F;&#x017F;en, und mich von allem Le&#x017F;en und Rechnen<lb/>
abhalten &#x017F;ollten. Dies wurde getreulich erfu&#x0364;llt, und<lb/>
ich hatte ein Halbjahr, la&#x0364;nger hielt ich es nicht aus,<lb/>
keine andre Be&#x017F;cha&#x0364;ftigung, als meine Profe&#x017F;&#x017F;ion, aß<lb/>
dabei &#x017F;ehr &#x017F;tark Flei&#x017F;ch und Ob&#x017F;t, und trank viele Milch.<lb/>
Die&#x017F;e Dia&#x0364;t beobachtete ich, mit wenigen Ausnahmen,<lb/>
bis in mein dreiundzwanzig&#x017F;tes Jahr. Was mein Arzt<lb/>
und meine Aeltern aber nicht wußten, und ich oben er¬<lb/>
za&#x0364;hlte, &#x017F;chien mir die Hauptur&#x017F;ache meiner Zufa&#x0364;lle, und<lb/>
ich trug nun von meiner Seite wohl eben &#x017F;o viel zu<lb/>
meiner Kur bei, als mein Arzt durch die angeordnete<lb/>
Dia&#x0364;t. Ich bekam zwar keinen Anfall von Epilep&#x017F;ie<lb/>
mehr, behielt aber, bis ich nach und nach zu einer<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#b">15</hi> *<lb/></fw>
</p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[227/0241] geſetzt, und als ich in meinem dreizehnten Jahre mehre¬ mal Blut auf meinem Kopfkiſſen fand, ſo glaubte ich daher, daß mir die Naſe im Schlaf geblutet haͤtte; doch da ich endlich ſtarke Schmerzen in der Zunge empfand, ſo wurde ich aufmerkſam, und entdeckte, daß ich mich in die Zunge gebiſſen hatte. Ich dachte daruͤber nicht weiter nach, bis ich in meinem vierzehnten Jahre bei Tage einen Anfall von Epilepſie, und kurz darauf in der Oſterwoche 1780 in zwei Tagen dreizehn Anfaͤlle bekam. Meine Aeltern waren daruͤber in der groͤßten Beſtuͤrzung, und konſultirten einen Arzt, Herrn Dr. Beyer, daruͤber. Dieſer verordnete, daß ich kein Bier mehr und außer Meliſſenthee auch kein warmes Getraͤnke trinken, daß meine Aeltern mir keine Lehrſtunde mehr geben laſſen, und mich von allem Leſen und Rechnen abhalten ſollten. Dies wurde getreulich erfuͤllt, und ich hatte ein Halbjahr, laͤnger hielt ich es nicht aus, keine andre Beſchaͤftigung, als meine Profeſſion, aß dabei ſehr ſtark Fleiſch und Obſt, und trank viele Milch. Dieſe Diaͤt beobachtete ich, mit wenigen Ausnahmen, bis in mein dreiundzwanzigſtes Jahr. Was mein Arzt und meine Aeltern aber nicht wußten, und ich oben er¬ zaͤhlte, ſchien mir die Haupturſache meiner Zufaͤlle, und ich trug nun von meiner Seite wohl eben ſo viel zu meiner Kur bei, als mein Arzt durch die angeordnete Diaͤt. Ich bekam zwar keinen Anfall von Epilepſie mehr, behielt aber, bis ich nach und nach zu einer 15 *

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten01_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten01_1837/241
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 1. Mannheim, 1837, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten01_1837/241>, abgerufen am 04.05.2024.