achttausend Franken, und Schlabrendorf hatte deren nur viertausend zur Verfügung, aber augenblicklich schaffte er die fehlenden viertausend durch ein Anlehn herbei, und die Tochter hatte das Glück, ihren Vater sofort in Freiheit zu sehn. Merkwürdig war auch sonst sein Be¬ nehmen in Betreff des Geldes. Er besuchte, ungefähr um die Zeit des Anfangs der französischen Revolution, in Karlsruhe den Markgrafen Karl Friedrich, mit wel¬ chem vortrefflichen Fürsten er in der schönsten, innigsten Bekanntschaft stand. Der Naturforscher Gmelin fuhr mit Schlabrendorf nach Rastatt, wo sie über Nacht bleiben wollten. Das Wirthshaus war aber ganz be¬ setzt und voller Bewegung. Mit Mühe erlangte Gmelin von dem Wirthe ein kleines Stübchen gleicher Erde neben der Hausthüre, das sonst gar nicht in Betracht zu kommen pflegte. Zur Nacht sich entkleidend hängt Schlabrendorf seinen Rock lässig an den Thürpfosten, und legt sich ruhig schlafen. Gmelin wollte die Thüre schließen, da versicherte Schlabrendorf, er könne durch¬ aus nicht in einem verschlossenen Zimmer schlafen, und die Thüre blieb also unverschlossen. Schlabrendorf schlief als¬ bald ein, Gmelin aber, der die fortdauernde Bewegung im Hause hörte, auch manchmal die Stubenthüre durch Irrthum anfassen und aufklinken hörte, und Ueberfall von Fremden, vielleicht auch Dieberei fürchtete, that fast kein Auge zu. Als er dies am andern Morgen
achttauſend Franken, und Schlabrendorf hatte deren nur viertauſend zur Verfuͤgung, aber augenblicklich ſchaffte er die fehlenden viertauſend durch ein Anlehn herbei, und die Tochter hatte das Gluͤck, ihren Vater ſofort in Freiheit zu ſehn. Merkwuͤrdig war auch ſonſt ſein Be¬ nehmen in Betreff des Geldes. Er beſuchte, ungefaͤhr um die Zeit des Anfangs der franzoͤſiſchen Revolution, in Karlsruhe den Markgrafen Karl Friedrich, mit wel¬ chem vortrefflichen Fuͤrſten er in der ſchoͤnſten, innigſten Bekanntſchaft ſtand. Der Naturforſcher Gmelin fuhr mit Schlabrendorf nach Raſtatt, wo ſie uͤber Nacht bleiben wollten. Das Wirthshaus war aber ganz be¬ ſetzt und voller Bewegung. Mit Muͤhe erlangte Gmelin von dem Wirthe ein kleines Stuͤbchen gleicher Erde neben der Hausthuͤre, das ſonſt gar nicht in Betracht zu kommen pflegte. Zur Nacht ſich entkleidend haͤngt Schlabrendorf ſeinen Rock laͤſſig an den Thuͤrpfoſten, und legt ſich ruhig ſchlafen. Gmelin wollte die Thuͤre ſchließen, da verſicherte Schlabrendorf, er koͤnne durch¬ aus nicht in einem verſchloſſenen Zimmer ſchlafen, und die Thuͤre blieb alſo unverſchloſſen. Schlabrendorf ſchlief als¬ bald ein, Gmelin aber, der die fortdauernde Bewegung im Hauſe hoͤrte, auch manchmal die Stubenthuͤre durch Irrthum anfaſſen und aufklinken hoͤrte, und Ueberfall von Fremden, vielleicht auch Dieberei fuͤrchtete, that faſt kein Auge zu. Als er dies am andern Morgen
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achttauſend Franken, und Schlabrendorf hatte deren nur
viertauſend zur Verfuͤgung, aber augenblicklich ſchaffte
er die fehlenden viertauſend durch ein Anlehn herbei,
und die Tochter hatte das Gluͤck, ihren Vater ſofort in
Freiheit zu ſehn. Merkwuͤrdig war auch ſonſt ſein Be¬
nehmen in Betreff des Geldes. Er beſuchte, ungefaͤhr
um die Zeit des Anfangs der franzoͤſiſchen Revolution,
in Karlsruhe den Markgrafen Karl Friedrich, mit wel¬
chem vortrefflichen Fuͤrſten er in der ſchoͤnſten, innigſten
Bekanntſchaft ſtand. Der Naturforſcher Gmelin fuhr
mit Schlabrendorf nach Raſtatt, wo ſie uͤber Nacht
bleiben wollten. Das Wirthshaus war aber ganz be¬
ſetzt und voller Bewegung. Mit Muͤhe erlangte Gmelin
von dem Wirthe ein kleines Stuͤbchen gleicher Erde
neben der Hausthuͤre, das ſonſt gar nicht in Betracht
zu kommen pflegte. Zur Nacht ſich entkleidend haͤngt
Schlabrendorf ſeinen Rock laͤſſig an den Thuͤrpfoſten,
und legt ſich ruhig ſchlafen. Gmelin wollte die Thuͤre
ſchließen, da verſicherte Schlabrendorf, er koͤnne durch¬
aus nicht in einem verſchloſſenen Zimmer ſchlafen, und die
Thuͤre blieb alſo unverſchloſſen. Schlabrendorf ſchlief als¬
bald ein, Gmelin aber, der die fortdauernde Bewegung
im Hauſe hoͤrte, auch manchmal die Stubenthuͤre durch
Irrthum anfaſſen und aufklinken hoͤrte, und Ueberfall
von Fremden, vielleicht auch Dieberei fuͤrchtete, that
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 1. Mannheim, 1837, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten01_1837/176>, abgerufen am 24.11.2024.
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