blossen Augen überzeugen kann. Was ist also wahrscheinlicher, als dass dieses eine solche selbstständig gewordene Gefässschlinge sey? Es wäre interessant, zu wissen, wie die von Joh. Müller und Panizza beschriebenen Lymphherzen der Batrachier in ihrer frühesten Entwickelung sich verhalten.
Die Structur des Herzens, als eines unwillkührlichen Mus- kels, weicht von der der willkührlichen Muskeln in mehreren wesentlichen Punkten ab. 1. Die Muskelfäden der willkührlichen Muskeln haben eine Reihe sehr zierlicher, fast immer wellenför- mig gebogener und in einer mittleren Distanz von etwas weniger als 0,000100 P. Z. stehender paralleler Querstreifen, welche längs der ganzen Muskelfäden verlaufen und sowohl in frischen als in ge- kochten, erhärteten Muskeln u. dgl. sichtbar sind und nur dann verschwinden, wenn nach einer länger anhaltenden Maceration die gestreifte Scheide schwindet und die einzelnen angelegten Muskelfa- sern sich von einander trennen. Ob die letzteren schon in dem fri- schen Muskel gebildet seyen oder nicht, wage ich für jetzt mit Be- stimmtheit noch nicht zu entscheiden, doch glaube ich sie wenig- stens in Amphibien mit Gewissheit annehmen zu können. In der Muskulatur des Herzens sieht man bei den gewöhnlichen Vergrösse- rungen keine Querstreifen, während man diese schon unter densel- ben Verhältnissen mit jeder nur irgend zu wünschenden Bestimmt- heit bei allen willkührlichen Muskeln wahrnehmen kann. Aber ver- mittelst des grossen Plössl'schen Microscops gelang es mir auch an ihnen Querstreifen wahrzunehmen, welche freilich hier nur fast mehr angedeutet, als wahrhaft gebildet zu seyn scheinen. Bei stär- keren Vergrösserungen sieht man nämlich an der Oberfläche der vollkommen hellen Herzmuskelfasern zarte parallele Querstreifen, welche aber wenig oder gar nicht wellenförmig gebogen sind und ebenso wie in den willkührlichen Muskeln um den ganzen Faden herumgehen. Doch gehört schon ein grösserer Grad von Aufmerk- samkeit dazu, um sie bestimmt wahrzunehmen. Hiermit stimmen auch die neuesten Beobachtungen von R. Wagner (Vergl. Anat. Abth. I. 1834. 8. S. 64.) überein. 2. Die Dicke der im frischen Zustande sichtbaren und ohne bedeutende künstliche Behandlung darstellbaren Fäden ist in dem Herzen weit geringer, als in den der Willkühr unterworfnen Muskeln. Purkinje und ich fanden die Breite der Fäden (nicht der Fasern) im Herzen des Rindes 0,000405 P. Z. und die der willkührlichen Muskeln 0,001825 P.
Von dem Embryo.
bloſsen Augen überzeugen kann. Was ist also wahrscheinlicher, als daſs dieses eine solche selbstständig gewordene Gefäſsschlinge sey? Es wäre interessant, zu wissen, wie die von Joh. Müller und Panizza beschriebenen Lymphherzen der Batrachier in ihrer frühesten Entwickelung sich verhalten.
Die Structur des Herzens, als eines unwillkührlichen Mus- kels, weicht von der der willkührlichen Muskeln in mehreren wesentlichen Punkten ab. 1. Die Muskelfäden der willkührlichen Muskeln haben eine Reihe sehr zierlicher, fast immer wellenför- mig gebogener und in einer mittleren Distanz von etwas weniger als 0,000100 P. Z. stehender paralleler Querstreifen, welche längs der ganzen Muskelfäden verlaufen und sowohl in frischen als in ge- kochten, erhärteten Muskeln u. dgl. sichtbar sind und nur dann verschwinden, wenn nach einer länger anhaltenden Maceration die gestreifte Scheide schwindet und die einzelnen angelegten Muskelfa- sern sich von einander trennen. Ob die letzteren schon in dem fri- schen Muskel gebildet seyen oder nicht, wage ich für jetzt mit Be- stimmtheit noch nicht zu entscheiden, doch glaube ich sie wenig- stens in Amphibien mit Gewiſsheit annehmen zu können. In der Muskulatur des Herzens sieht man bei den gewöhnlichen Vergröſse- rungen keine Querstreifen, während man diese schon unter densel- ben Verhältnissen mit jeder nur irgend zu wünschenden Bestimmt- heit bei allen willkührlichen Muskeln wahrnehmen kann. Aber ver- mittelst des groſsen Plöſsl’schen Microscops gelang es mir auch an ihnen Querstreifen wahrzunehmen, welche freilich hier nur fast mehr angedeutet, als wahrhaft gebildet zu seyn scheinen. Bei stär- keren Vergröſserungen sieht man nämlich an der Oberfläche der vollkommen hellen Herzmuskelfasern zarte parallele Querstreifen, welche aber wenig oder gar nicht wellenförmig gebogen sind und ebenso wie in den willkührlichen Muskeln um den ganzen Faden herumgehen. Doch gehört schon ein gröſserer Grad von Aufmerk- samkeit dazu, um sie bestimmt wahrzunehmen. Hiermit stimmen auch die neuesten Beobachtungen von R. Wagner (Vergl. Anat. Abth. I. 1834. 8. S. 64.) überein. 2. Die Dicke der im frischen Zustande sichtbaren und ohne bedeutende künstliche Behandlung darstellbaren Fäden ist in dem Herzen weit geringer, als in den der Willkühr unterworfnen Muskeln. Purkinje und ich fanden die Breite der Fäden (nicht der Fasern) im Herzen des Rindes 0,000405 P. Z. und die der willkührlichen Muskeln 0,001825 P.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0378"n="350"/><fwplace="top"type="header">Von dem Embryo.</fw><lb/>
bloſsen Augen überzeugen kann. Was ist also wahrscheinlicher,<lb/>
als daſs dieses eine solche selbstständig gewordene Gefäſsschlinge<lb/>
sey? Es wäre interessant, zu wissen, wie die von Joh. Müller<lb/>
und Panizza beschriebenen Lymphherzen der Batrachier in ihrer<lb/>
frühesten Entwickelung sich verhalten.</p><lb/><p>Die Structur des Herzens, als eines unwillkührlichen Mus-<lb/>
kels, weicht von der der willkührlichen Muskeln in mehreren<lb/>
wesentlichen Punkten ab. 1. Die Muskelfäden der willkührlichen<lb/>
Muskeln haben eine Reihe sehr zierlicher, fast immer wellenför-<lb/>
mig gebogener und in einer mittleren Distanz von etwas weniger<lb/>
als 0,000100 P. Z. stehender paralleler Querstreifen, welche längs<lb/>
der ganzen Muskelfäden verlaufen und sowohl in frischen als in ge-<lb/>
kochten, erhärteten Muskeln u. dgl. sichtbar sind und nur dann<lb/>
verschwinden, wenn nach einer länger anhaltenden Maceration die<lb/>
gestreifte Scheide schwindet und die einzelnen angelegten Muskelfa-<lb/>
sern sich von einander trennen. Ob die letzteren schon in dem fri-<lb/>
schen Muskel gebildet seyen oder nicht, wage ich für jetzt mit Be-<lb/>
stimmtheit noch nicht zu entscheiden, doch glaube ich sie wenig-<lb/>
stens in Amphibien mit Gewiſsheit annehmen zu können. In der<lb/>
Muskulatur des Herzens sieht man bei den gewöhnlichen Vergröſse-<lb/>
rungen keine Querstreifen, während man diese schon unter densel-<lb/>
ben Verhältnissen mit jeder nur irgend zu wünschenden Bestimmt-<lb/>
heit bei allen willkührlichen Muskeln wahrnehmen kann. Aber ver-<lb/>
mittelst des groſsen Plöſsl’schen Microscops gelang es mir auch an<lb/>
ihnen Querstreifen wahrzunehmen, welche freilich hier nur fast<lb/>
mehr angedeutet, als wahrhaft gebildet zu seyn scheinen. Bei stär-<lb/>
keren Vergröſserungen sieht man nämlich an der Oberfläche der<lb/>
vollkommen hellen Herzmuskelfasern zarte parallele Querstreifen,<lb/>
welche aber wenig oder gar nicht wellenförmig gebogen sind und<lb/>
ebenso wie in den willkührlichen Muskeln um den ganzen Faden<lb/>
herumgehen. Doch gehört schon ein gröſserer Grad von Aufmerk-<lb/>
samkeit dazu, um sie bestimmt wahrzunehmen. Hiermit stimmen<lb/>
auch die neuesten Beobachtungen von R. Wagner (Vergl. Anat.<lb/>
Abth. I. 1834. 8. S. 64.) überein. 2. Die Dicke der im frischen<lb/>
Zustande sichtbaren und ohne bedeutende künstliche Behandlung<lb/>
darstellbaren Fäden ist in dem Herzen weit geringer, als in den<lb/>
der Willkühr unterworfnen Muskeln. Purkinje und ich fanden<lb/>
die Breite der Fäden (nicht der Fasern) im Herzen des Rindes<lb/>
0,000405 P. Z. und die der willkührlichen Muskeln 0,001825 P.<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[350/0378]
Von dem Embryo.
bloſsen Augen überzeugen kann. Was ist also wahrscheinlicher,
als daſs dieses eine solche selbstständig gewordene Gefäſsschlinge
sey? Es wäre interessant, zu wissen, wie die von Joh. Müller
und Panizza beschriebenen Lymphherzen der Batrachier in ihrer
frühesten Entwickelung sich verhalten.
Die Structur des Herzens, als eines unwillkührlichen Mus-
kels, weicht von der der willkührlichen Muskeln in mehreren
wesentlichen Punkten ab. 1. Die Muskelfäden der willkührlichen
Muskeln haben eine Reihe sehr zierlicher, fast immer wellenför-
mig gebogener und in einer mittleren Distanz von etwas weniger
als 0,000100 P. Z. stehender paralleler Querstreifen, welche längs
der ganzen Muskelfäden verlaufen und sowohl in frischen als in ge-
kochten, erhärteten Muskeln u. dgl. sichtbar sind und nur dann
verschwinden, wenn nach einer länger anhaltenden Maceration die
gestreifte Scheide schwindet und die einzelnen angelegten Muskelfa-
sern sich von einander trennen. Ob die letzteren schon in dem fri-
schen Muskel gebildet seyen oder nicht, wage ich für jetzt mit Be-
stimmtheit noch nicht zu entscheiden, doch glaube ich sie wenig-
stens in Amphibien mit Gewiſsheit annehmen zu können. In der
Muskulatur des Herzens sieht man bei den gewöhnlichen Vergröſse-
rungen keine Querstreifen, während man diese schon unter densel-
ben Verhältnissen mit jeder nur irgend zu wünschenden Bestimmt-
heit bei allen willkührlichen Muskeln wahrnehmen kann. Aber ver-
mittelst des groſsen Plöſsl’schen Microscops gelang es mir auch an
ihnen Querstreifen wahrzunehmen, welche freilich hier nur fast
mehr angedeutet, als wahrhaft gebildet zu seyn scheinen. Bei stär-
keren Vergröſserungen sieht man nämlich an der Oberfläche der
vollkommen hellen Herzmuskelfasern zarte parallele Querstreifen,
welche aber wenig oder gar nicht wellenförmig gebogen sind und
ebenso wie in den willkührlichen Muskeln um den ganzen Faden
herumgehen. Doch gehört schon ein gröſserer Grad von Aufmerk-
samkeit dazu, um sie bestimmt wahrzunehmen. Hiermit stimmen
auch die neuesten Beobachtungen von R. Wagner (Vergl. Anat.
Abth. I. 1834. 8. S. 64.) überein. 2. Die Dicke der im frischen
Zustande sichtbaren und ohne bedeutende künstliche Behandlung
darstellbaren Fäden ist in dem Herzen weit geringer, als in den
der Willkühr unterworfnen Muskeln. Purkinje und ich fanden
die Breite der Fäden (nicht der Fasern) im Herzen des Rindes
0,000405 P. Z. und die der willkührlichen Muskeln 0,001825 P.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835, S. 350. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/valentin_entwicklungsgeschichte_1835/378>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.