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Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835.

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Entstehung des Blutes und der Blutgefässe.
bildung dem Wesen nach in Consonanz. Ob aber Alles mit sinn-
lichen Augen gesehen worden sey, muss ich durchaus bezweifeln.
Dergleichen Naturprocesse gehen eben so wenig, als die Wachs-
thumsveränderungen, so unmittelbar und rasch vor sich, dass sie
von uns sinnlich vollständig zu verfolgen wären. Sie entstehen
in den feinsten Nüancen, gehen in den zartesten Nüancirungen
fort und erst das Product derselben und das Ganze der Umbil-
dung wird uns dadurch kenntlich, dass wir einzelne, abgerissene
und der Zeit nach entfernte Momente ergreifen, mit einander ver-
gleichen und in ihren Unterschieden auffassen. Zuletzt syntheti-
siren wir den Hergang, der für das Blut wohl folgender seyn
dürfte: Es verflüssigt sich zwischen den alten Netzen und Gefä-
ssen ein Theil des Thierstoffes für sich und unabhängig von den
Gefässen. Die Verflüssigung setzt sich nach beiden Seiten ver-
schmälert fort, bis sie benachbarte Gefässwände erreicht, auch
diese in ihr Bereich zieht und so mit dem übrigen Blutgefässsy-
steme in Communication tritt und gleiche Bewegung mit ihm er-
hält. Dass es aber ausser dieser Bewegung für sich (noch vor
seiner Einmündung in die älteren Stämmchen) eigene, selbststän-
dige Bewegung habe, dürfte kaum unmittelbar wahrgenommen
werden können. Von theoretischer Seite aus möchte ich es so-
gar bezweifeln. Mehreres noch über Gefässbildung, besonders über
Histiogenie der Wände, siehe unten bei Gelegenheit des Herzens.

Was nun die morphologischen Verhältnisse des Gefässsyste-
mes betrifft, so muss man hier nothwendig mehrere Distinctionen
machen, um bei der nicht geringen Zahl von Einzelheiten die
Uebersicht des Ganzen im Auge zu behalten. 1. Ganz nach au-
ssen liegt der Kreislauf der Dottergefässe, vergänglicher bei ver-
schiedenen Thieren zu verschiedenen Zeiten verschwindender Ge-
fässe. Bei den Säugethieren sind die Gefässe der Nabelblase (Ve-
sicula umbilicalis
bei dem Menschen, v. erythroides bei den
übr. Säugethieren) wahre Dottergefässe. 2. Nach ihnen müssen
wir die in dem Embryo selbst enthaltenen Gefässe nebst ihrer
Ausbreitung an und zwischen den Eihäuten und 3. das Central-
gefäss des Embryonalkörpers, das Herz betrachten. Diese drei
Klassen von Gefässen haben ursprünglich einen Charakter und in
gewissen Hauptrepräsentanten eine zeitliche Genese, indem das
Gefässblatt nach Analogie der Keimhaut selbst in der Fläche in
drei Zonen sich gliedert, von denen die äussere dem Dotter an-

Entstehung des Blutes und der Blutgefäſse.
bildung dem Wesen nach in Consonanz. Ob aber Alles mit sinn-
lichen Augen gesehen worden sey, muſs ich durchaus bezweifeln.
Dergleichen Naturprocesse gehen eben so wenig, als die Wachs-
thumsveränderungen, so unmittelbar und rasch vor sich, daſs sie
von uns sinnlich vollständig zu verfolgen wären. Sie entstehen
in den feinsten Nüancen, gehen in den zartesten Nüancirungen
fort und erst das Product derselben und das Ganze der Umbil-
dung wird uns dadurch kenntlich, daſs wir einzelne, abgerissene
und der Zeit nach entfernte Momente ergreifen, mit einander ver-
gleichen und in ihren Unterschieden auffassen. Zuletzt syntheti-
siren wir den Hergang, der für das Blut wohl folgender seyn
dürfte: Es verflüssigt sich zwischen den alten Netzen und Gefä-
ſsen ein Theil des Thierstoffes für sich und unabhängig von den
Gefäſsen. Die Verflüssigung setzt sich nach beiden Seiten ver-
schmälert fort, bis sie benachbarte Gefäſswände erreicht, auch
diese in ihr Bereich zieht und so mit dem übrigen Blutgefäſssy-
steme in Communication tritt und gleiche Bewegung mit ihm er-
hält. Daſs es aber auſser dieser Bewegung für sich (noch vor
seiner Einmündung in die älteren Stämmchen) eigene, selbststän-
dige Bewegung habe, dürfte kaum unmittelbar wahrgenommen
werden können. Von theoretischer Seite aus möchte ich es so-
gar bezweifeln. Mehreres noch über Gefäſsbildung, besonders über
Histiogenie der Wände, siehe unten bei Gelegenheit des Herzens.

Was nun die morphologischen Verhältnisse des Gefäſssyste-
mes betrifft, so muſs man hier nothwendig mehrere Distinctionen
machen, um bei der nicht geringen Zahl von Einzelheiten die
Uebersicht des Ganzen im Auge zu behalten. 1. Ganz nach au-
ſsen liegt der Kreislauf der Dottergefäſse, vergänglicher bei ver-
schiedenen Thieren zu verschiedenen Zeiten verschwindender Ge-
fäſse. Bei den Säugethieren sind die Gefäſse der Nabelblase (Ve-
sicula umbilicalis
bei dem Menschen, v. erythroides bei den
übr. Säugethieren) wahre Dottergefäſse. 2. Nach ihnen müssen
wir die in dem Embryo selbst enthaltenen Gefäſse nebst ihrer
Ausbreitung an und zwischen den Eihäuten und 3. das Central-
gefäſs des Embryonalkörpers, das Herz betrachten. Diese drei
Klassen von Gefäſsen haben ursprünglich einen Charakter und in
gewissen Hauptrepräsentanten eine zeitliche Genese, indem das
Gefäſsblatt nach Analogie der Keimhaut selbst in der Fläche in
drei Zonen sich gliedert, von denen die äuſsere dem Dotter an-

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[303/0331] Entstehung des Blutes und der Blutgefäſse. bildung dem Wesen nach in Consonanz. Ob aber Alles mit sinn- lichen Augen gesehen worden sey, muſs ich durchaus bezweifeln. Dergleichen Naturprocesse gehen eben so wenig, als die Wachs- thumsveränderungen, so unmittelbar und rasch vor sich, daſs sie von uns sinnlich vollständig zu verfolgen wären. Sie entstehen in den feinsten Nüancen, gehen in den zartesten Nüancirungen fort und erst das Product derselben und das Ganze der Umbil- dung wird uns dadurch kenntlich, daſs wir einzelne, abgerissene und der Zeit nach entfernte Momente ergreifen, mit einander ver- gleichen und in ihren Unterschieden auffassen. Zuletzt syntheti- siren wir den Hergang, der für das Blut wohl folgender seyn dürfte: Es verflüssigt sich zwischen den alten Netzen und Gefä- ſsen ein Theil des Thierstoffes für sich und unabhängig von den Gefäſsen. Die Verflüssigung setzt sich nach beiden Seiten ver- schmälert fort, bis sie benachbarte Gefäſswände erreicht, auch diese in ihr Bereich zieht und so mit dem übrigen Blutgefäſssy- steme in Communication tritt und gleiche Bewegung mit ihm er- hält. Daſs es aber auſser dieser Bewegung für sich (noch vor seiner Einmündung in die älteren Stämmchen) eigene, selbststän- dige Bewegung habe, dürfte kaum unmittelbar wahrgenommen werden können. Von theoretischer Seite aus möchte ich es so- gar bezweifeln. Mehreres noch über Gefäſsbildung, besonders über Histiogenie der Wände, siehe unten bei Gelegenheit des Herzens. Was nun die morphologischen Verhältnisse des Gefäſssyste- mes betrifft, so muſs man hier nothwendig mehrere Distinctionen machen, um bei der nicht geringen Zahl von Einzelheiten die Uebersicht des Ganzen im Auge zu behalten. 1. Ganz nach au- ſsen liegt der Kreislauf der Dottergefäſse, vergänglicher bei ver- schiedenen Thieren zu verschiedenen Zeiten verschwindender Ge- fäſse. Bei den Säugethieren sind die Gefäſse der Nabelblase (Ve- sicula umbilicalis bei dem Menschen, v. erythroides bei den übr. Säugethieren) wahre Dottergefäſse. 2. Nach ihnen müssen wir die in dem Embryo selbst enthaltenen Gefäſse nebst ihrer Ausbreitung an und zwischen den Eihäuten und 3. das Central- gefäſs des Embryonalkörpers, das Herz betrachten. Diese drei Klassen von Gefäſsen haben ursprünglich einen Charakter und in gewissen Hauptrepräsentanten eine zeitliche Genese, indem das Gefäſsblatt nach Analogie der Keimhaut selbst in der Fläche in drei Zonen sich gliedert, von denen die äuſsere dem Dotter an-

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Zitationshilfe: Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835, S. 303. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/valentin_entwicklungsgeschichte_1835/331>, abgerufen am 23.11.2024.