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Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835.

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Von dem Embryo.

2. Die Ortsveränderung der Hoden, oder, wie wir sie zum
Unterschiede der vorigen genauer bezeichnen wollen, die eigen-
thümliche Locomotion der Hoden. Dieser auf die praktische
Chirurgie unmittelbar einfliessende Gegenstand ist von vielen Sei-
ten, besonders seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts bis auf
die neueste Zeit bearbeitet worden. Da Berufene und Unberu-
fene sich der Sache annahmen, so konnte es zwar an Beleuch-
tung, aber auch an Irrthümern nicht fehlen. Die Zahl der letz-
teren wurde oft sogar durch grosse Auctoritaten begründet und
vermehrt. Wir selbst hatten bis jetzt noch keine Gelegenheit,
den Gegenstand so vollständig zu verfolgen, dass ein entscheiden-
des Urtheil uns zukäme. Es schien uns daher rathsamer, in aller
Kürze die wichtigsten Ansichten jedoch nur nach den uns zu
Gebote stehenden Urquellen anzuführen. Wir können aber die
Bemerkung nicht unterdrücken, dass die Darstellungen von Seiler,
Joh. Müller und Rathke von theoretischer Seite sowohl, als nach
den wenigen Beobachtungen, die wir zu machen Gelegenheit fan-
den, uns die wahrsten zu seyn scheinen.

1756. -- P. Camper (kleine Schriften übers. von Herbell.
Bd. 2. 1781. 8.) beschreibt den Kanal, durch welchen der Hoden
hindurchgeht, zuerst genauer. Dieser Kanal war schon Galen
als sogenannter poros, meatus, Nuck als diverticulum bekannt
(S. 46.). Er ist nach Camper das Bauchfell selbst, welches gleich-
sam ausgewachsen ist und eine Höhlung bildet, nicht aber eine
Verdoppelung des Darmfelles. Den Meatus, welchen er früher
geleugnet hatte, fand er unter 17 Neugeborenen männlichen Ge-
schlechtes bei 7 vollständig auf beiden Seiten, bei 3 auf der rech-
ten Seite ganz, auf der linken bis zu dem Hoden, links den gan-
zen Meatus bei einem, rechts bis zu dem Hoden, bei einem an-
dern rechts in einem Ueberreste und links keinen, bei zweien
rechts fehlend, links einen Ueberrest, bei einem rechts bis ausser
die Annuli, links keinen, bei einem endlich auf beiden Seiten
fehlend (S. 52.). Die Entstehung des Ganges ist folgende: Das
Peritoneum steigt zuerst aufwärts und bildet in dem letzten
Ende des Fruchtlebens einen 1/2 Zoll langen Cylinder, auf dessen
vorderem Ende der mit dem Bauchfelle bedeckte Hode und Ne-
benhode ruht. Dieser Cylinder geht mit dem Herabsteigen des
Hodens ebenfalls abwärts, und wendet sich um, wie der Finger
eines Handschuhes, der schnell ausgezogen wird (S. 61.). Das

Von dem Embryo.

2. Die Ortsveränderung der Hoden, oder, wie wir sie zum
Unterschiede der vorigen genauer bezeichnen wollen, die eigen-
thümliche Locomotion der Hoden. Dieser auf die praktische
Chirurgie unmittelbar einflieſsende Gegenstand ist von vielen Sei-
ten, besonders seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts bis auf
die neueste Zeit bearbeitet worden. Da Berufene und Unberu-
fene sich der Sache annahmen, so konnte es zwar an Beleuch-
tung, aber auch an Irrthümern nicht fehlen. Die Zahl der letz-
teren wurde oft sogar durch groſse Auctoritaten begründet und
vermehrt. Wir selbst hatten bis jetzt noch keine Gelegenheit,
den Gegenstand so vollständig zu verfolgen, daſs ein entscheiden-
des Urtheil uns zukäme. Es schien uns daher rathsamer, in aller
Kürze die wichtigsten Ansichten jedoch nur nach den uns zu
Gebote stehenden Urquellen anzuführen. Wir können aber die
Bemerkung nicht unterdrücken, daſs die Darstellungen von Seiler,
Joh. Müller und Rathke von theoretischer Seite sowohl, als nach
den wenigen Beobachtungen, die wir zu machen Gelegenheit fan-
den, uns die wahrsten zu seyn scheinen.

1756. — P. Camper (kleine Schriften übers. von Herbell.
Bd. 2. 1781. 8.) beschreibt den Kanal, durch welchen der Hoden
hindurchgeht, zuerst genauer. Dieser Kanal war schon Galen
als sogenannter πορος, meatus, Nuck als diverticulum bekannt
(S. 46.). Er ist nach Camper das Bauchfell selbst, welches gleich-
sam ausgewachsen ist und eine Höhlung bildet, nicht aber eine
Verdoppelung des Darmfelles. Den Meatus, welchen er früher
geleugnet hatte, fand er unter 17 Neugeborenen männlichen Ge-
schlechtes bei 7 vollständig auf beiden Seiten, bei 3 auf der rech-
ten Seite ganz, auf der linken bis zu dem Hoden, links den gan-
zen Meatus bei einem, rechts bis zu dem Hoden, bei einem an-
dern rechts in einem Ueberreste und links keinen, bei zweien
rechts fehlend, links einen Ueberrest, bei einem rechts bis auſser
die Annuli, links keinen, bei einem endlich auf beiden Seiten
fehlend (S. 52.). Die Entstehung des Ganges ist folgende: Das
Peritoneum steigt zuerst aufwärts und bildet in dem letzten
Ende des Fruchtlebens einen ½ Zoll langen Cylinder, auf dessen
vorderem Ende der mit dem Bauchfelle bedeckte Hode und Ne-
benhode ruht. Dieser Cylinder geht mit dem Herabsteigen des
Hodens ebenfalls abwärts, und wendet sich um, wie der Finger
eines Handschuhes, der schnell ausgezogen wird (S. 61.). Das

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[394/0422] Von dem Embryo. 2. Die Ortsveränderung der Hoden, oder, wie wir sie zum Unterschiede der vorigen genauer bezeichnen wollen, die eigen- thümliche Locomotion der Hoden. Dieser auf die praktische Chirurgie unmittelbar einflieſsende Gegenstand ist von vielen Sei- ten, besonders seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts bis auf die neueste Zeit bearbeitet worden. Da Berufene und Unberu- fene sich der Sache annahmen, so konnte es zwar an Beleuch- tung, aber auch an Irrthümern nicht fehlen. Die Zahl der letz- teren wurde oft sogar durch groſse Auctoritaten begründet und vermehrt. Wir selbst hatten bis jetzt noch keine Gelegenheit, den Gegenstand so vollständig zu verfolgen, daſs ein entscheiden- des Urtheil uns zukäme. Es schien uns daher rathsamer, in aller Kürze die wichtigsten Ansichten jedoch nur nach den uns zu Gebote stehenden Urquellen anzuführen. Wir können aber die Bemerkung nicht unterdrücken, daſs die Darstellungen von Seiler, Joh. Müller und Rathke von theoretischer Seite sowohl, als nach den wenigen Beobachtungen, die wir zu machen Gelegenheit fan- den, uns die wahrsten zu seyn scheinen. 1756. — P. Camper (kleine Schriften übers. von Herbell. Bd. 2. 1781. 8.) beschreibt den Kanal, durch welchen der Hoden hindurchgeht, zuerst genauer. Dieser Kanal war schon Galen als sogenannter πορος, meatus, Nuck als diverticulum bekannt (S. 46.). Er ist nach Camper das Bauchfell selbst, welches gleich- sam ausgewachsen ist und eine Höhlung bildet, nicht aber eine Verdoppelung des Darmfelles. Den Meatus, welchen er früher geleugnet hatte, fand er unter 17 Neugeborenen männlichen Ge- schlechtes bei 7 vollständig auf beiden Seiten, bei 3 auf der rech- ten Seite ganz, auf der linken bis zu dem Hoden, links den gan- zen Meatus bei einem, rechts bis zu dem Hoden, bei einem an- dern rechts in einem Ueberreste und links keinen, bei zweien rechts fehlend, links einen Ueberrest, bei einem rechts bis auſser die Annuli, links keinen, bei einem endlich auf beiden Seiten fehlend (S. 52.). Die Entstehung des Ganges ist folgende: Das Peritoneum steigt zuerst aufwärts und bildet in dem letzten Ende des Fruchtlebens einen ½ Zoll langen Cylinder, auf dessen vorderem Ende der mit dem Bauchfelle bedeckte Hode und Ne- benhode ruht. Dieser Cylinder geht mit dem Herabsteigen des Hodens ebenfalls abwärts, und wendet sich um, wie der Finger eines Handschuhes, der schnell ausgezogen wird (S. 61.). Das

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Zitationshilfe: Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835, S. 394. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/valentin_entwicklungsgeschichte_1835/422>, abgerufen am 23.11.2024.