Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite

Von dem Embryo.
im dritten Monate. Doch erhellt aus seiner Beschreibung deut-
lich genug, dass dieses unmöglich der erste Anfang seyn könne.
Auch Nesbitt (l. c. S. 44.) sah im zweiten Monate keine Spur
von Verknöcherung, Meckel (l. c. S. 636.) setzt als Termin die
Mitte des dritten Monates, Senff (l. c. p. 27.) die eilfte Woche,
Nicolai (l. c. S. 10.) dagegen das Ende des zweiten Monates. Zu-
erst entsteht, wie Senff (tab. 2. fig. 5.) es auch abgebildet hat,
ein kleiner freier Knochenkern am unteren Theile der Schuppe,
welcher sich schnell vergrössert, gegen das Ende des vierten Mo-
nates schon einen ziemlich grossen Halbkreis darstellt, vom fünf-
ten Monate an dagegen, besonders in der Dimension von hinten
nach vorn, wächst. Eben so früh bildet sich der processus zy-
gomaticus,
so dass schon im vierten Monate kein Knorpeltheil
an ihm wahrgenommen wird und er sich späterhin nur in glei-
chem Maasse mit dem Schädel vergrössert. Selbst in rhachiti-
schen Köpfen ist dies ganz so, wie es im Gesunden der Fall ist.
Die die knöchernen Theile des Gehörorganes deckenden Knochen-
platten entstehen nach Meckel (l. c. S. 636.) im vierten, nach
meinen Untersuchungen jedoch erst im fünften Monate vollständig.
Der Zitzentheil hat einen eigenen Knochenkern im vierten bis
fünften Monate, bei rhachitischen Schädeln noch später und ist
im siebenten Monate noch durch eine Spalte von der Schuppe
getrennt. Der proc. mastoideus dagegen entsteht gewöhnlich
erst nach der Geburt. Der Carotidenkanal hat zu Anfange des
fünften Monates schon seine deutliche Windung. Ueber das an
demselben liegende Sesambein vermag ich nichts Bestimmtes an-
zugeben. Wahrscheinlich entsteht es kaum vor dem siebenten
Monate, wo ich seine erste Spur in einem rhachitischen Schädel
zu sehen glaube. Die Oeffnung in die tuba Eustachiana ist im
dritien Monate am trockenen Schädel schon bedeutend gross. Vgl.
Kerkring p. 220--224, Nesbitt S. 38--43, Danz S. 205, Senff
p. 27--29, Meckel S. 606, Beclard S. 427--430, Nicolai S.
12. 18. fgg., Ritgen S. 174--177., Oberkampf p. 40., E. H. We-
ber S. 82. 83.

Dadurch, dass die Schädelknochen in früherer Zeit nicht voll-
kommen an einander stossen, entstehen membranöse Zwischen-
räume, welche zum Theil vor der Geburt verschwinden, zum
Theil aber im normalen Zustande bei dem Neugeborenen noch
vorhanden und als die sogenannten Fontanellen bekannt sind. Die

Von dem Embryo.
im dritten Monate. Doch erhellt aus seiner Beschreibung deut-
lich genug, daſs dieses unmöglich der erste Anfang seyn könne.
Auch Nesbitt (l. c. S. 44.) sah im zweiten Monate keine Spur
von Verknöcherung, Meckel (l. c. S. 636.) setzt als Termin die
Mitte des dritten Monates, Senff (l. c. p. 27.) die eilfte Woche,
Nicolai (l. c. S. 10.) dagegen das Ende des zweiten Monates. Zu-
erst entsteht, wie Senff (tab. 2. fig. 5.) es auch abgebildet hat,
ein kleiner freier Knochenkern am unteren Theile der Schuppe,
welcher sich schnell vergröſsert, gegen das Ende des vierten Mo-
nates schon einen ziemlich groſsen Halbkreis darstellt, vom fünf-
ten Monate an dagegen, besonders in der Dimension von hinten
nach vorn, wächst. Eben so früh bildet sich der processus zy-
gomaticus,
so daſs schon im vierten Monate kein Knorpeltheil
an ihm wahrgenommen wird und er sich späterhin nur in glei-
chem Maaſse mit dem Schädel vergröſsert. Selbst in rhachiti-
schen Köpfen ist dies ganz so, wie es im Gesunden der Fall ist.
Die die knöchernen Theile des Gehörorganes deckenden Knochen-
platten entstehen nach Meckel (l. c. S. 636.) im vierten, nach
meinen Untersuchungen jedoch erst im fünften Monate vollständig.
Der Zitzentheil hat einen eigenen Knochenkern im vierten bis
fünften Monate, bei rhachitischen Schädeln noch später und ist
im siebenten Monate noch durch eine Spalte von der Schuppe
getrennt. Der proc. mastoideus dagegen entsteht gewöhnlich
erst nach der Geburt. Der Carotidenkanal hat zu Anfange des
fünften Monates schon seine deutliche Windung. Ueber das an
demselben liegende Sesambein vermag ich nichts Bestimmtes an-
zugeben. Wahrscheinlich entsteht es kaum vor dem siebenten
Monate, wo ich seine erste Spur in einem rhachitischen Schädel
zu sehen glaube. Die Oeffnung in die tuba Eustachiana ist im
dritien Monate am trockenen Schädel schon bedeutend groſs. Vgl.
Kerkring p. 220—224, Nesbitt S. 38—43, Danz S. 205, Senff
p. 27—29, Meckel S. 606, Bèclard S. 427—430, Nicolai S.
12. 18. fgg., Ritgen S. 174—177., Oberkampf p. 40., E. H. We-
ber S. 82. 83.

Dadurch, daſs die Schädelknochen in früherer Zeit nicht voll-
kommen an einander stoſsen, entstehen membranöse Zwischen-
räume, welche zum Theil vor der Geburt verschwinden, zum
Theil aber im normalen Zustande bei dem Neugeborenen noch
vorhanden und als die sogenannten Fontanellen bekannt sind. Die

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0258" n="230"/><fw place="top" type="header">Von dem Embryo.</fw><lb/>
im dritten Monate. Doch erhellt aus seiner Beschreibung deut-<lb/>
lich genug, da&#x017F;s dieses unmöglich der erste Anfang seyn könne.<lb/>
Auch Nesbitt (l. c. S. 44.) sah im zweiten Monate keine Spur<lb/>
von Verknöcherung, Meckel (l. c. S. 636.) setzt als Termin die<lb/>
Mitte des dritten Monates, Senff (l. c. p. 27.) die eilfte Woche,<lb/>
Nicolai (l. c. S. 10.) dagegen das Ende des zweiten Monates. Zu-<lb/>
erst entsteht, wie Senff (tab. 2. fig. 5.) es auch abgebildet hat,<lb/>
ein kleiner freier Knochenkern am unteren Theile der Schuppe,<lb/>
welcher sich schnell vergrö&#x017F;sert, gegen das Ende des vierten Mo-<lb/>
nates schon einen ziemlich gro&#x017F;sen Halbkreis darstellt, vom fünf-<lb/>
ten Monate an dagegen, besonders in der Dimension von hinten<lb/>
nach vorn, wächst. Eben so früh bildet sich der <hi rendition="#i">processus zy-<lb/>
gomaticus,</hi> so da&#x017F;s schon im vierten Monate kein Knorpeltheil<lb/>
an ihm wahrgenommen wird und er sich späterhin nur in glei-<lb/>
chem Maa&#x017F;se mit dem Schädel vergrö&#x017F;sert. Selbst in rhachiti-<lb/>
schen Köpfen ist dies ganz so, wie es im Gesunden der Fall ist.<lb/>
Die die knöchernen Theile des Gehörorganes deckenden Knochen-<lb/>
platten entstehen nach Meckel (l. c. S. 636.) im vierten, nach<lb/>
meinen Untersuchungen jedoch erst im fünften Monate vollständig.<lb/>
Der Zitzentheil hat einen eigenen Knochenkern im vierten bis<lb/>
fünften Monate, bei rhachitischen Schädeln noch später und ist<lb/>
im siebenten Monate noch durch eine Spalte von der Schuppe<lb/>
getrennt. Der <hi rendition="#i">proc. mastoideus</hi> dagegen entsteht gewöhnlich<lb/>
erst nach der Geburt. Der Carotidenkanal hat zu Anfange des<lb/>
fünften Monates schon seine deutliche Windung. Ueber das an<lb/>
demselben liegende Sesambein vermag ich nichts Bestimmtes an-<lb/>
zugeben. Wahrscheinlich entsteht es kaum vor dem siebenten<lb/>
Monate, wo ich seine erste Spur in einem rhachitischen Schädel<lb/>
zu sehen glaube. Die Oeffnung in die <hi rendition="#i">tuba Eustachiana</hi> ist im<lb/>
dritien Monate am trockenen Schädel schon bedeutend gro&#x017F;s. Vgl.<lb/>
Kerkring p. 220&#x2014;224, Nesbitt S. 38&#x2014;43, Danz S. 205, Senff<lb/>
p. 27&#x2014;29, Meckel S. 606, Bèclard S. 427&#x2014;430, Nicolai S.<lb/>
12. 18. fgg., Ritgen S. 174&#x2014;177., Oberkampf p. 40., E. H. We-<lb/>
ber S. 82. 83.</p><lb/>
              <p>Dadurch, da&#x017F;s die Schädelknochen in früherer Zeit nicht voll-<lb/>
kommen an einander sto&#x017F;sen, entstehen membranöse Zwischen-<lb/>
räume, welche zum Theil vor der Geburt verschwinden, zum<lb/>
Theil aber im normalen Zustande bei dem Neugeborenen noch<lb/>
vorhanden und als die sogenannten Fontanellen bekannt sind. Die<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[230/0258] Von dem Embryo. im dritten Monate. Doch erhellt aus seiner Beschreibung deut- lich genug, daſs dieses unmöglich der erste Anfang seyn könne. Auch Nesbitt (l. c. S. 44.) sah im zweiten Monate keine Spur von Verknöcherung, Meckel (l. c. S. 636.) setzt als Termin die Mitte des dritten Monates, Senff (l. c. p. 27.) die eilfte Woche, Nicolai (l. c. S. 10.) dagegen das Ende des zweiten Monates. Zu- erst entsteht, wie Senff (tab. 2. fig. 5.) es auch abgebildet hat, ein kleiner freier Knochenkern am unteren Theile der Schuppe, welcher sich schnell vergröſsert, gegen das Ende des vierten Mo- nates schon einen ziemlich groſsen Halbkreis darstellt, vom fünf- ten Monate an dagegen, besonders in der Dimension von hinten nach vorn, wächst. Eben so früh bildet sich der processus zy- gomaticus, so daſs schon im vierten Monate kein Knorpeltheil an ihm wahrgenommen wird und er sich späterhin nur in glei- chem Maaſse mit dem Schädel vergröſsert. Selbst in rhachiti- schen Köpfen ist dies ganz so, wie es im Gesunden der Fall ist. Die die knöchernen Theile des Gehörorganes deckenden Knochen- platten entstehen nach Meckel (l. c. S. 636.) im vierten, nach meinen Untersuchungen jedoch erst im fünften Monate vollständig. Der Zitzentheil hat einen eigenen Knochenkern im vierten bis fünften Monate, bei rhachitischen Schädeln noch später und ist im siebenten Monate noch durch eine Spalte von der Schuppe getrennt. Der proc. mastoideus dagegen entsteht gewöhnlich erst nach der Geburt. Der Carotidenkanal hat zu Anfange des fünften Monates schon seine deutliche Windung. Ueber das an demselben liegende Sesambein vermag ich nichts Bestimmtes an- zugeben. Wahrscheinlich entsteht es kaum vor dem siebenten Monate, wo ich seine erste Spur in einem rhachitischen Schädel zu sehen glaube. Die Oeffnung in die tuba Eustachiana ist im dritien Monate am trockenen Schädel schon bedeutend groſs. Vgl. Kerkring p. 220—224, Nesbitt S. 38—43, Danz S. 205, Senff p. 27—29, Meckel S. 606, Bèclard S. 427—430, Nicolai S. 12. 18. fgg., Ritgen S. 174—177., Oberkampf p. 40., E. H. We- ber S. 82. 83. Dadurch, daſs die Schädelknochen in früherer Zeit nicht voll- kommen an einander stoſsen, entstehen membranöse Zwischen- räume, welche zum Theil vor der Geburt verschwinden, zum Theil aber im normalen Zustande bei dem Neugeborenen noch vorhanden und als die sogenannten Fontanellen bekannt sind. Die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/valentin_entwicklungsgeschichte_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/valentin_entwicklungsgeschichte_1835/258
Zitationshilfe: Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835, S. 230. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/valentin_entwicklungsgeschichte_1835/258>, abgerufen am 22.11.2024.