Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 1. Mannheim, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite

seinem Schlafgenossen klagte, lachte dieser, und zeigte
aus seinem Rocke hervor einige Rollen Gold und für
dreißigtausend Gulden Wechsel, die ruhig am Thür¬
pfosten mitgehangen hatten, ohne daß ihm darum bange
gewesen! Als Gegenstück dieses Falles, wo das Geld
der ängstlichen Sorge um dasselbe nicht werthgeachtet
erscheint, noch ein anderer Zug, in welchem die Vor¬
stellung von Recht und Unrecht dem Theile mehr Werth
als dem Ganzen beilegt. Ein Wechselhaus in Deutsch¬
land hatte an Schlabrendorf eine Summe von etwa
zwanzigtausend Franken zu übermachen, und zeigte ihm
an, daß dieses Geld nach beigelegtem Ausweise zu seiner
Verfügung bereit liege. An der Berechnung fand er
eine Kleinigkeit auszusetzen, er glaubte die Gebühren
um ein Geringes überschritten, und mit allem Unwillen
eines Gekränkten und Mißhandelten that er Einspruch.
Vergebens suchte sich das in wohlerworbenem Rufe ge¬
achtete Wechselhaus zu rechtfertigen, er blieb dabei,
man habe ihn übertheuert, und war nicht zu bewegen,
das Geld zu beziehen; lieber, als in solches, nach seiner
Meinung, ihm zugefügtes Unrecht einwilligen, ließ er
alles fahren, und lange Jahre hindurch blieb auf diese
Weise bei den betroffenen Leuten die ganze Summe
ungenutzt liegen. Welchen Ausgang die Sache zuletzt
genommen, ist uns nicht bekannt geworden. -- Meh¬
reres, was Niemeyer im zweiten Theile seiner Depor¬
tationsreise nach Frankreich aus dem Jahre 1807 von

11 *

ſeinem Schlafgenoſſen klagte, lachte dieſer, und zeigte
aus ſeinem Rocke hervor einige Rollen Gold und fuͤr
dreißigtauſend Gulden Wechſel, die ruhig am Thuͤr¬
pfoſten mitgehangen hatten, ohne daß ihm darum bange
geweſen! Als Gegenſtuͤck dieſes Falles, wo das Geld
der aͤngſtlichen Sorge um daſſelbe nicht werthgeachtet
erſcheint, noch ein anderer Zug, in welchem die Vor¬
ſtellung von Recht und Unrecht dem Theile mehr Werth
als dem Ganzen beilegt. Ein Wechſelhaus in Deutſch¬
land hatte an Schlabrendorf eine Summe von etwa
zwanzigtauſend Franken zu uͤbermachen, und zeigte ihm
an, daß dieſes Geld nach beigelegtem Ausweiſe zu ſeiner
Verfuͤgung bereit liege. An der Berechnung fand er
eine Kleinigkeit auszuſetzen, er glaubte die Gebuͤhren
um ein Geringes uͤberſchritten, und mit allem Unwillen
eines Gekraͤnkten und Mißhandelten that er Einſpruch.
Vergebens ſuchte ſich das in wohlerworbenem Rufe ge¬
achtete Wechſelhaus zu rechtfertigen, er blieb dabei,
man habe ihn uͤbertheuert, und war nicht zu bewegen,
das Geld zu beziehen; lieber, als in ſolches, nach ſeiner
Meinung, ihm zugefuͤgtes Unrecht einwilligen, ließ er
alles fahren, und lange Jahre hindurch blieb auf dieſe
Weiſe bei den betroffenen Leuten die ganze Summe
ungenutzt liegen. Welchen Ausgang die Sache zuletzt
genommen, iſt uns nicht bekannt geworden. — Meh¬
reres, was Niemeyer im zweiten Theile ſeiner Depor¬
tationsreiſe nach Frankreich aus dem Jahre 1807 von

11 *
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0177" n="163"/>
&#x017F;einem Schlafgeno&#x017F;&#x017F;en klagte, lachte die&#x017F;er, und zeigte<lb/>
aus &#x017F;einem Rocke hervor einige Rollen Gold und fu&#x0364;r<lb/>
dreißigtau&#x017F;end Gulden Wech&#x017F;el, die ruhig am Thu&#x0364;<lb/>
pfo&#x017F;ten mitgehangen hatten, ohne daß ihm darum bange<lb/>
gewe&#x017F;en! Als Gegen&#x017F;tu&#x0364;ck die&#x017F;es Falles, wo das Geld<lb/>
der a&#x0364;ng&#x017F;tlichen Sorge um da&#x017F;&#x017F;elbe nicht werthgeachtet<lb/>
er&#x017F;cheint, noch ein anderer Zug, in welchem die Vor¬<lb/>
&#x017F;tellung von Recht und Unrecht dem Theile mehr Werth<lb/>
als dem Ganzen beilegt. Ein Wech&#x017F;elhaus in Deut&#x017F;ch¬<lb/>
land hatte an Schlabrendorf eine Summe von etwa<lb/>
zwanzigtau&#x017F;end Franken zu u&#x0364;bermachen, und zeigte ihm<lb/>
an, daß die&#x017F;es Geld nach beigelegtem Auswei&#x017F;e zu &#x017F;einer<lb/>
Verfu&#x0364;gung bereit liege. An der Berechnung fand er<lb/>
eine Kleinigkeit auszu&#x017F;etzen, er glaubte die Gebu&#x0364;hren<lb/>
um ein Geringes u&#x0364;ber&#x017F;chritten, und mit allem Unwillen<lb/>
eines Gekra&#x0364;nkten und Mißhandelten that er Ein&#x017F;pruch.<lb/>
Vergebens &#x017F;uchte &#x017F;ich das in wohlerworbenem Rufe ge¬<lb/>
achtete Wech&#x017F;elhaus zu rechtfertigen, er blieb dabei,<lb/>
man habe ihn u&#x0364;bertheuert, und war nicht zu bewegen,<lb/>
das Geld zu beziehen; lieber, als in &#x017F;olches, nach &#x017F;einer<lb/>
Meinung, ihm zugefu&#x0364;gtes Unrecht einwilligen, ließ er<lb/>
alles fahren, und lange Jahre hindurch blieb auf die&#x017F;e<lb/>
Wei&#x017F;e bei den betroffenen Leuten die ganze Summe<lb/>
ungenutzt liegen. Welchen Ausgang die Sache zuletzt<lb/>
genommen, i&#x017F;t uns nicht bekannt geworden. &#x2014; Meh¬<lb/>
reres, was Niemeyer im zweiten Theile &#x017F;einer Depor¬<lb/>
tationsrei&#x017F;e nach Frankreich aus dem Jahre <hi rendition="#b">1807</hi> von<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#b">11</hi> *<lb/></fw>
</p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[163/0177] ſeinem Schlafgenoſſen klagte, lachte dieſer, und zeigte aus ſeinem Rocke hervor einige Rollen Gold und fuͤr dreißigtauſend Gulden Wechſel, die ruhig am Thuͤr¬ pfoſten mitgehangen hatten, ohne daß ihm darum bange geweſen! Als Gegenſtuͤck dieſes Falles, wo das Geld der aͤngſtlichen Sorge um daſſelbe nicht werthgeachtet erſcheint, noch ein anderer Zug, in welchem die Vor¬ ſtellung von Recht und Unrecht dem Theile mehr Werth als dem Ganzen beilegt. Ein Wechſelhaus in Deutſch¬ land hatte an Schlabrendorf eine Summe von etwa zwanzigtauſend Franken zu uͤbermachen, und zeigte ihm an, daß dieſes Geld nach beigelegtem Ausweiſe zu ſeiner Verfuͤgung bereit liege. An der Berechnung fand er eine Kleinigkeit auszuſetzen, er glaubte die Gebuͤhren um ein Geringes uͤberſchritten, und mit allem Unwillen eines Gekraͤnkten und Mißhandelten that er Einſpruch. Vergebens ſuchte ſich das in wohlerworbenem Rufe ge¬ achtete Wechſelhaus zu rechtfertigen, er blieb dabei, man habe ihn uͤbertheuert, und war nicht zu bewegen, das Geld zu beziehen; lieber, als in ſolches, nach ſeiner Meinung, ihm zugefuͤgtes Unrecht einwilligen, ließ er alles fahren, und lange Jahre hindurch blieb auf dieſe Weiſe bei den betroffenen Leuten die ganze Summe ungenutzt liegen. Welchen Ausgang die Sache zuletzt genommen, iſt uns nicht bekannt geworden. — Meh¬ reres, was Niemeyer im zweiten Theile ſeiner Depor¬ tationsreiſe nach Frankreich aus dem Jahre 1807 von 11 *

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten01_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten01_1837/177
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 1. Mannheim, 1837, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten01_1837/177>, abgerufen am 27.11.2024.